Mittwoch, 31. Januar 2007
Laufruhe
Die meisten Dinge, über die man sich aufregt, sind bei genauer Betrachtung der Erregung nicht wert. Dem gegenüber stehen einige wirkliche Ärgernisse, über die man gerne mal hinwegsieht. Zudem ist oftmals das Objekt des Ärgernisses oft gar nicht das, worüber man sich in Wirklichkeit ärgert. Und andere Objekte, die einen wirklich eigentlich zur Weißglut treiben müssten, lassen einen kalt. Der Ärger an sich ist also sehr und äußerst heimtückisch. Somit gilt es den Ärger genau zu betrachten, ihn zu entschärfen, weil man ihn entlarvt. Und sich dem eigentlichen Grund zu stellen. Und den wirklich ärgerlichen Aspekten zu begegnen. Der Vorteil an diesem Verhaltenswandel ist, dass man sich über Unwichtiges nicht mehr aufregt. Zudem Wichtiges im eigenen Interesse regelt, ändert, anpackt, fallen lässt, aus dem Weg geht, begegnet. Wie auch immer, aber eins nach dem anderen aus dem eigenen Leben räumt. Auch der Ärger anderer Mensch ist wesentlich einfacher zu verdauen, wenn man weiß, dass der angebliche Grund nicht der wirkliche ist, und wenn man weiß, dass es viel Wichtigeres gibt, über das derjenige sich besser mal ärgern sollte. Ärgermanagement sollte man das nennen. Denn es gibt zwei Arten von Ärger: Den positiven, konstruktiven Ärger. Und den negativen, destruktiven Ärger. Der zweite ist weit aus mehr verbreitet. Es gilt langsam aber stetig dem positiven Ärger mehr Raum einzuräumen und den negativen gleichermaßen abzubauen. Das geht, wenn man will, relativ leicht. Es gibt zwei Übungen: Die erste heißt: Optimiere dein Timing. Die zweite heißt: Bewerte nicht alles. Dem gegenüber stehen zwei Übungen, die den positiven Ärger fördern: Lass los, was dich nervt. Pack an, was du willst. So weit, so gut. Aber es gibt, wie bei allen Veränderungen, einiges zu berücksichtigen. Was macht man mit der ganzen Energie, die man für den sinnlosen Ärger vergeudet? Auch der negative Ärger kompensiert einiges. Zwar destruktiv, aber er macht es. Eine Art emotionale Müllverbrennung. Wer keine Interessen hat, wird sich ohne diesen Ärger sehr leer fühlen. Wer viele Interessen hat, wird diesen endlich nachgehen können. Die andere Nebenwirkung liegt wie immer in der Konsequenz. Machen Sie diese Übungen nur, wenn sie vorhaben, diese bis zum letzten Atemzug auch durchzuziehen. Nicht wie so eine Art Hardcore-Diät für die Nerven, das bringt nichts und man ärgert sich letztendlich noch mehr. Und zwar über sich selbst. Welches bekanntlich die schlimmste Form des Ärgerns ist. Mensch ärgere Dich nicht ist somit eine Lebenseinstellung, die man sofort anfangen kann, aber die man bis zum Ende durchhalten sollte. In guten und in schlechten Tagen. Der Gewinn an Lebensqualität ist enorm. Der an Arbeitsqualität nicht minder. Also, aufregen nur über das, was sich lohnt und bei allem anderen gelassen werden und auf Sicht auch bleiben.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Mensch ärgere Dich nicht Männchen)
Dienstag, 30. Januar 2007
Erfahrungssachen
Es bleibt nicht viel übrig an Substanz, wenn man mal alles außen herum abblättert. In meinen Erinnerungen in Sachen Werbung zum Beispiel fallen mir nach 20 Jahren spontan vielleicht 5 bis 10 Dinge ein. Nach mehr muss ich schon suchen. Nach noch mehr geradezu wühlen. Da sind Momente für immer festgehalten. Aber mehr wie in einem Fotoalbum. Wie es sich angefühlt hat, oder gerochen, oder was auch immer entzieht sich meiner Erinnerung. Ich finde das nicht viel. Noch mehr. Es erschreckt mich. Dass the best of my ad-life keine Top 50 füllt. Nicht mal eine Top 20. Sondern mit Mühe und Not komme ich auf 10. Vergänglichkeit. Das muss es sein. Also versuche ich, mich auf meine Liebeleien, Liebschaften, Beziehungen von kürzerer und längerer Dauer zu konzentrieren. Das hat mir damals immer sehr viel bedeutet. Deshalb muss ich hier doch wesentlich mehr Erinnerungen haben. Und?! Wenig. Wie hieß die noch mal? Wie sah die eigentlich aus? Auch hier bleibt wenig. Sehr wenig. Das überrascht mich noch mehr. Denn meine Sexualität währt jetzt schon über 25 Jahre. Aber auch hier nur Bruchstücke. Als ob man sich die Urlaubsbilder eines anderen ansieht. Und so geht es weiter. Ich forsche einzelnen Themen nach. Fußball. Wein. Reisen. Wieviele unvergessliche Momente fallen mir einfach nicht mehr ein? Oder sehen heute ganz anders aus? Es ist erschreckend, was die Erinnerung aus der Vergangenheit macht. Das macht mich stutzig. Denn alle berufen sich auf die Zeit. Auf die vielen Erfahrungen. Wenn ich ehrlich bin, mache ich das auch. Aber was ist noch da? Was ist wirklich noch gegenwärtig? Das Leben im Jetzt und mit einem konzentrierten Blick auf das Morgen verschlingt die Vergangenheit. Ich weiß, wie das neue iPhone aussieht. Aber nicht, wie meine Handys vor dem ausgesehen haben, das ich jetzt habe. Wie sah mein erstes Skateboard aus? Mein Fahrrad? Was habe ich getan die ganze Zeit? Ich dachte, die Summe meiner schönsten Erinnerungen würde sich über Tage erstrecken. Diese Momente waren auch da. Viele, wie ich glaube. Aber sie sind jetzt nicht mehr so relevant, dass ich sie abrufen kann wie ein kühles Bier aus dem Kühlschrank. Somit stellt sich die Frage an die Erfahrung: Ist das nur ein Vorwand? Ist das nur eine unüberlegte Behauptung? Oder leide ich einfach nur unter Alzheimer? Worauf berufen sich da so viele? Mir fällt so vieles nicht mehr ein. Auf welche Erfahrungen berufen sich da alle, wenn täglich so vieles neu und bei Null beginnt?
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Schweizer Wanduhren)
Sonntag, 28. Januar 2007
Wir wussten es ja schon immer. Peter von Felbert & Christoph Peters auf einer ganzen Seite in der FAZ
Für alle die es nicht mitgekommen haben. Aus welchen unverständlichen und unverzeihlichen Gründen auch immer. Niemand geringeres als zwei Gleichgesinnte aus unserem Blog haben es geschafft auf eine ganze Seite der FAZ. Und die haben dafür keinen 1/1 Seite 4c Preis gezahlt, sondern waren hier redaktionell in Erscheinung getreten. Ich würde mal sagen, angekommen. Am Ziel. Was will man mehr? Wir sind begeistert und auch etwas stolz. Und ein wenig neidisch bin ich auch. Aber man muss gönne könne.
Foto der FAZ Ausgabe mit den Bilder von Peter von Felbert und den Texten von Christoph Peters. Hängt jetzt bei uns an der Tafel.
Freitag, 26. Januar 2007
Der kleine Dieb
Es war einmal vor nicht all zu langer Zeit, da trug sich folgende Geschichte zu: Zum Oktoberfest in München versammeln sich alle Schausteller an einem Platz, um das wohl größte Fest abzuhalten, in anderen Gebieten auch als Kirmes bezeichnet. An diesem besonderen Platz ist es guter Brauch, dass der Duft von Süßem in der Luft liegt, Musik aus allen Ecken ertönt und ein buntes Lichtermeer alles in eine verwunschene Traumwelt verwandelt. Wer den Fuß auf den Boden eines solchen Platzes setzt, der betritt sofort eine andere, schönere Welt. Die Menschen kommen in Massen und feiern gemeinsam das Leben. An allen Ecken und Ende blitzen und blinken die Verführungen. Vor allem für Kinder ist das ein Platz, der diese magisch anzieht und nicht mehr los lässt. Wer hat nicht diese wunderbaren Kindheitsfantasien, die sich auf diesen Plätzen abspielen? Träume aus Zuckerwatte, kandierten Äpfeln, Schießbuden und dem Autoscooter. Im Laufe der Zeit hat sich diese Welt der Träume weiter und weiter entwickelt. Aber der Autoscooter ist ein ganz besonderer zwischen alle den besonderen Orten. Hier arbeiteten und rangierten meine ersten Helden. Die Autoscooter-Einparker. Der kleine Traum vom Auto und dem Fahren hat hier tiefe Wurzeln geschlagen. So fiel vor einigen Jahren eine Meldung in der SZ auf. Da stand, dass ein gerade mal 10-Jähriger einen Einbruch verübt hätte. Auf der Wies'n. Und zwar genau in der Kasse vom Autosooter-Schausteller. Dabei hat er so viele Chips entwendet, wie er nur tragen konnte... (Dieser Beitag geht beim nachfolgenden Link weiter)
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Angekommen
Endlich angekommen. Wer kennt das Gefühl nicht? Nach einer langen Reise endlich am Ziel angelang zu sein. Vor Anker gehen. Sich niederlassen. Im Hafen angekommen sein. Mir scheint, was man im übertragenen Sinne mit Reisen verbindet, trifft ebenso auf Menschen und Marken zu. Man weiß entweder wohin die Reise geht. Oder man reist umher, um den Ort zu finden. Oder noch schöner, der Ort findet einen selbst. Somit sind alle auf Reisen. Um anzukommen. An einem Ort, an dem man regelrecht fühlt, dass man da ist. Wenn ich über Ideen nachdenke, ist das ebenso. In Gedanken begebe ich mich auf Reisen. Reisen durch Informationen, Erfahrungen, Erinnerungen, Erkenntnisse, Erzählungen und vielen anderen Begebenheiten und Eindrücke. Aber wenn man am Ziel angekommen ist, dann spürt man das. Man weiß, dass man an der Lösung einer Aufgabenstellung angelangt ist. An seiner Lösung. Somit treffen wir ständig auf Menschen und Marken, die sich aufmachen auf eine Reise, oder die gerade reisen, und auf Menschen und Marken, die angekommen sind. Am Ziel. Ich beneide diese beiden. Denn sie sind da, wo sie hin wollten. Und können diesen Zustand nun genießen. Reisende können das nicht. Denn sie sind nie da, wo man sie gerade antrifft, weil sie eigentlich schon woanders sein wollten oder sollten. Reisende kann man deshalb nur ein Stück begleiten. Denn selten sind die Ziele dieselben. Vor allem, wenn Reisende kein Ziel definiert haben, sondern umherreisen... (Dieser Beitag geht beim nachfolgenden Link weiter)
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Mittwoch, 17. Januar 2007
Flexibilität
Wer hat sich denn diesen Blödsinn einfallen lassen, dass Menschen flexibel sein sollen? Heute so und morgen so. Machen Sie sich mal locker, seien Sie flexibel. Ja spinnen die denn alle? Ich kann doch nicht jeden Tag Kinder in andere Kindergärten verfrachten oder auf neue Schulen. Noch eine neue Sprache hier. Und eine neue Position dort. Rein in die Schuhe, raus aus den Schuhen. Die können mir erzählen, was die wollen. Das liegt nicht in der Natur der Sache. Womit ich in diesem Fall mal den Menschen meine. Das Business kann auf Sicht ja nur von Leuten gewuppt werden, die aus welchen Gründen auch immer keine Familienplanung haben, aber von Familien keinen Plan. Diese ständigen Wechselbäder der Gefühle hält doch keiner aus. Da sitzen doch nur noch Manager mit Alpträumen herum. Wie erkläre ich das meiner Familie? Die sind mit ihren Gedanken doch ständig woanderes. Aber nicht bei der Sache. So gefühl- und herzlos können viele, aber nicht alle sein. Mein Mitgefühl haben diese Menschen, denen man alle paar Tage wieder die Wurzeln abschneidet. Wie sollen so wichtige Verbindungen entstehen? Wie sollen so Familien sich entwicklen können? Wie soll so Vertrauen und Zutrauen entstehen? Das alles für diese Flexibilität. Also, wenn ihr mich fragt, das ist ausgemachter Blödsinn. Menschen sind nicht flexibel, wenn es um ihre Gefühle geht. Sollen sie auch nicht sein. Gibt es eine zweite Version von Liebe, eine zweite Variante von Familie, eine andere Art von etwas wie (halb)wahre Freundschaft? Da wäre mir was entgangen. Die fehlende Verbindung dieser Menschen zu den wesentlichen Wesensmerkmalen drückt sich in dem aus, was man von außen gerade bedenklich bestaunen kann und muss. Das sind Menschen mit einer offensichtlichen Flexibilitätserkrankung.
Fetzen
Alles fliegt in Fetzen. Es bleibt keine Zeit, sich 10 Gänge zu geben. Das muss alles auf einmal gehen. Vor Jahren dachte ich schon, ob man das machen kann, was die damaligen 3 Tenöre taten. Die Filetstückchen aus der Opernbrust reißen und zu einem unterhaltsamen Potpurrie zusammenstellen. Geht das? Natürlich geht das, aber macht man das? Hat denn niemand mehr Zeit, sich gesamte Werke zu verinnerlichen? Liest man irgendwann keine Bücher mehr, sondern nur noch die Zusammenfassungen? Das Zerfetzen in kleine Häppchen, die gerade mal so in überfüllte Tage passen, erstreckt sich über alle Disziplinen der Kultur. Das Große und Ganze kennt kaum noch jemand. Interessiert auch niemanden mehr so richtig. Es reicht, das Wesentliche zu kennen. Sogar beim Essen ist es längst so weit. Das Wichtigste löst man sich morgens in Wasser auf. Und alles andere wird hastig in munderechten Häppchen gereicht. Fingerfood nennt man das. Der Fernsehzapper schaut schon lange keine Filme mehr. Sondern kreiert aus allen Programmen sein eigenes Programm. Die Kolumnen in den Zeitungen werden meist zuerst gelesen. Kurz, knapp und unterhaltsam oder nachdenklich. Das reicht. Die Krönung der Kulturfetzen-Entwicklung ist - wie soll es auch anders sein - das Internet. Und es geht weiter. Das Sampeln der Extrakte, der Konzentrate geht munter weiter. Das Best of der Best of. Was bleibt am Ende zum Beispiel von den Blauen Reitern? Anonyme Alkoholiker, die auf Pferde umsatteln mussten, weil sie den Lappen verloren haben? Porgy und Bess, sucht man die verzweifelt in der englischen Football Premier League? Hamlet, was für ein Häppchen rezitieren wohl die 3 Actors, wenn sie 2 Stunden die besten Passagen aus der Theaterwelt komprimiert zum Besten geben? Wer will schon Bruno Ganz 6 Stunden als Hamlet sehen? Das hält doch keiner mehr aus. Wieviel Mails verpasse ich in 6 Stunden, wieviel SMS und Anrufe und Kommentare? Kein Mensch kann sich mehr 6 Stunden aus dem Rennen der Erreichbarkeit nehmen. Deshalb geht das Zerkleinern, Zerfetzen munter weiter. Mund- und vor allem kopfgerecht. Mehr geht nun mal nicht mehr rein.
(Foto: Peter von Felbert; Motiv: mörderischer Sommer)
Donnerstag, 11. Januar 2007
Warum? Warum eigentlich nicht?
Selbstbestimmung. Selbstbeherrschung. Selbstbefriedigung. Selbsthilfe. Selbstaufgabe. Selbstverliebtheit. Vieles redet von einem selbst. Aber ständig wird man durch anderes und andere davon abgehalten. Dabei sollte man sich selbst doch am nächsten sein. Ein wenig selbstherrlich kann doch nicht schädlich sein. Das ist doch alle male besser, als immer anderem und anderen den Vorzug zu geben. Wenn jeder an sich selbst zuerst denkt, ist an alle gedacht. Sagt ein Sprichtwort. Auch dies ist nicht von mir selbst. Selbstbildnis. Selbstfindung. Selbsteinschätzung & Selbstüberschätzung. So vieles dreht sich offensichtlich um einen selbst, aber man merkt davon nicht viel. Also, warum eigentlich nicht sich selbst in den Mittelpunkt des eigenen Interesses stellen? Sich selbst gerecht werden. Das kann man doch unmöglich schaffen, wenn man allem und allen anderen ständig alles Recht machen muss. Selbstportrait. Ist das ganze Leben nicht wie das Gestalten des eigenen Kunstwerkes? In dem man sich selbst wenigstens annähernd wiedererkennen sollte? Wenigstens man sich selbst. Aber wo kämen das und die alle denn hin, wenn man sich selbst nicht ständig zurücknehmen würde? Nicht weit. Das ist offensichtlich wie auf einer Gallere. Man kommt besser voran, wenn viele andere für einen selbst rudern. Man muss ihnen nur verdeutlichen, dass sie das für sich selbst tun. Rudern für andere als Selbsthilfe. Der lange, sehr lange Weg zu dir selbst. Ich glaube, wer immer für andere rudert, der findet nicht zu sich selbst. Der hat andere sehr komfortabel und bequem an deren Ziele gerudert. Selber Schuld. Hat da jemand selber Schuld gesagt? Ich habe es genau gehört. Und ebenso verstanden.
(Foto: Anne Eikenberg)
Dienstag, 9. Januar 2007
Die bestellten Gefühle
Es gibt ja so einiges, was Menschen so in sich hineinfressen und manchmal schaffen sie es, das alles auch nie rauszulassen. Auf der einen Seite ist das in Ordnung. Denn jeder hat das Recht, mit seinem Inneren so zu verfahren, wie er will. Auf der anderen Seite verbaut man sich aber auch eine Chance. Denn es könnte ja sein, dass man mit diesem Empfinden nicht alleine da steht. Sondern, dass es vielen ähnlich ergeht.
Also, Weihnachten und Silvester, Geburtstage und Feiern aller Art stellen mich immer wieder vor dieselbe Herausforderung, an der ich jedes Mal scheitere. Ein bestelltes Gefühl im richtigen Moment abzurufen. Ich bekomme das einfach nicht hin. Oder nicht mehr. Sondern ich bin so was wie der Miesepeter für bestellte emotionale Momente. Was ziemlich blöd ist. Weil man damit so eine Rolle einnimmt, die man gar nicht einnehmen will. Was die Situation noch zunehmend verschlimmert. Denn alle achten besonders auf einen.
Wie unter einem Fernglas wird die eigene Gefühlswelt von allen anderen beäugt. Die sind natürlich genervt, weil die jeweilige Inszenierung nicht zur vollen Entfaltung kommt. Und ich bin so eine Art JR Ewing für solche Momente. Das Schlimmste daran ist, dass ich aus dieser Falle nicht rauskomme. Sondern dass es immer blöder wird. Mir graut schon vor Trauerfeiern und ähnlichem. Denn auch da muss man seine Gefühle angemessen in Szene setzen können. Und zwar so überzeugend, dass diese ehrlich rüberkommen und nicht aufgesetzt. Was mich vor einige unüberwindbare Probleme stellt. Nun gut, ich werde das wohl ertragen und erdulden müssen und was am Schlimmsten ist, die Menschen um mich herum auch. Aber was soll man machen, wenn man auf Knopfdruck keine Weihnachtsstimmung abrufen kann?
Nichts, die Spülmaschine ein- und ausräumen, Tische decken und abräumen, Getränke liefern, Flaschen öffnen, Gemüse schneiden, Müll herunter bringen und so weiter. Alle mechanisch zu erledigenden Dinge sind ein Geschenk des Himmels für mich. Wenn alle freudetrunken Geschenke auspacken, räume ich das Papier auf. Oder die Spülmaschine ein. Ich hoffe nur, ich bin mit dem Problem nicht allein. Denn das wäre mir schon sehr peinlich.
Montag, 8. Januar 2007
Der Hofnarr
William Shakespeare hat ihm zum Durchbruch verholfen. Eine Figur manifestiert, die sich entlang der Realitäten hangelt. Begleitet von der drohenden Gefahr, dabei selbst Opfer der Realitäten und somit gehängt zu werden. Der Narr spricht aus, was sich niemand traut. Nicht mal zu erkennen. Diese Kultur ist leider ins Hintertreffen geraten. Denn der Narr weilt offensichtlich nicht mehr unter uns. Also nicht ausgerüstet mit dem Wagemut, mit dem Shakespeare ihn ins Leben gerufen hat. Der Narr, der nicht nach dem Mund redet. Der Nägel trifft und zwar auf den Kopf. Der aufzeigt. Der nicht wegsieht. Der beschreibt. Die großen Narren unserer Zeit, wenn sie nicht gehängt wurden, sind fast gänzlich ausgerottet. Ober haben nicht viel gemein mit dem eigentlichen Narren. Sondern sie machen sich zum Selbigen, nur um sich zu bereichern. Leider nicht an Realitäten und um Missstände aufzudecken, sondern nur im Gefallen. Man ist witzig wie nie zuvor. Die Komödiendichte ist geradezu gedrängt. Aber keiner dieser vielen Narren ist darauf ausgerichtet, den Spiegel vorzuhalten. Wir amüsieren uns köstlich. Was im Umkehrschluss uns alle zu Narren macht. Denn dem Narr bei Shakespeare ging es ähnlich. Er hat sich selbst immer köstlich amüsiert. Was man von seinen Zuhörern nicht uneingeschränkt immer behaupten kann. Somit wünsche ich mir wieder mehr Narren, die mir zeigen, was ich nicht sehen will, kann oder darf.
Foto: Peter von Felbert
Donnerstag, 4. Januar 2007
Freundschaft
Erst letztens sagte Jürgen Klinsmann einen sehr sinnigen Satz über Freundschaft, der mir zu denken gab: Freundschaft kann vor allem da entstehen, wo keine gegenseitigen Abhängigkeiten anzutreffen sind. Er hat es etwas anders ausgedrückt, aber ungefähr so gemeint. Ich glaube, er sprach von Nutzen oder so was. Aber der Inhalt ist mir in Gedanken geblieben. Und dann fiel mir auf, was man über die Jahre alles als Freundschaft und/oder Bekanntschaft wahrgenommen hat. Wie oft genau diese Abhängigkeit oder der gewünschte Nutzen im Vordergrund stand. Wie oft man sich genau in diesen Fällen ständig gegenseitig die Freundschaft versichern musste. Wie anstrengend diese Arten von Freundschaften oft waren. Man musste diese regelrecht pflegen und bewusst aufrecht erhalten. Denn man versprach sich davon oder profitierte durch diese von etwas. Klinsmann hat das durchschaut. Deshalb unterscheidet er zwischen möglichen und unmöglichen Freundschaften. Das erscheint mir sehr logisch. Somit werden Zweckgemeinschaften oft fälschlicherweise als Freundschaften bezeichnet. Was zu emotionalen Problemen führt. Denn es wird ständig ein Gefühl eingefordert, das keiner einbringen kann. Weil es unbegründet wäre. Das macht es komplizierter. Ich konnte das zeitlebens durch meine rasanten Richtungs- und Ortswechsel sehr gut beobachten. Denn es überlebten nur die richtigen Freundschaften. Und die sind wie von einem anderen Stern. Aus einem anderen Universum. Ohne Neid, ohne Nutzen, ohne Geld, ohne Drohungen, ohne Verpflichtungen, ohne Abhängigkeiten. Alles nur aus freien Stücken. Es sind wenige. Sehr wenige. Aber das ist sehr gut so. Denn so viel Freundschaft, wie viele denken, hat kein Mensch zu geben geschweige zu verschenken.
(Foto: Peter von Felbert)
Mittwoch, 3. Januar 2007
Ziviler Ungehorsam
Für alle, die es nicht wissen: Seit Januar 2002 ist eine fette Krise über unser Land hinweggerollt. Die wiederum in ihrer destruktiven, zerstörerischen Tragweite von vielen Nebenschauplätzen zusätzlich angeheizt wurde. Der 11. Spetember hätte vielleicht ausgereicht. Aber wir hatten da noch das Theater mit dem EURO. Basel II. Die Wiedervereinigung. Das Zerbersten der New Economy-Blase. Der Absturz der Börse. Das Aufkommen des Share Holder Value. Die Flut der Controller. Das Aufkommen der Selbstbedienungsmentalität im Management. Das müsste es eigentlich gewesen sein. Aber sicher sind mir ein paar katastrophale Nebenschauplätze jetzt entgangen. Oder ich habe diese verdrängt.
Alle, die sich zu diesem Zeitpunkt im Mittelstand aufgehalten haben, wissen, wovon ich rede. Alle anderen müssen jetzt einfach lesen und glauben. Jedenfalls kam es ganz dicke von allen Seiten. Ich persönlich habe diesen Ausnahmezustand noch dadurch gekrönt, in dem ich Vater von Zwillingen wurde und meine Frau deshalb kein geregeltes Einkommen mehr erhielt. Wenn schon, denn schon.
So gibt es bis zum Januar 2002 einen Lebensabschnitt, den ich gerne als Double-Income-No-Kids bezeiche. Und ein Jahr später als Double-Kids-No-Income. Das Dumme an Katastrophen von einem solchen Ausmaß ist, dass man diese in ihrer Tragweite völlig unterschätzt. Nachher ist man schlauer. Und währenddessen sind um einen herum alle viel schlauer. Aber wer mitten drin steht, der denkt nur: Was für eine riesen Scheiße. Und dann fängt man an, sich an das Überleben zu machen. Was den Alltag völlig verändert. Die Post ist nur noch grün, grau und gelb. Und man muss sie regelmäßig quittieren. Das Wort Liquidität erringt einen Stellenwert wie Wasser nach zwei Wochen ohne in der Wüste. Alles ändert sich. Dramatisch, aber man reagiert darauf träge, ungläubig und fassunglos. Was das Ausmaß noch zusätzlich verschlimmert. Aber wer in der Scheiße steckt, für den ist die Tiefe nur noch ein Detail.
In dieser Zeit werden einem von allen Seiten die Kerzen ausgeblasen und die Stecker herausgezogen. Und zwar so lange, bis du aufgibst und zum Amtsgericht trottest und eine Marke ziehst. Mit der du dann endgültig dein Schicksal für die nächsten 6 Jahre besiegelst. Insolvenz. Ständig kamen mir diese erlösten Menschen entgegen, die mir versicherten, wie befreiend es sei, loszulassen. Hör auf zu schwimmen, wenn du sowieso ertrinkst. Aber ich konnte nicht. Habe es nicht fertig gebracht. Ich war zu feige. Ich hänge zu sehr am Leben um das Selbige an den Haken zu hängen, auch wenn es nur symbolisch ist. Nein, das kommt mir nicht in die Tüte. So einfach kann man es sich nicht machen. Jetzt erst recht.
Schön, aber wie? Wenn alle den Hahn zudrehen, einem in den Rücken fallen, die Pistole auf die Brust setzen. Wenn alle nur ihre Forderungen geltend machen wollen. Wenn die Spielregeln sich innerhalb eines Spieles grundsätzlich verändern. Ruhe, dachte ich mir. Immer mit der Ruhe.
Und so bin ich auf Verständnis getroffen an Stellen, von denen ich es nie geglaubt hätte. Und habe auf die Fresse bekommen aus Ecken, von denen ich es ebenfalls nie erwartet hätte. Aber ich möchte an dieser Stelle über die Wichtigen schreiben, die einfach nicht ihren Job gemacht haben, um mir den Rücken freizuhalten. Die alle Grenzen ausgebotet haben, Grenzen überschritten haben, sich selbst in Gefahr brachten, weil sie mir helfen wollten. Es gibt sie da draußen. Und ich sage euch, da, wo jeder glauben würde, von da kannst du keine Unterstützung erwarten. Aber genau von da. Da traf ich auf offene Ohren. Und warf meine ganze Glaubwürdigkeit in die Waagschale. Und siehe da, das Projekt Nussschale im Ozean begann langsam tragfähig zu werden. Weil alle mitspielten. Gerne würde ich Ross und Reiter nennen. Aber ich befürchte, die würden noch heute einen höllischen Ärger bekommen.
Danke. Ich möchte an dieser Stelle "Danke" sagen. Denn ihr sitzt da, von wo alle erwarten, dass da der Spaß aufhört. Da geht nichts. Mit denen kannst du nicht reden. Falsch. Der Ton macht auch oder gerade bei diesen Menschen die Musik. Klarheit. Ansagen. Clear Instructions. Wer hier Vertrauen bricht oder missbraucht, der kann sich mehr als warm anziehen. Hier ist absolute Präzision angesagt. Absprachen und Kommunikation auf höchstem Niveau.
Dass es die note noch gibt und dass es ihr besser geht denn je, ist ein großer Verdienst von Menschen, die in Institutionen sitzen, von denen man das nie erwarten würde.
Deshalb kann ich nur jedem raten, den es mal erwischt. Greift zum Hörer. Redet. Klartext. Gewinnt die für Euch, von denen Ihr am meisten befürchtet. Bei mir hat das fantastisch funktioniert. Natürlich habe ich auch unglaubliche Mitarbeiter und ebenso fantastische Kunden, aber wenn ich ehrlich bin: Deren Engagement und Unterstützung hätte nicht ausgereicht, damit der Schalter nicht umgelegt wird.
(Foto: Peter von Felbert) -
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