Freitag, 23. November 2007
Die Multifunktions- und Simulationsgesellschaft
Wer kennt sie nicht, die Multifunktionsprodukte überall. Die uns das gute Gefühl geben, alles immer zu jeder Zeit mit Bravour hinzubekommen. Man kann gar nicht genug von den Funktionen bekommen. Und noch eine angenehme Nebenerscheinung, man hat das Gefühl, es wirklich zu können.
Schon früher fielen vor allem die am Windsurferstrand auf, die zu gutes, zu neues, zu teures und zu viel Material hatten. Diese Menschen verbindet allesamt eins, sie konnten nur mäßig bis gar nicht surfen und sie waren zudem überfordert. Aber sie machten eine gute Figur. Das ist doch immerhin etwas.
Beim Skifahren verhält es sich ähnlich. Ist das Equipment auffällig gut, viel, neu und teuer, sieht es mit dem Stemmbogen grauselig aus. Aber fully equipt. Mit Küchen ist es nicht anders. Nimmt die Qualität der Einbauten, Aufbauten und sonstigen Bauten überhand, ist es mit den Kochkünsten nicht weit her.
Somit komme ich zu dem Schluss, so tun als ob und alle Möglichkeiten, die man nie benutzt trotzdem zur Verfügung zu haben, scheint ein großer Markt und ein Trend zu sein.
Da kaufen sich Menschen Küchenmaschinen mit über 100 Funktionen und das einzige, was sie je damit gemacht haben, ist ein Bananenshake. Den Keller voller perfektem Werkzeug, vom Feinsten von A-Z. Aber das einzige Mal, als man es in die Hand genommen hat, war als man es im Keller verstaut hat.
Autos sind schon lange keine Autos mehr. Mit Handys ist das ähnlich. Allen Produkten reicht der Kernnutzen schon lange nicht mehr aus. Sie müssen viel mehr können, auch wenn es niemand benutzt oder braucht. Der Markt will das. Also wird es gebaut. So sind die Haushalte vom Dach bis zum Keller und in die Garage voll mit Geräten, die völlig unterfordert sind und ein trauriges Dasein fristen. Oder die Gerätschaften sind mit so vielen Funktionen ausgestattet, dass man sie nicht mehr anfasst, weil man schlicht und einfach überfordert ist, sie ohnehin nicht bedienen kann.
Somit muss und soll alles nur so aussehen als ob. Das genügt. Es sammeln sich somit vermehrt verwunderliche Dinge in Haushalten an, die einen ganz schön in die Irre führen können. So kann man beim Besuch plötzlich vor einer Leinwand stehen, auf einer Staffelei. Darauf ein zugehängtes Bild, Pinsel und Acrylfarben. Nun denkt man doch... Weit gefehlt, das ist ein Arrangement. Der Gast malt nicht selbst. Aber er könnte. Wenn er wollte. Wenn er Zeit hätte. Und wenn er malen könnte. Oder wenigstens Fantasie hätte.
Man kann auch auf ein Saxophon treffen, auf einem Saxophonständer. Daneben ein Notenständer, augeschlagen Dave Brubecks „Take five“. Und man denkt sich... Wieder falsch, auch das ist nur ein Arrangement. Das Saxophon war ein Geschenk vor ca. 8 Jahren. Einen Grundkurs gab es auch dazu, aber man ist nie dazu gekommen, einfach zu viel um die Ohren.
Und so geht es weiter. Die fette Bulthaup Küche sagt dem geschulten Auge, wenn es gut läuft, haben sie Sushi aus der Stadt mitgebracht oder waren vorher beim Feinkostladen. Mountainbikes für den Preis von Motorrädern und so weiter. Eine sichtbar jungfräuliche Canon EOS 1Ds Mark III Spiegelreflex Kamera. Ein Mitbringsel aus Tokio.
Auch der Boom der Kochsendungen macht klar, wir haben nach der Multifunktions- und Simulationswelle schon die nächste Ebene erreicht. Es reicht aus, wenn andere in fetten Bulthaup Küchen kochen, so dass uns das Gefühl überkommt, wir könnten das eigentlich auch. Das reicht völlig aus. Die Welle der Fremdmultifunktion und Simulation ist das, die da gerade steigt und steigt.
Es gibt eben nichts Schöneres als einen Freund, der das alles hat. Dann kann man es da liegen lassen, bevor es bei einem selbst herumliegt. Eventuell hat der Freund auch noch Kinder und einen Hund, dann kann man sich das auch mal in ganz kleinen Dosen reinziehen und glücklicherweise jederzeit wieder abspringen. Und tschüss.
Ich behaupte, wenn man einen Berg machen würde, auf den man alles legen muss, was man länger als 36 Monate nicht berührt hat, dann hätte Reinhold Messner ein Problem. Er hätte den höchsten Berg der Erde noch gar nicht bestiegen. Im fehlt noch der 9000er.
Geschrieben von Christof Hintze
in Wilde Thesen
um
09:26
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selbstredend. der andere kram verstaubt im keller.
Und übertragen auf Deine Branche:
Der Mac macht noch keinen Designer!
Gruß vom Elbstrand.
Viele Grüße vom Rheinstrand,
Klaus