Mittwoch, 17. Januar 2007
Fetzen

Alles fliegt in Fetzen. Es bleibt keine Zeit, sich 10 Gänge zu geben. Das muss alles auf einmal gehen. Vor Jahren dachte ich schon, ob man das machen kann, was die damaligen 3 Tenöre taten. Die Filetstückchen aus der Opernbrust reißen und zu einem unterhaltsamen Potpurrie zusammenstellen. Geht das? Natürlich geht das, aber macht man das? Hat denn niemand mehr Zeit, sich gesamte Werke zu verinnerlichen? Liest man irgendwann keine Bücher mehr, sondern nur noch die Zusammenfassungen? Das Zerfetzen in kleine Häppchen, die gerade mal so in überfüllte Tage passen, erstreckt sich über alle Disziplinen der Kultur. Das Große und Ganze kennt kaum noch jemand. Interessiert auch niemanden mehr so richtig. Es reicht, das Wesentliche zu kennen. Sogar beim Essen ist es längst so weit. Das Wichtigste löst man sich morgens in Wasser auf. Und alles andere wird hastig in munderechten Häppchen gereicht. Fingerfood nennt man das. Der Fernsehzapper schaut schon lange keine Filme mehr. Sondern kreiert aus allen Programmen sein eigenes Programm. Die Kolumnen in den Zeitungen werden meist zuerst gelesen. Kurz, knapp und unterhaltsam oder nachdenklich. Das reicht. Die Krönung der Kulturfetzen-Entwicklung ist - wie soll es auch anders sein - das Internet. Und es geht weiter. Das Sampeln der Extrakte, der Konzentrate geht munter weiter. Das Best of der Best of. Was bleibt am Ende zum Beispiel von den Blauen Reitern? Anonyme Alkoholiker, die auf Pferde umsatteln mussten, weil sie den Lappen verloren haben? Porgy und Bess, sucht man die verzweifelt in der englischen Football Premier League? Hamlet, was für ein Häppchen rezitieren wohl die 3 Actors, wenn sie 2 Stunden die besten Passagen aus der Theaterwelt komprimiert zum Besten geben? Wer will schon Bruno Ganz 6 Stunden als Hamlet sehen? Das hält doch keiner mehr aus. Wieviel Mails verpasse ich in 6 Stunden, wieviel SMS und Anrufe und Kommentare? Kein Mensch kann sich mehr 6 Stunden aus dem Rennen der Erreichbarkeit nehmen. Deshalb geht das Zerkleinern, Zerfetzen munter weiter. Mund- und vor allem kopfgerecht. Mehr geht nun mal nicht mehr rein.
(Foto: Peter von Felbert; Motiv: mörderischer Sommer)
gerne würde ich viel öfter einen fetzen davon lesen, aber das dauert immer!
wahrscheinlich ist der fehler, nur alle paar tage reinzuschaun und dann will ich alles sofort nachlesen...
anyway, jeder blick ist eine bereicherung! und oft auch ein genuss!
sehr geehrte Frau Kengyl,
Wir können einfach nicht anders. Aber nicht alle Beiträge sind lang. Es gibt sehr, sehr kurze, kurze, längere und unendlich lange. Aber für Menschen mit begrenzter Zeit gibt es ja das Buch - Das note blog book. Da kann man alles in Ruhe nachlesen was man leider verpaßt hat. Tun Sie sich bitte keinen Stress an, sie sollen unseren Blog genießen. Wir arbeiten gerade an der Taschenbuchausgabe des note blog books (Wird erheblich günstiger und kann man einfacher mitnehmen) und bis zum Sommer wird das Hörbuch kommen (Für lange ätzende Autofahrten). Vielleicht sogar eine Art note blog Magazin das einmal im Quartal kommt. Man wird sehen. Also, wir können Ihnen helfen. Immer mit der Ruhe.
(Soviel Zeit muss sein)
Und Grüsse an Herrn Von Felbert
(heute schon)