Dienstag, 14. November 2006
Die Gratwanderung der Inspiration
Von wegen seidener Faden. Die Inspiration ist ein hart umkämpfter Nerv aus Stahlseil. Denn von allen Seiten wird versucht, die Inspiration zu durchtrennen. Die Wenigsten wissen, dass sie diesen Versuch unternehmen. Sie rennen blindlings in die Inspiration anderer. Verfangen sich im Stacheldraht und können sich nur mit grobem Werkzeug daraus befreien. Der eiserne Faden der Inspiration ist somit mal wieder gerissen. Und kann nicht wie sein kleiner Kollege, der seidene Faden, an den gerissenen Enden einfach wieder zusammengeknotet werden. Sondern er steht so auf Spannung, dass ein Zusammenfügen ausweglos ist. Es scheint immer besser, das abgerissene Ende wieder aufzunehmen. Und von da aus neu zu beginnen.
Wie aus dem Nichts kann man die Inspiration von Kreativen zerstören. Ein Anruf genügt. Das Pling einer Mail. Das Rufen des Namens, das unaufgeforderte Betreten eines Raums. Alles, was in die Intimsphäre eines inspirierten Menschen wie ein Wurfgeschoss eindring, lässt den kreativen Prozess abreißen. Und oftmals nicht mehr aufnehmen.
Das ist so, als ob man eine lange Zahlenreihe addieren muss und man ständig von anderen dabei gestört wird. Werfen Sie einem Kellner beim Kopfrechnen mal einfach ein paar willkürliche Zahlen entgegen, an seinem Blick werden Sie schnell erkennen, was Sie angestellt haben.
Inspirationsräume muss man sich mit Waffengewalt schaffen. Und man muss sie ebenso gegen alle und alles verteidigen. Die Ignoranz der Umwelt ist nicht mal mutwillig. Aber wie heißt es so schön: Unwissenheit schützt vor Strafverfolgung nicht. Der Kern unserer Gesellschaft ist die Qualität von Ideen. Und alle, die diese überhaupt erschaffen können, werden mit allen Mitteln daran gehindert.
Ich kann Horst Eckert, alias Janosch, gut verstehen, dass er eines Tages alles, was seine bürgerliche Identität ausmachte, auf einen Haufen warf und verbrannte. Alle Steuerunterlagen, Ausweise, Rechnungen, Belege, Kreditkarten, einfach alles. Er hat alles ausgelöscht, was seiner Inspiration hinderlich war. Seit dem verfolgt er ein sehr einfaches wie geniales Prinzip. Er lebt auf Teneriffa und wer was will, muss ihm dafür Bargeld geben. Alles andere kommt ihm nicht in die Tüte. Recht hat er. Wenn man sich die abertausenden glänzenden Kinderaugen vor die eigenen führt, für die er gesorgt hat. Die millionenfach jeden Abend im Bett vorgelesenen Geschichten. So wie unser System mit ihm umgegangen ist, darf man sich nicht wundern, dass er das Land verlassen hat.
Wenn man so inspirierten Menschen mit einer solchen Ignoranz auf den Wecker geht, dann reißt das Stahlseil. Wie in diesem Fall beschrieben. Ich plädiere für eine Art Artenschutz für Kreative. Dass diese Uhrzeiten oder Räume zur Verfügung gestellt bekommen, in denen sie voll und ganz ihrer Leidenschaft nachgehen können. Die Gesellschaft würde davon überproportional profitieren. Denn die Wertschöpfung würde sich vervielfachen.
Aber das alles wird nicht passieren. Denn die am Ruder haben von alle dem keinen entfernten, blassen Schimmer. Ganz im Gegenteil. Für die sind Kreative nur ein Problem. Die rennen, weiterhin mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet, wie Elefanten durch den Porzellanladen der Inspiration.
Geschrieben von Christof Hintze
in Gleichgesinnte
um
07:03
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Tags für diesen Artikel: energie, Gleichgesinnte, gradwanderung, horst eckert, inspiration, janosch, konzentration, kreativität
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