Dienstag, 9. Januar 2007
Die bestellten Gefühle
Es gibt ja so einiges, was Menschen so in sich hineinfressen und manchmal schaffen sie es, das alles auch nie rauszulassen. Auf der einen Seite ist das in Ordnung. Denn jeder hat das Recht, mit seinem Inneren so zu verfahren, wie er will. Auf der anderen Seite verbaut man sich aber auch eine Chance. Denn es könnte ja sein, dass man mit diesem Empfinden nicht alleine da steht. Sondern, dass es vielen ähnlich ergeht.
Also, Weihnachten und Silvester, Geburtstage und Feiern aller Art stellen mich immer wieder vor dieselbe Herausforderung, an der ich jedes Mal scheitere. Ein bestelltes Gefühl im richtigen Moment abzurufen. Ich bekomme das einfach nicht hin. Oder nicht mehr. Sondern ich bin so was wie der Miesepeter für bestellte emotionale Momente. Was ziemlich blöd ist. Weil man damit so eine Rolle einnimmt, die man gar nicht einnehmen will. Was die Situation noch zunehmend verschlimmert. Denn alle achten besonders auf einen.
Wie unter einem Fernglas wird die eigene Gefühlswelt von allen anderen beäugt. Die sind natürlich genervt, weil die jeweilige Inszenierung nicht zur vollen Entfaltung kommt. Und ich bin so eine Art JR Ewing für solche Momente. Das Schlimmste daran ist, dass ich aus dieser Falle nicht rauskomme. Sondern dass es immer blöder wird. Mir graut schon vor Trauerfeiern und ähnlichem. Denn auch da muss man seine Gefühle angemessen in Szene setzen können. Und zwar so überzeugend, dass diese ehrlich rüberkommen und nicht aufgesetzt. Was mich vor einige unüberwindbare Probleme stellt. Nun gut, ich werde das wohl ertragen und erdulden müssen und was am Schlimmsten ist, die Menschen um mich herum auch. Aber was soll man machen, wenn man auf Knopfdruck keine Weihnachtsstimmung abrufen kann?
Nichts, die Spülmaschine ein- und ausräumen, Tische decken und abräumen, Getränke liefern, Flaschen öffnen, Gemüse schneiden, Müll herunter bringen und so weiter. Alle mechanisch zu erledigenden Dinge sind ein Geschenk des Himmels für mich. Wenn alle freudetrunken Geschenke auspacken, räume ich das Papier auf. Oder die Spülmaschine ein. Ich hoffe nur, ich bin mit dem Problem nicht allein. Denn das wäre mir schon sehr peinlich.
Und ich dachte schon, nur ich habe diese Krankheit.
Interessant wäre jetzt zu erforschen, woher das Fehlen "seine Gefühle angemessen in Szene zu setzen" (sehr geschmeidig formuliert) kommt.
Wir sollten uns in so eine Röhre legen und einen fMRT-Scan machen lassen (ist ja gerade eh Mode bei Marketer und Werber).
;o)
Oli
Wissenschaftler würden unsere Gehirne scannen, um besser verstehen zu können ...
aber nicht, für die Erkenntnis: Was uns fehlt und wie man uns das Fehlende zurück geben kann.
Nein - das Gegenteil - Sie würden ergründen wollen, wie man den Sgnisk-Zustand absichtlich erreichen und steuern kann.
Um diese Analysen zu fahren benötigen die Wissenschaftler auch noch Probanden von der anderen Seite zum Vergleich.
Wer könnte wohl am besten neben uns in der Röhre liegen?
Paris Hilton, Mutter Beimer, Lady Di (ach nein das geht nicht mehr) ...
< Egal >
Ich sehe schon unser Jahresfest des Sgnisk-Club vor uns.
Wir treffen uns in Schottland, in einem ehrwürdigem Schloss in der Bibliothek. Schön gediegenes Ambiente in dunkelbraun. Duftnote: Holz, Leder, mit en masse verwesendem Papier in Bücherform.
In dem turnhallengroßen Saal befinden sich 17 englische Ohrensessel mit einem Beistelltisch. Allesamt so verteilt, dass der maximale Abstand zueinander entsteht.
Alle so gestellt, dass sie nicht einsehbar sind. Wir werden bedient von einem 71-jährigen Butler der den Hochadel betreut. Still, zuvorkommend und unsichtbar.
Die einzigen Geräusche die hörbar sind:
[i] die hallenden Fusschritte des Butlers
[i] das Knarzen des Dielenbodens
[i] das Knistern des offenen Kamins
[i] das zufriedene Seufzen beim geniessen von Getränk und Hirnfutter
< schwelg > ;o)
Oli
Wobei ich Weichnachten ausschließe, da ich bei meiner Familie nichts in Szene setzen muss. Außer meine Mutter schlägt mich im Kniffeln. Da muss ich mich dann doch sehr beherrschen.....