Dienstag, 8. November 2011
Bedienungsanleitung für einen Kreativen.
Vorwort:
Kreative sind die zentrale schöpferische Kraft unserer Gesellschaft. Jeder Wertschöpfung geht ein kreativer Prozess voraus. Darum sollte Kreativen eigentlich gesteigerte Wertschätzung entgegengebracht werden. Dem ist aber bei weitem nicht so. Der Kreativität entspringt die Idee, die wie ein Stein, den man ins Wasser wirft, Wellen schlägt. Diese Wellen pflanzen sich dann zu neuen Ufern fort. Zu Ufern der Wirtschaft, der Politik, der Gesellschaft, der Kunst, der Kultur ... und noch zu vielem anderen. In den Köpfen von Kreativen entsteht all das, was war, was ist und was sein wird. Kreativität ist die Fähigkeit, Intuition mit Logik und Intelligenz so zu verbinden, dass daraus etwas Sinnvolles und Konstruktives entsteht, das ein Problem löst, die Anforderungen erfüllt, ein Ziel erreicht, eine Aufgabe stellt, eine Vision formuliert. Am Anfang von allem menschlichen Denken und Bestreben steht ein kleiner, unbedeutender, kreativer Funke. So winzig, dass wir ihn fatalerweise unterschätzen. Denn niemand außer den Kreativen selbst und einigen Wenigen mehr erkennen unmittelbar die eigentliche Großartigkeit, dass Potential des kleinen Funken. Der kann gewaltig sein, wenn man ihn miterlebt. Ein Gedankenblitz. Eine Offenbarung. Es ist neben der Geburt eines Kindes, wohl der schöpferischste Akt, den ein Mensch vollbringen kann. Es ist der Moment, in dem sich ein heller, schmaler Spalt in der unglaublich großen und verwirrenden Gedanken- und Gefühlswelt auftut. Und plötzlich steht sie vor einem - klar und ganz deutlich - die Lösung, die Idee, der Weg, die Antwort.
Bedienungsanleitung:
Ein Kreativer hat produktive Schübe. Das erfolgt am Anfang nur zufällig und willkürlich. Im Laufe der Zeit versucht der Kreative diese zu beherrschen. Was nur Wenigen gelingt. Die meisten Kreativen waren mal kreativ. Denn ihnen widerfuhren vereinzelt diese Schübe, von denen sie, wenn es gut läuft, ein Leben lang zehren können. Die meisten kommen aber nicht in den Genuss, davon zu profitieren. Oder das gelingt nur für kurze Zeit. Denn der Kreative profitiert persönlich sehr stark von diesen Schüben, er ist beseelt und euphorisch, wenn er sie erlebt. Man kann regelrecht süchtig werden danach. Nein, man wird definitiv süchtig danach! In diesen Momenten leistet er das Vielfache von dem, was allgemein vorstellbar ist. Er dringt in Ebenen vor, die vielen für immer verschlossen bleiben. Er erkennt Zusammenhänge, die sich viele nie erschließen werden. Er entdeckt Wege, welche die meisten Menschen unmöglich entdecken können. Die Fragestellung kann nicht so komplex sein, dass ein Kreativer nicht den einen richtigen Weg zu finden vermag. Und das alles in höchster Qualität und beeindruckender Menge. Die übrige Zeit sollte der Kreative zur Regeneration nutzen, und um den alltäglichen Krempel zu erledigen.
Kreativität ist nichts Kontinuierliches, sondern etwas Wellenartiges. Die Höhe der Welle ist ausschlaggebend für den Output. Und das Wellental folgt unweigerlich. Um einen solchen kreativen, produktiven, schöpferisch optimalen Schub zu erleben, in dem man in Minuten das leisten kann, wofür man sonst mehrere Wochen bräuchte - und das Ergebnis ohne einen kreativen Schub wäre qualitativ auch noch auf einem wesentlich niedrigerem Niveau -, muss sich der Kreative in einem geeigneten Space befinden. In seiner Welt. Diese wird dem Kreativen in der Regel aber nicht zugestanden, geschaffen oder zur Verfügung gestellt. Das ist so, weil es für kaum jemanden nachvollziehbar ist, dass Menschen so ticken. Dennoch benötigt der Kreative etwas, was in der normalen Welt nicht vorkommt. Das bringt Neid, Missgunst und Ablehnung mit sich. Er ist anders. Anders ist fremd. Fremd ist unheimlich. Unheimlich macht Angst.
Darum räumt man ihm diesen Space auch nicht nur nicht ein, sondern behindert den Kreativen auch noch zusätzlich, ständig und unwissentlich. Der Grund dafür ist die erwähnte Unwissenheit und dass man anderen keine Freiheiten einräumen will, die man für sich selbst nicht beansprucht. Wer will anderen schon Privilegien einräumen, die man nicht einmal für sich selbst einfordern könnte? Warum soll der Kreative etwas dürfen, haben oder können, das ich selber nicht darf oder haben kann?
Und das, obwohl dieser kreative Output die Grundlage für jegliche Wertschöpfung darstellt. Der größte Multiplikator, weiter verstärkt durch seine potenzierende Kraft, das ist die Kreativität. Die allergrößten Ideen, entsprangen alle diesem winzig-kleinen Funken. Der Kreative darf jedoch nicht auf Verständnis und Respekt hoffen. Sondern muss immer mit genau dem Gegenteil davon rechnen. Die Beschaffenheit der Kreativen-Welt ist von der jeweiligen Person abhängig
Grundsätzlich benötigt der Kreative 3 Werkzeuge: Inspiration, Motivation und Intuition. Ohne die geht nichts, nicht viel, oder es erwächst nur Mittelmäßiges. Und drei Parameter: Raum, Zeit und Werkzeug.
Da der kreative Schub in der Regel nicht von Dauer ist, sondern nur maximal 3 bis 4 Stunden anhält, muss genau in diesem Zeitfenster alles passen. Das ist wie beim Surfen, die Welle auf die man gewartet hat: man muss sie erkennen, bekommen, mitnehmen, aufsteigen und absurfen. Nichts sollte einen kreativen Schub zum Erliegen bringen. Ein kreativer Schub ist wie Hochleistungssport. Deshalb ähnelt die zeitliche Ausdehnung auch ziemlich genau der Länge eines extremem Ausdauerlaufes. Die geistige Erschöpfung danach ist ebenfalls ähnlich, wie auch das unglaubliche Glücksgefühl, etwas Besonderes, Unglaubliches geleistet zu haben. So oder gar nicht, sonst geht nichts. Oder nicht viel
Der Kreative ist dafür verantwortlich, sich das ideale Umfeld zu schaffen. Auch wenn ihm dies niemand gönnt, zugesteht oder einräumt. Das ist der tägliche Krieg des Kreativen mit dem Unverständnis, der Ignoranz bis hin zur Intoleranz, der übrigen Menschen umgehen zu lernen. Denn das Ergebnis wird ihm Recht geben. Auch wenn der Weg dorthin mühsam ist und mit Unverständnis gepflastert. Leider gibt es ein weit verbreitetes Unverständnis für die Arbeitsweise der Kreativen. Die meisten Menschen denken, dass ist doch nicht so schwer. Die schreiben dass ja einfach nur auf.
Die Einfachheit einer genialen Idee, ist das Allerschwerste überhaupt. Und sie ist das, was leider am wenigsten respektiert wird. Am wenigsten erkannt wird. Diesem schlichten Niederschreiben gehen viele Dinge voran und dazu gehören noch weit aus mehr Aspekte als diejenigen, die von außen zu erkennen sind. So kann das Telefon störend wirken. Die bloße Gegenwart von anderen Menschen. Eine Mail. Der falsche Kaffee. Atmosphäre. Geräusche. Gerüche. Gedanken. Das Türklingeln ... und 1000 Dinge mehr. Um dieses große Orchester der Einflussfaktoren zu beherrschen, muss der Kreative sich in seinen Space zurückziehen. Dafür muss er alles auf sich nehmen und alles ablehnen, was ihm das ermöglicht. Auch bei maximalem Unverständnis der Umwelt. Am Ende wird diese es ihm danken. Das klingt verrückt, ist aber so. Nichts ist schwerer zu erlangen als ein ideales Umfeld für Kreativität. Aber nichts benötigt die Weltgemeinschaft mehr, als geniale Ideen und Lösungen. Paradox. Spiegelt aber unsere Gegenwart wider. Respekt genießt nur die Logik. Ihr wird jeder rote Teppich ausgerollt. Diesem dilettantischsten aller Denkprozesse haben wir doch alles zu verdanken. All die perfekt durchdachten Dinge, die schlussendlich doch nicht funktionieren.