Freitag, 30. März 2007
Die Geister, die wir riefen
Wie schön muss es rückblickend gewesen sein, als das Fernsehen noch nur 3 Kanäle hatte. An oder Aus war da nur die Frage. Wie schön war das Fernsehen ohne Fernbedienung, als es nur ein Frage gab: Wer schaltet um? Wie schön muss es gewesen sein, als man nur eine Nummer im Kopf hatte, die des einzigen Telefonanschlusses. Als man Bargeld bekam und alles mit Bargeld beglich. Wie schön muss es gewesen sein, als der Weg ins Kino noch ein Höhepunkt war? Wie schön muss es gewesen sein, als man bei der Bank seinen langjährigen Kundenberater hatte? Wie schön muss es gewesen sein, als man mit dem Auto noch fahren konnte? Wie schön muss es gewesen sein, als man im Ausland noch Ausländer war? Wie schön muss es gewesen sein, als man sich spontan noch getroffen hat? Wie schön muss es gewesen sein, als Freundschaft noch das Wichtigste war? Wie schön muss gewesen sein, als die Familie noch so nah bei einander war? Wie schön muss es gewesen sein, als eine Hose noch eine Hose war und kein Träger für ein Markenschild? Wie schön muss es gewesen sein, als sich sonntags die ganze Familie getroffen hat? Wie schön muss es gewesen sein, als man Samstag noch die Sportschau schauen konnte? Wie schön muss es gewesen sein, als man noch nicht wusste, was alles in Nahrungsmitteln auf einen lauert? Wie schön muss es gewesen sein, als man einfach Liebe machen konnte, ohne dabei an AIDS denken zu müssen? Wie schön muss es gewesen sein, als Sportereignisse noch sportlich geführt wurden? Wie schön muss es gewesen sein, als man noch zusammen gekocht hat? Wie schön muss es gewesen sein, als man Essen durfte, was man wollte? Wie schön muss es gewesen sein, als es vieles nur zu bestimmten Jahreszeiten gab, sonst nicht? Wie schön muss es gewesen sein, als es die meiste Zeit ruhig um einer herum war? Wie schön muss es gewesen sein, als man noch den Namen der Frau im Tante-Emma-Laden kannte? Wie schön muss es gewesen sein, als man sich ständig über den Weg gelaufen ist? Wie schön muss es gewesen sein, als man sich noch Geschichten erzählt hat? Wie schön muss es gewesen sein als man noch Zeit am ende des Tages für sich übrig hatte? Wie schön muss es gewesen sein, als man noch Radio hören konnte? Als man von Hörspielen gefesselt war? Wie schön muss es gewesen sein, als es noch Parkplätze gab? Wie schön muss es gewesen sein, als die Innenstädte nicht zugekleistert waren mit den ganzen dumpfen Werbebotschaften? Wie schön muss es gewesen sein, als die Menschen mit viel weniger viel glücklicher schienen? Warum haben wir das Gute nicht einfach mitgenommen? Es war doch schön - oder?
Mittwoch, 28. März 2007
Kellnerblick
Die wahre Kunst des (guten) Kellners besteht darin, darüber hinweg, durch und vorbeischauen zu können. Wer kennt das nicht: Man sitzt im Restaurant, die Suppe kommt, aber das Brot fehlt. Somit wird nun die Zeit knapp. Denn noch ist die Suppe heiß. Wenn man jetzt zu lange auf das Brot wartet, ist die Suppe kalt. Was man nicht will. So hält man Ausschau nach dem Kellner. Der seitdem wie vom Erdboden verschluckt ist. Hat die Polizei etwa eine Fremdarbeiter-Razzia gemacht? Oder hat er einen dringenden Anruf von seiner Frau bekommen, das 7. Kind kommt? Meine Bemühungen, den Kellner ausfindig zu machen, haben etwas von einem Wackeldackel auf der Hutablage eines Opel Commodore. Da war er. Kurz. Ganz kurz huschte er durch das Lokal. Da wieder. Da, das ist er. Das war er.
Jetzt fange ich an, meinen Arm wie ein 7.-Klässler in den Himmel zu recken. Also ob ich im Deutschunterricht endlich mal was wüsste. Aber er schafft es, an mir und meinem Begehren spurlos vorüber zu gehen. Er sieht mich nicht. Bin ich überhaupt da? Er kommt direkt auf meinen Tisch zu, aber alles Winken, Rufen, Anblicken erreicht ihn nicht. Er schaut durch mich durch und an mir vorbei. Es gelingt mir nicht, seinen Blick zu erhaschen. Ich werde lauter. Zu laut.
Er verharrt mitten im Restaurant – und wie ein Werwolf, ein Alien, das ein neues Opfer gewittert hat, dreht er sich um. Langsam. Ganz langsam. Er schaut mich angewidert an. Ich versuche ein nettes Handzeichen zu machen, dass so aussieht wie ein Brotkörbchen. Dazu wiederholen meine Lippen lautlos: Brot, Brot .... Brot. Er nickt und verschwindet wieder im Nichts. Einige Zeit später kommt das Brotkörbchen. Die Suppe habe ich längst lauwarm gegessen. Zudem ist das Brot entweder steinhart oder schwammig.
Diese Situation kenne ich in vielen Varianten. Einige Zeit dachte ich, ich wäre einfach so unscheinbar, dass mein Begehren untergeht. Aber wer mich kennt, und ich kenne mich auch, weiß, das kann man mal kategorisch ausschließen. Dann bin ich zu der Theorie übergegangen, das machen die mit Absicht. Die ziehen ihr Ding durch. Sonst bricht das Chaos aus. Aber ich habe mich im Lauf der Zeit daran gewöhnt, mich unmissverständlich durchzusetzen. Meine Frau leidet darunter. Aber ich habe zur heißen Suppe jetzt mein Brot. Und der Kellner hat schnell raus, dass er mir besser tief in die Augen schaut. Sonst ...
foto: peter von felbert
Montag, 26. März 2007
Grenzgänger
Gedanklich muss man bereit sein, ständig Grenzen zu überschreiten und zu überwinden. In der Fantasie ist alles erlaubt, was zu neuen Erkenntnissen führt. Zu neuen Gedanken und Ideen. Im wirklichen Leben ist das nicht so angesagt. Denn da kann über Grenzen gehen bedeuten, dass man nicht ganz unbeschadet wieder zurückkommt. Wenn man überhaupt wieder zurückkommt. Aber die Gedanken sind alle frei. Niemand schaut einem in seine eigenen Gedanken. Niemand wird für Gedanken verhaftet oder steht schlecht da.
Man darf alles denken, nur bei weitem nicht alles machen. Das muss einem völlig klar sein. Oder zumindest im laufe der Zeit klar werden. Dieser feine und kleine Unterschied ist wesentlich. Der Unterschied zwischen Denken und Handeln. Wesentlich für den kreativen Prozess ist zumeist das Nachdenken, Ausdenken, Überdenken. Die Fantasie wie ein Instrument spielen zu können, aber auch wieder zurück in die normale Welt zu gelangen. Die Fantasie einfach aussschalten und die Realität wieder einschalten können.
Gedanklich ist der Kreative ein ständiger Grenzgänger. Muss er auch. Man weiß nie, wo er gerade ist. Diese Ausflüge in Gedanken bringen einen zu Ergebnissen, Erlebnissen und Zielen. Bevor man sie in der Realität wirklich erlebt hat. Der Verlauf der Grenzen ist fließend. Bei vielen verschiebt sich deshalb der Blick für die Realität über kurz oder lang. Die Welt der Fantasie ist eben reizvoller. Viele Kreative werden deshalb auch irgendwann zynisch. Weil in ihrer Fantasie alles perfekter und besser ist – und die Realität ist alles andere als das. Der Vergleich hinkt zwar, aber den Unterschied können viele irgendwann nicht mehr erkennen. Wer zynisch wird, weiß leider nicht, dass es vorbei geht. Oder schon ist. Es ist das erste Anzeichen, dass man den Unterschied zwischen den beiden Welten nicht mehr klar sieht.
foto: anne eickenberg
Dienstag, 13. März 2007
Meine Nerven
Ob meine Nerven gut oder schlecht sind, weiß ich nicht. Dafür gibt es keinen objektiven Vergleich, oder einen Maßstab, an dem ich sie messen könnte. Aber ich weiß, dass es eine Reihe von Dingen gibt, die gehen mir unglaublich auf die Nerven. Und zwar so sehr, dass sie mich viel mehr Energie kosten, als sie es eigentlich bräuchten.
Das ist so wie mit dem Rasenmähen. Die einen lieben es. Somit erreicht Rasenmähen auf einer Skala den Wert 0. Andere hassen rasenmähen, somit erreicht der Wert auf der Stress-Richterskala den Wert 10. Anschlag. Darum kann ich mich nicht um die Nerven anderer kümmern, denn meine brauchen alle Aufmerksamkeit. Auf einer Skale der 10 Dinge, die mich völlig Nerven, ist der absolute Favorit: Bürokratie. Nur das Sehen eines Formulars reicht aus, um mir komplett den Saft abzustellen. Der Gedanke, ein Amt besuchen zu müssen, nur der Gedanke daran, treibt mir den kalten Schweiß auf die Stirn. Mit Bürokratie umgehen zu müssen, in jeglicher Form, ist der Stresstreiber Nummer eins.
Der Stresstreiber Nummer 2 ist das Aufführen der persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Das wollen Banken alle Nase lang. Stresstreiber Nummer 3 ist das unbedingt nötige Beschäftigen mit Betriebsanleitungen von Produkten, bei denen ich mir nicht mal sicher bin, ob ich diese haben will. Stresstreiber Nummer 4 sind zweifelsohne die große Menge von Hotlines. Die einzige Hitze, die diese auslösen, ist die Zorneshitze, die in mir aufsteigt. Dicht gefolgt von Stresstreiber Nummer 5: Wo ist das denn? Das stängige Verlegen von oftmals wichtigen Gegenständen und Dokumenten. Obwohl ich immer die Schuld bei anderen suche und nie finde, regt mich das ständige Suchen unglaublich auf. Stresstreiber Nummer 6, der berühmte Kellnerblick. Wenn Menschen, die für mich da sind, alles unternehmen, um mich zu übersehen und nichts auslassen, um mir das auch klar und deutlich zu zeigen. Stresstreiber Nummer 7: Ungerechtigkeit jeder Art. Ich kann es nicht errtragen, wenn Ungerechtigkeit offensichtlich ausgeübt wird und alle so tun, als ob es keiner bemerkt. Stresstreiber Nummer 8: die Nichtschwimmer und Torwarte. Das sind die Menschen, auf die ich in meinem Leben treffe, die so ganz anders sind als ich und die mich mit ihrer ignoranten, oberflächlichen, ungebildeten und vor allem falschen Art zur Weißglut treiben. Stresstreiber Nummer 9 sind schlechte Menschen. Menschen, die schlecht mit etwas umgehen. Egal, aus welchen Beweggründen auch immer. Nichts hat es verdient, dass man schlecht damit umgeht, wenn man es mit demselben Aufwand auch gut machen könnte. Stresstreiber Nummer 10 ist meine Ungeduld. Die bodenlos und grundlos ist.
So, jetzt geht es mir schon besser.
Obwohl da wären noch: Umzüge, renovieren, Leasingautos zurück geben, Wohnungsübergaben, Briefe in gelben, grauen und grünen Umschlägen, die Telekom, die...
Donnerstag, 8. März 2007
Das Gute entdecken statt das Schlechte suchen
Schnell kommt bei Menschen heraus, wie die Spule gewickelt ist: in Richtung entdecken oder in Richtung suchen. Man kann es unmöglich übersehen oder nicht bemerken. Die meisten Menschen, die ich kenne, glauben fest daran, dass man Mensch auf Dauer überreden kann. Dafür investieren sie viel Zeit. Denn die Mutigen müssen den Ängstlichen zu einem guten Stück die Angst nehmen. Müssen?! Nein. Denn wer lange Angst gegen Mut eintauschen muss, um halbe Ziele zu erreichen, der wird selbst mutloser und lustloser und, wenn es ganz schlecht läuft, auch noch ängstlicher.
Es gibt keinen höheren Auftrag, in dem steht, ihr Mutigen, lasst euch von den Ängstlichen zermürben. Der Ängstliche hat nämlich auch seine Aufgaben. Wenn er sich an die halten würde, dann käme es nie zu diesem Konflikt. Ein Beispiel, in dem wir in die Steinzeit zurückgehen: 5 Männer machen sich auf zur Jagd. Die Frau ist jedes mal voller Angst, dass ihrem Jäger was zustoßen wird. Diesmal macht der Jäger eine Ausnahme, ein anderer Jäger bleibt in der Höhle und soll auf das Feuer aufpassen. Und die Frau nimmt er mit. Was passiert?! Sie kommen von der Jagd zurück mit einem Körbchen voller Waldbeeren. Alles andere wäre zu gefährlich gewesen. Und das Feuer ist leider ausgegangen, nachdem es um sich gegriffen und alles verbrannt hat.
Seht ihr: Die einen sollen jagen und die anderen etwas anderes Sinnvolles tun. Aber bei aller Gleichberechtigung hat man die emotionalen Unterschiede völlig außer acht gelassen. Denn es gibt unter den Frauen auch gute Jäger und unter den Männern auch gute Bewahrer. Deshalb ist es fatal, dass man Männern grundsätzlich Jagdinstinkte zuordnet, die gleichzeitig mit Mut verbunden sind. Tatkraft. Entscheidungssicherheit. Völlig falsch. Das Gute entdecken ist keine Frage von Geschlecht und Position, von Menschen, die das so können und wollen und nicht müssen. Das Schlechte suchen hat auch seine wichtigen Qualitäten, denn es beschützt uns vor großem Übel, aber nicht bei der Jagd nach Ideen. Ideen, von denen wir letztendlich leben.
Unsicherheit
Sie tritt vor allem in zwei Fällen durch Außeneinwirkung ein. Zum einen durch überzogene Kritik an der eigenen Person und durch überhöhtes Lob an derselben Person, an einem selbst. Dann gibt es noch die zweite Variante von Verunsicherung, die aus einem selbst. Die teilt sich ebenfalls auf in die Unsicherheit vor der Entscheidnung und in die Unsicherheit vor der Verantwortung. Weitere Unsicherheiten sind die vor dem Neuen, Andersartigen und dem Fremden. Unsicherheit hat immer zur Folge, dass alles, was daraus abgeleitet wird, einen fahlen Beigeschmack hat. Was dazu führt, dass man für einen Moment oder auch für längere bis lebenslängliche Zeiträume aus dem Gleichgewicht gerät.
Sicherheit gewinnen ist deshalb sehr lohnend. Sicherheit aber als Gewissheit, als Akzeptanz. Faktoren wie Druck, Zeit, Stress, Geld und vieles andere beeinflussen dieses schlechte Gefühl. Und zwar so sehr, dass unsicher getroffene Entscheidungen immer genau zu der Seite kippen, die man gefühlsmäßig gerade verhindern wollte. Menschen, die sich preislich unsicher sind, zahlen meist wirklich zu viel. Menschen, die unsicher sind, ob das Auto das richtige ist, haben auch schnell Probleme damit. Somit reicht die Unsicherheit weiter als viele glauben.
Mit der Unsicherheit entsteht eine negative Vorprogrammierung. Die sich bei kleinsten Anlässen bestätigt. Was bei einer sicher getroffenen Entscheidung nicht so ist. Der identische Verlauf einer Nutzung oder Beziehung zu irgendetwas wird völlig unterschiedlich gedeutet und interpretiert. Somit ist die Unsicherheit ein Art emotionale Lawine. Diese darf nicht ausgelöst werden. Und muss, wenn sie auftritt, aktiv angegangen werden. Der erste Schritt und der beste ist, seine Unsicherheit offen zu formulieren und sich deshalb den Raum für eine Meinung, eine Entscheidung einzuräumen. Unsicherheit ist sehr menschlich und bis zu einem gewissen Grad auch verständlich und absolut zu tolerieren. Aber in unserer Gesellschaft geht die Unsicherheit über alles hinweg wie eine Lawine. Das ist nicht gut. Was man mit Blick auf die Ergebnisse an allen Ecken und Enden sieht.
Grundsätzlich. Der Sichere ist sich nicht wirklich sicherer in seiner Meinung, oder Entscheidung. Sonder Gefühl das ihn begleitet ist positiver, somit fließt eine völlig andere Energie in den Verlauf. Das ist so als aob man den ganzen Winter und den ganzen Frühling sich einen super sommer freut. Oder die gleiche Zeit einen schlechten befürchtete. Unabhängig davon wie der Sommer wird, der eine hat einfach mehr positive Gedanken und Gefühle. Und das ist viel Wert. Deshalb ist unkontrollierte Unsicherheit kein guter Begleiter auf dem Lebensweg.
Mittwoch, 7. März 2007
Unglaubliches in Sachen Glaubensfragen
Der Glaube ersetzt das Wissen um etwas, da eine Allwissenheit ausgeschlossen ist und jedes Individuum im Verhältnis zu dieser Allwissenheit im Prozentbereich unter 1 bleibt. Sicherlich erst nach einer Null vor dem Komma und vielen Nullen nach dem Komma. Deshalb hat die Natur uns den Glauben mitgegeben, der ausreicht, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Somit treffen wir den absoluten Großteil unserer Entscheidungen nicht mit der Unterstützung des Wissens um eine Sache, sondern emotional mit Unterstützung des Glaubens. Somit ist diese geistige Fähigkeit neben der Intuition, der Hoffnung, der Liebe, dem Glück, der Sicherheit und der Angst eines der wesentlichen charakterlichen Merkmale des Menschen.
Doch typisch Mensch setzt er alle seine Waffen nicht nur für, sondern zugleich auch gegen sich ein. Denn der Glaube beruht immer auf einer eher dogmatischen Ansicht. Was man nicht wissen kann, muss man mit aller Kraft glauben. Er ist deshalb nie klar zu begründen und zu beweisen. Soll er ja auch nicht. Es reicht zu glauben. Nur genau hier liegt die Gefahr im Glauben. Was, wenn sich jemand diesen Glauben zueigen macht und ihn als Instrument einsetzt?
Wie die Lottogesellschaften sich dem emotionalen Verlangen nach Lebensglück bedienen. Oder Versicherungen sich dem Schutz vor der Angst widmen. Die wohl größten Branchen beruhen eigentlich immer auf denselben Prinzipen, nämlich denen, die man nicht so einfach begründen kann. Das Auto steht für Unabhängigkeit. Die Zigarette für Freiheit. Der Glaube für Schutz. Und da der Mensch in seinem endlosen Verlangen nach Macht und Reichtum alles bereit ist zu tun, hat man auch den Glauben benutzt.
Schade, denn die reinste Form von Glauben ist wunderbar. Der Glaube, dass Kinder gesund bleiben. Der Glaube, dass eine Liebe für ewig hält. Der Glaube, dass eine Idee funktioniert. Der Glaube, Ziele erreichen zu können. Der Glaube, andere für seine Ideale gewinnen zu können. Der Glaube, dass die Gemeinschaft einen nicht im Stich lässt. Der Glaube, dass andere so gut sind, wie man selbst zu anderen ist. Der Glaube, dass es gut gehen wird.
Der Glaube ist ein tolles Instrument unserer geistigen Fähigkeiten, aber zugleich auch ein sehr gefährliches. Eines der Gefährlichsten. Denn wer den Glauben nur benutzt, um andere in der Unwissenheit zu bewahren, um sich daraus einen Vorteil zu verschaffen, der schadet der eigentlichen Idee vom Glauben. Ich empfinde es noch heute als die größte Herausforderung, Menschen nicht zu enttäuschen, die an mich glauben. Es bricht mir geradezu das Herz, es bereitet mir körperlichen Schmerz, wenn Menschen mir glauben und ich diese enttäusche. Mir ist auch das in meinem Leben passiert. Nicht nur einmal. Es war immer wieder furchtbar. Denn mit jedem Mal begegnet man auch der Gefahr, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Was dazu führt, dass man bereit ist, weiter und weiter zu gehen in eine falschen Richtung und den Glauben somit völlig zu missbrauchen.
Ich bin mir sicher, dass mir dies nicht widerfahren ist. Glaube ich. Immer habe ich den Weg zurück gesucht und gefunden. Wenige Menschen haben den mir so wichtigen Glauben an mich verloren. Eigentlich nur die, die letztendlich falsche Interessen vorgespielt haben. Und damit kann ich gut leben. Ich glaube nicht an Gott. Aber ich glaube an den Glauben. In jeder Form. Somit fühle ich mich in allen Religionen in der Glaubensfrage zu Hause, aber nie in dem, was daraus instrumentalisiert gemacht wurde. Manchmal denke ich, dass mein Glauben stärker ist, als der von vielen überzeugten Kirchgängern. Denn ich höre nicht auf, an das Gute zu glauben. Weil ich davon überzeugt bin, dass das, was wir glauben, auch Wirklichkeit wird.
Somit empfinde ich sogar eine Art von Verantwortung dafür, meinen Glauben an das Gute in alles mit einzubringen, was ich im Laufe meines Leben so mache. Es fällt mir auch nicht schwer. Denn es entpringt einer inneren Überzeugung. Auch ich habe schon gebetet, weil mein Glaube an etwas vor einer großen Herausforderung stand. So etwas wie eine große Glaubensprüfung. Somit habe ich das Wort an den Glauben gerichtet. Allein die Energie und das Gefühl, was mich in diesen auswegslosen Situationen beschlichen hat, hat meinen Glauben gerechtfertig. Wäre es schief gegangen, könnte ich meinen Zweifel am Glauben auch niemanden mehr mitteilen. Es ist bis jetzt aber alles gut gegangen. Genau darum hege ich keinen Zweifel. In Sachen Glauben bin ich gerne leichtgläubig. Glaube ich jedenfalls.
Schweres Thema. Vielleicht zu schwer für einen Blog wie diesen. Aber jetzt ist es geschreiben.
Freitag, 2. März 2007
Lust
Es wäre zu schön, um wahr zu sein. So einfach kann man es sich nicht machen. Leben nach dem Lustprinzip. Sich ständig nur diese zwei Fragen beantworten: Was will man? Und: Was will man nicht? Wie oft überkommt einen die Lust? Die pure Lust. Und man kann diese nicht in entsprechende Bahnen leiten. Sondern diese muss sich mal wieder in Wohlgefallen auflösen. Wenn man fähig wäre, der Lust ebenso zu folgen wie seinen Ängsten, das wäre wunderbar.
Aber der Lust fehlt es oft an Durchschlagkraft. Was man von der Befürchtung leider nicht sagen kann. Die Lust klopft meist nur vorsichtig und leise an. Antwortet aus der Gefühlswelt niemand, dann dreht sie einfach wieder ab. Sie versucht es einfach später noch einmal. Und wieder später und wieder und wieder. Bis sogar der Lust die Lust vergeht.
Die Lust soll man zügeln heißt es. Dabei wäre ein Leben nach dem Lustprinzip sicher kein schlechteres. Denn man würde sich von vielen Ergebnissen unabhängig machen, weil die Lust einem wesentlicher erscheint. Die Lust am Spiel. Man stelle sich nur mal vor, im Fußball würde die reine Lust regieren. Oder in der Arbeitswelt. Produkte würde nur aus reiner Lust entwickelt. Man würde sich nur mit Menschen umgeben, die gegenseitig die nötige Lust empfinden können. Immer an der Lust entlang. Da, wo es sich gut anfühlt, hingehen. Auch wenn natürlich nicht alle auf dasselbe Lust haben. Oder nicht zur selben Zeit. Oder am selben Ort. Trotzdem wäre ein Lebensweg nach dem Lustprinzip bestimmt ein schöner.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Hausbesuch bei der note Werbeagentur München)
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