Dienstag, 30. Januar 2007
Erfahrungssachen
Es bleibt nicht viel übrig an Substanz, wenn man mal alles außen herum abblättert. In meinen Erinnerungen in Sachen Werbung zum Beispiel fallen mir nach 20 Jahren spontan vielleicht 5 bis 10 Dinge ein. Nach mehr muss ich schon suchen. Nach noch mehr geradezu wühlen. Da sind Momente für immer festgehalten. Aber mehr wie in einem Fotoalbum. Wie es sich angefühlt hat, oder gerochen, oder was auch immer entzieht sich meiner Erinnerung. Ich finde das nicht viel. Noch mehr. Es erschreckt mich. Dass the best of my ad-life keine Top 50 füllt. Nicht mal eine Top 20. Sondern mit Mühe und Not komme ich auf 10. Vergänglichkeit. Das muss es sein. Also versuche ich, mich auf meine Liebeleien, Liebschaften, Beziehungen von kürzerer und längerer Dauer zu konzentrieren. Das hat mir damals immer sehr viel bedeutet. Deshalb muss ich hier doch wesentlich mehr Erinnerungen haben. Und?! Wenig. Wie hieß die noch mal? Wie sah die eigentlich aus? Auch hier bleibt wenig. Sehr wenig. Das überrascht mich noch mehr. Denn meine Sexualität währt jetzt schon über 25 Jahre. Aber auch hier nur Bruchstücke. Als ob man sich die Urlaubsbilder eines anderen ansieht. Und so geht es weiter. Ich forsche einzelnen Themen nach. Fußball. Wein. Reisen. Wieviele unvergessliche Momente fallen mir einfach nicht mehr ein? Oder sehen heute ganz anders aus? Es ist erschreckend, was die Erinnerung aus der Vergangenheit macht. Das macht mich stutzig. Denn alle berufen sich auf die Zeit. Auf die vielen Erfahrungen. Wenn ich ehrlich bin, mache ich das auch. Aber was ist noch da? Was ist wirklich noch gegenwärtig? Das Leben im Jetzt und mit einem konzentrierten Blick auf das Morgen verschlingt die Vergangenheit. Ich weiß, wie das neue iPhone aussieht. Aber nicht, wie meine Handys vor dem ausgesehen haben, das ich jetzt habe. Wie sah mein erstes Skateboard aus? Mein Fahrrad? Was habe ich getan die ganze Zeit? Ich dachte, die Summe meiner schönsten Erinnerungen würde sich über Tage erstrecken. Diese Momente waren auch da. Viele, wie ich glaube. Aber sie sind jetzt nicht mehr so relevant, dass ich sie abrufen kann wie ein kühles Bier aus dem Kühlschrank. Somit stellt sich die Frage an die Erfahrung: Ist das nur ein Vorwand? Ist das nur eine unüberlegte Behauptung? Oder leide ich einfach nur unter Alzheimer? Worauf berufen sich da so viele? Mir fällt so vieles nicht mehr ein. Auf welche Erfahrungen berufen sich da alle, wenn täglich so vieles neu und bei Null beginnt?
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Schweizer Wanduhren)
So ist unser Gehirn nicht konstruiert worden, dass kostet viel zu viel Energie.
Jeder von uns speichert sehr viel Erfahrung in sich, aber eben nicht im Bewusstsein.
Erfahrungen leben im Unterbewusstsein und das ist gut so!
Jedes Planen und Handeln wird zu einem sehr großen Teil aus dem Unterbewusstsein gesteuert – aus Erfahrung.
Liebe Grüße
Oli Palko
Auseinandersetzungen, die gravierend waren, oder Momente, die ein sogenanntes "erstes Mal" bezeichnen. Der erste Umzug in eine grössere Stadt zB oder wasauchimmer.
Und wenn man früher oder später zurückblickt, dann stellt man fest, dass es nicht nur lapidares ist, woran man sich nicht mehr erinnern kann. Also genau genommen ist es ja nicht ganz weg, denn man weiss ja, dass da was war. Aber man erinnert sich nicht an Handlungsweisen, den Verlauf des Ereignisses.
Ich kenn das jedenfalls auch und bin manchmal auch "verwundert" darüber... und ich bin erst 32. Ich frag mich wie das erst in 20, 30 Jahren ist? Vielleicht bookmarke ich mir diesen Eintrag und schaue nochmal nach, in 20 Jahren
Du willst Dich in einem bestimmten Moment an ein zurückliegendes Erlebnis bewusst erinnern (=Knopfdruck).
Die Erinnerung ist da, Du kannst Sie nur nicht abrufen.
Und das hat einen Sinn, den schon länger alle möglichen „Logen“,
vor allem die „Neuros“ zu enträtseln versuchen.
Das Alter spielt, meiner Meinung nach nicht wirklich eine Rolle dabei!
Mit 18 wusstest Du auch nicht mehr wie es war, als Du Dein erstes Eis geschleckt hast?
Hmmm,
da fällt mir gerade ein ganz neuer Aspekt ein.
Wir wissen ja, dass ab und zu Erinnerungen aufblitzen, Du hast ja auch die Gedächtniskrücke, äh, …brücke erwähnt.
Wer sagt uns eigentlich, dass diese Erinnerung wahr ist? Vielleicht haben wir Sie unbemerkt modifiziert, etwas dazu-erlebt!
Wenn Phantasie eines unserer wichtigsten Triebmittel ist, dann ist es sogar wahrscheinlich, dass wir unsere Erinnerungen modellieren.
Oli Palko – der auch erst 35 ist und sich nicht sicher ist, ob er den ersten Kuss
beim Flaschendrehen-Spiel auf einer Geburtstagsparty erhielt oder hinter dem Haus neben der Schule mit seiner ersten „Freundin“, die (und das weiß ich noch … oder glaub ich zu wissen)
einen Kopf größer war als ich!
Ps
Christof, wäre das nicht ein schönes Thema für das erste Jahrestreffen des Sgnisk-Club.
grins