Montag, 26. Oktober 2009
Rhythmusstörungen
Die erste Krise, an die ich mich erinnern kann, war die Ölkrise Anfang der 70er. Meine Erinnerungen daran sind noch so frisch, weil wir mit der ganzen Familie an einem Sonntag mit dem Fahrrad auf der Autobahn fuhren. Denn es gab ein Sonntagsfahrverbot, um den Ölkonsum einzuschränken.
20 Jahre später rollte die nächste Krise heran. Die New Economy-Blase zerplatzte. Es war meine erste Krise, die ich miterleben durfte. Um mich herum haben viele sehr viel Geld verloren. So dass sie nicht nur von vorne anfangen mussten, sondern auch mit einem fetten Minus belastet waren. Bis dahin kannte ich keine Krise. Meine Lebensplanung sah ewiges Wachstum voraus, wie bei meinen Eltern.
Wenn die 1978 zur Bank gegangen sind, um ein Haus zu kaufen, dann ging die Rechnung noch auf. Denn sie konnten sicher sein, dass der Kaas bis 1998 gegessen war. Die Zuversicht der Menschen, in 20 Jahren den Kredit wie am ersten Tag bedienen zu können, war groß. Sehr groß.
Krisen gab es nicht und wenn, dann nur alle 20 Jahre. In einem ähnlichen Rhythmus wurde Deutschland ja auch Weltmeister: 1954, 1974, 1990, 2010. So plusminus alle 20 Jahre. Aber nun traten wirtschaftliche Rhythmusstörungen auf, die alle Planungen ad absurdum führten, denn die Phasen zwischen den Krisen wurde immer kürzer. So wurden auch die Phasen des Wachstums und der möglichen Ansparung immer kürzer.
Der New Economy Krise 1998 folgte 2002 die nächste große Krise, ausgelöst durch den 11. September 2001. Damit war der 20-Jahre-Rhythmus durchbrochen. Und siehe da, nur ganze 7 Jahre später, 2009, folgte die nächste große Krise. Diesmal durch Immobilienspekulationen ausgelöst. Die Wirtschaft wurde von jeder Krise schwer getroffen. Insolvenzen über Insolvenzen folgten. Und die Phasen, um diese Krisen zu kompensieren, waren einfach zu kurz.
Die Unternehmen zerrten ihre Liquidität völlig auf. Die Banken trugen bekannterweise durch ihr „Nichts tun“ ihren Teil dazu bei. Ein System ohne Liquidität. Mit Krisen, die in immer kürzeren Intervallen kamen und jedesmal aus Ecken, die keiner vorhersehen konnte. Was bedeutet das in den Köpfen von Unternehmern? Wie verändert eine solche Situation das Denken und das Handeln?
Eins ist mal klar, die Kosten werden an allen Ecken und Enden so tief nach unten geschraubt, wie es nur geht. Und was übrig bliebt, sind flexible Kosten, so dass man sich binnen kürzester Zeit davon trennen kann. Die ganze Wirtschaft hat sich zu einem Warentermingeschäft gewandelt. Eine Wirtschaft ohne Sicherheiten. Eine Wirtschaft mit allen Freiheiten, die aber nichts nützen, wenn man nicht agieren kann, wenn man nicht planen kann, wenn man nicht vertrauen kann.
Die Parameter für Nachhaltigkeit sind nicht mehr gegeben. Niemand weiß, was in drei Jahren sein wird. Und drei große Krisen in nur zehn Jahren geben die Richtung vor. Es scheint so, dass wir uns komplett von der liebgewonnenen Vergangenheit der „Sicherheiten und Freiheiten“ verabschieden müssen. Und das aus gutem Grund, denn wir waren nicht in der Lage, diese zu schützen. Alle Errungenschaften stehen auf dem Prüfstand. Jeder Stein müsste eigentlich umgedreht werden, wie es im Mittelstand jeden Tag passiert.
Somit stellen sich Fragen wie: Warum haben wir 17 Umweltminister? Warum haben wir 16 Bundesländer? Warum leisten wir uns eine eigene Armee? Wir könnten die Kosten um das 16-fache in diesem Land verringern. Und wenn wir durchweg auf neue und moderne Technologien und Entwicklungen setzen würden, könnten wir nach sehr schmerzlichen ca. 10 Jahren, besser als alle anderen, auf die Zukunft vorbereitet sein.
Wenn die Politik als moralische und ethische Instanz nicht mit gutem Beispiel voran geht, wer dann? Wir leisten uns einen Apparat, der auf Gesetzmäßigkeiten der 40er und 50er Jahre aufbaut. Die unglaubliche Vergeudung von Ressourcen, die Selbstbedienungsmentalität in diesem Land hat alle Grenzen der Vernunft überschritten. Man ahnt und spürt, dass dieses System vor dem Kollaps steht. Wie das Ökosystem, in dem wir leben.
Wenn es der unglückliche Umstand will, dass beide Systeme gleichzeitig kollabieren, dann werden wir tatenlos zusehen müssen, wie alles, wofür die Generationen vor uns gelebt haben und die nach uns hofften leben zu dürfen, den Bach herunter geht.
Wir müssen in neuen Verhältnissen leben lernen. Verhältnisse, die nicht über unseren sind, sondern in unseren sind. Aber keiner will der Erste sein. Niemand macht bei sich den Anfang. Man muss feststellen, dass der Kapitalismus in der Form ebenso versagt hat wie der Kommunismus, nur dass wir uns nicht daran gewöhnen wollen, daran halten wollen. Wir sind nicht nur nicht reformfähig, sondern auch noch nicht reformwillig. Und das nur aus einem einzigen Grund.
Wir müssen die Rechnung jetzt nicht bezahlen. Das ist Kreditkartenpolitik. Die glauben alle wirklich, nur weil sie jetzt kein Bargeld dafür auf den Tisch legen müssen, sondern mit einer Plastikkarte bezahlt haben, das würde einen Unterschied machen. Bei der Kreditkarte ist der Unterschied optimal 20 Tage später, aber in der Summe kommt dasselbe heraus. Und gerade das Kreditkarten-, Kreditprinzip, dieser Gedanke, erst später für die Zeche aufkommen zu müssen - oder wenn man die Beträge stückelt, stände man besser da - hat Millionen in die private Insolvenz getrieben und noch mehr überschuldet.
Wenn ihr mich fragt, fahren wir das Ding vor die Wand. Weil der Mensch erst zum Handeln fähig und bereit ist, wenn es richtig weh tut. Vorher verfährt er im festen Glauben: Das wird schon gut gehen. Obwohl die letzten zehn Jahre das Gegenteil beweisen. Die Wachstumsphantasien sind ebenso blödsinnig wie Wertschöpfungsstrategien. Die Zeiten haben sich geändert und wir orientieren uns an alten und zugleich falschen Zielen.
Die Lösungen liegen vor uns. Aber wir packen lieber die Probleme an. Wir könnten in Lösungen investieren, stopfen das gute Geld aber lieber in Probleme. Das klingt stark nach der Arroganz derer, die sich überlegen fühlen. So lange es uns besser geht als anderen, darf man ja bekanntlich nicht klagen.
Meine Güte können die alle froh sein, dass ich nichts zu sagen habe und nicht in der Politik bin. Ich würde das ganze System, das offensichtlich auf dem Kopf steht, mal auf die Füße der Tatsachen stellen.
20 Jahre später rollte die nächste Krise heran. Die New Economy-Blase zerplatzte. Es war meine erste Krise, die ich miterleben durfte. Um mich herum haben viele sehr viel Geld verloren. So dass sie nicht nur von vorne anfangen mussten, sondern auch mit einem fetten Minus belastet waren. Bis dahin kannte ich keine Krise. Meine Lebensplanung sah ewiges Wachstum voraus, wie bei meinen Eltern.
Wenn die 1978 zur Bank gegangen sind, um ein Haus zu kaufen, dann ging die Rechnung noch auf. Denn sie konnten sicher sein, dass der Kaas bis 1998 gegessen war. Die Zuversicht der Menschen, in 20 Jahren den Kredit wie am ersten Tag bedienen zu können, war groß. Sehr groß.
Krisen gab es nicht und wenn, dann nur alle 20 Jahre. In einem ähnlichen Rhythmus wurde Deutschland ja auch Weltmeister: 1954, 1974, 1990, 2010. So plusminus alle 20 Jahre. Aber nun traten wirtschaftliche Rhythmusstörungen auf, die alle Planungen ad absurdum führten, denn die Phasen zwischen den Krisen wurde immer kürzer. So wurden auch die Phasen des Wachstums und der möglichen Ansparung immer kürzer.
Der New Economy Krise 1998 folgte 2002 die nächste große Krise, ausgelöst durch den 11. September 2001. Damit war der 20-Jahre-Rhythmus durchbrochen. Und siehe da, nur ganze 7 Jahre später, 2009, folgte die nächste große Krise. Diesmal durch Immobilienspekulationen ausgelöst. Die Wirtschaft wurde von jeder Krise schwer getroffen. Insolvenzen über Insolvenzen folgten. Und die Phasen, um diese Krisen zu kompensieren, waren einfach zu kurz.
Die Unternehmen zerrten ihre Liquidität völlig auf. Die Banken trugen bekannterweise durch ihr „Nichts tun“ ihren Teil dazu bei. Ein System ohne Liquidität. Mit Krisen, die in immer kürzeren Intervallen kamen und jedesmal aus Ecken, die keiner vorhersehen konnte. Was bedeutet das in den Köpfen von Unternehmern? Wie verändert eine solche Situation das Denken und das Handeln?
Eins ist mal klar, die Kosten werden an allen Ecken und Enden so tief nach unten geschraubt, wie es nur geht. Und was übrig bliebt, sind flexible Kosten, so dass man sich binnen kürzester Zeit davon trennen kann. Die ganze Wirtschaft hat sich zu einem Warentermingeschäft gewandelt. Eine Wirtschaft ohne Sicherheiten. Eine Wirtschaft mit allen Freiheiten, die aber nichts nützen, wenn man nicht agieren kann, wenn man nicht planen kann, wenn man nicht vertrauen kann.
Die Parameter für Nachhaltigkeit sind nicht mehr gegeben. Niemand weiß, was in drei Jahren sein wird. Und drei große Krisen in nur zehn Jahren geben die Richtung vor. Es scheint so, dass wir uns komplett von der liebgewonnenen Vergangenheit der „Sicherheiten und Freiheiten“ verabschieden müssen. Und das aus gutem Grund, denn wir waren nicht in der Lage, diese zu schützen. Alle Errungenschaften stehen auf dem Prüfstand. Jeder Stein müsste eigentlich umgedreht werden, wie es im Mittelstand jeden Tag passiert.
Somit stellen sich Fragen wie: Warum haben wir 17 Umweltminister? Warum haben wir 16 Bundesländer? Warum leisten wir uns eine eigene Armee? Wir könnten die Kosten um das 16-fache in diesem Land verringern. Und wenn wir durchweg auf neue und moderne Technologien und Entwicklungen setzen würden, könnten wir nach sehr schmerzlichen ca. 10 Jahren, besser als alle anderen, auf die Zukunft vorbereitet sein.
Wenn die Politik als moralische und ethische Instanz nicht mit gutem Beispiel voran geht, wer dann? Wir leisten uns einen Apparat, der auf Gesetzmäßigkeiten der 40er und 50er Jahre aufbaut. Die unglaubliche Vergeudung von Ressourcen, die Selbstbedienungsmentalität in diesem Land hat alle Grenzen der Vernunft überschritten. Man ahnt und spürt, dass dieses System vor dem Kollaps steht. Wie das Ökosystem, in dem wir leben.
Wenn es der unglückliche Umstand will, dass beide Systeme gleichzeitig kollabieren, dann werden wir tatenlos zusehen müssen, wie alles, wofür die Generationen vor uns gelebt haben und die nach uns hofften leben zu dürfen, den Bach herunter geht.
Wir müssen in neuen Verhältnissen leben lernen. Verhältnisse, die nicht über unseren sind, sondern in unseren sind. Aber keiner will der Erste sein. Niemand macht bei sich den Anfang. Man muss feststellen, dass der Kapitalismus in der Form ebenso versagt hat wie der Kommunismus, nur dass wir uns nicht daran gewöhnen wollen, daran halten wollen. Wir sind nicht nur nicht reformfähig, sondern auch noch nicht reformwillig. Und das nur aus einem einzigen Grund.
Wir müssen die Rechnung jetzt nicht bezahlen. Das ist Kreditkartenpolitik. Die glauben alle wirklich, nur weil sie jetzt kein Bargeld dafür auf den Tisch legen müssen, sondern mit einer Plastikkarte bezahlt haben, das würde einen Unterschied machen. Bei der Kreditkarte ist der Unterschied optimal 20 Tage später, aber in der Summe kommt dasselbe heraus. Und gerade das Kreditkarten-, Kreditprinzip, dieser Gedanke, erst später für die Zeche aufkommen zu müssen - oder wenn man die Beträge stückelt, stände man besser da - hat Millionen in die private Insolvenz getrieben und noch mehr überschuldet.
Wenn ihr mich fragt, fahren wir das Ding vor die Wand. Weil der Mensch erst zum Handeln fähig und bereit ist, wenn es richtig weh tut. Vorher verfährt er im festen Glauben: Das wird schon gut gehen. Obwohl die letzten zehn Jahre das Gegenteil beweisen. Die Wachstumsphantasien sind ebenso blödsinnig wie Wertschöpfungsstrategien. Die Zeiten haben sich geändert und wir orientieren uns an alten und zugleich falschen Zielen.
Die Lösungen liegen vor uns. Aber wir packen lieber die Probleme an. Wir könnten in Lösungen investieren, stopfen das gute Geld aber lieber in Probleme. Das klingt stark nach der Arroganz derer, die sich überlegen fühlen. So lange es uns besser geht als anderen, darf man ja bekanntlich nicht klagen.
Meine Güte können die alle froh sein, dass ich nichts zu sagen habe und nicht in der Politik bin. Ich würde das ganze System, das offensichtlich auf dem Kopf steht, mal auf die Füße der Tatsachen stellen.
Geschrieben von Christof Hintze
in Wilde Thesen
um
07:32
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