Dienstag, 7. April 2009
Machen wir es uns doch einfach einfach
„Man muss sich erinnern, um zu wissen, was war, damit man das lenken kann, was kommt.“
Diesen Satz habe ich in der zehnten Klasse, also so um 1980, auf ein Kunstwerk geschrieben. Es war ein alter Fensterrahmen aus Holz. Er war weiß und ich hatte versucht, hinter die einzelnen rechteckigen kleinen Fenster im gesamten Rahmen, Sinniges zu kleben. So, dass man, wenn der Rahmen an der Wand hing, durch die einzelnen Fenster sehen und in diesen die Ansichten eines 17-jährigen entdecken konnte.
Rückblickend erinnere ich mich nur noch an diesen Satz. Was in den anderen Fenstern stand, noch darüber zu sehen war, weiß ich nicht mehr. Und wo das Kunstwerk abgeblieben ist, ist auch nicht überliefert. Auf den vielen Umzügen blieb immer ein Stück Lebensgeschichte auf der Strecke. Dies war so ein Teil.
Zurück zum Thema. Damals wie heute ging mir durch den Kopf, dass man es besser machen muss. Wenn Hindernisse, Probleme oder was auch immer einem im Weg stehen, ist es sehr schlau, in der Geschichte zurückzugehen, nicht nur in der eigenen Ausschau zu halten sondern in allen Geschichten. Nach Geschichten, in denen Menschen vor ein ähnliches Problem gestellt wurden und wie sie sich daraus befreit haben oder eben auch nicht.
Mir ist in der vor uns liegenden Situation aufgefallen, dass es immer Schuldige gab. Es gab immer Menschen, die sich offensichtlich moralisch verwerflich verhalten haben. Somit lag die Schuld immer bei den Tätern und der Rest waren Opfer.
So einfach war das. Wenn man den Tätern das Handwerk legt, dann sind die Opfer vor weiteren Übergriffen geschützt. Ich habe an dieses Täter-Opfer Prinzip nie wirklich geglaubt. Auch bei der Diskussion um das Dritte Reich empfand ich die Täter-Opfer Situation nie als wirklich zielführend. Zielführend in dem Sinn, dass etwas eventuell nicht nur nicht mehr, sondern am Besten nie mehr passiert.
Mein Gefühl sagt mir, es geht um die Ursache. Und zu der dringt man nicht vor, wenn es nur einfach Täter und Opfer gibt. Denn da hört jede Diskussion auf. Mein Denken fängt hier gerade an. Genau hier.
Mich interessiert mehr das Was, Wie, Warum und das Denken und Handeln, das man daraus ableiten kann. Ich kann das Geschehene nicht ungeschehen machen. Natürlich sind Opfer zu entschädigen und Täter zur Verantwortung zu ziehen, aber das ist für mich nur der halbe Prozess einer sinnvollen Aufarbeitung.
Die andere Hälfte liegt in der Chance begründet, eine solche Situation für immer der Geschichte angehören zu lassen. Und ich beobachte, dass man diese Chancen wieder und wieder verstreichen lässt, weil dieses Opfer-Täter Szenarium einfacher ist, einfacher zu verstehen, einfacher zu empfinden, einfacher zu vermarkten und zu verkaufen.
Lernen aus den zwei Weltkriegen hätte bedeuten können, nie mehr Krieg. Somit hätte man auch die Energie und das viele Geld in Frieden investieren können. Aber es gab ja Täter und Opfer. Somit war vordergründig die Kriegsgefahr ja gebannt. Ebenso, wenn sich Amok-Attentäter selbst umbringen. Dann ist die Amoklauf-Gefahr für die Menschen ja gebannt. Was passiert? Es findet eine emotionale Opfer-Täter Aufarbeitung statt. Die Schuld, die Verantwortung, all das wird auf den Prüfstand und die Anklagebank gestellt. Und dann, wenn der Schmerz nachlässt, wenn die Karawane der Medien weiterzieht, wenn das letzte Gebet für die Opfer gesprochen wurde, dann ist es vorbei. Ein wenig Aktionismus hier, ein wenig Aktionismus da. Hier noch ein Versuch, ins Rampenlicht zu rücken. Da noch der Versuch, es populär zu vermarkten. Und dann ist Schluss.
Bis zum nächsten Mal. Und dann geht die Empörungs-, Anklage- und Beklagungsmaschine wieder von vorne los. Und so geht es weiter und weiter. Jahr für Jahr. Generation für Generation. So schlimm die Vorfälle auch sind, wir dringen nie zur Ursache vor, nie bis zum wirklichen Problem. Und wir lösen diese Ursachen und Probleme nie so, dass diese Vorfälle weniger und weniger werden, sondern wir begnügen uns mit dieser immer wiederkehrenden Täter-, bzw. Einzeltäter-Theorie. So einfach kann man es sich machen, wenn es einen selbst nicht betrifft.
Somit sind diese Momente einmalige Chancen, die Menschheit einen Schritt weiterzubringen. Aber wir treten weiter auf der Stelle und das schon sehr lange. Wann erkennt die Spezies Mensch, dass es nicht so sehr um das Ereignis selbst geht, sondern dass solche, andere und ähnliche Ereignisse einfach nicht mehr vorkommen können. Dass mit jedem Ereignis eine weitere menschliche Fehlerquelle beseitigt werden kann.
Darum fiel mir der Satz ein: Man muss sich erinnern, um zu wissen was war, damit man das lenken kann, was kommt. Unsere Fähigkeit und Bereitschaft zur Erinnerung ist offensichtlich nicht groß genug, um Dinge für immer der Vergangenheit angehören zu lassen.
Bemerkung:
Damit meine ich nicht Dogmen, wie das über Atomkraft. Dass man Tschernobyl nur verhindern kann, wenn es nie mehr Atomkraftwerke gibt, sondern dass man über 20 Jahre später alles dafür getan hat, dass so etwas technisch nicht mehr passieren kann.
Denn der Mensch würde vieles nicht tun und nicht erreicht haben, wenn er bei jeder Katastrophe ein weiteres Dogma in Stein gemeißelt hätte. Es gäbe nach der Titanic keine Schiffe mehr, nach der Hindenburg keine Flugzeuge mehr. Wir wären nicht zum Mond gekommen und die Medizin und andere Wissenschaften würden noch in den Kinderschuhen stecken, wenn es diese Opfer nicht gegeben hätte. Nur in der Entwicklung der Menschheit selbst scheint es diese Entwicklung durch Opfer nicht zu geben.
Ganz im Gegenteil. Wir können die Uhr stellen, wann es das nächste Mal passiert. Was? Das!
Diesen Satz habe ich in der zehnten Klasse, also so um 1980, auf ein Kunstwerk geschrieben. Es war ein alter Fensterrahmen aus Holz. Er war weiß und ich hatte versucht, hinter die einzelnen rechteckigen kleinen Fenster im gesamten Rahmen, Sinniges zu kleben. So, dass man, wenn der Rahmen an der Wand hing, durch die einzelnen Fenster sehen und in diesen die Ansichten eines 17-jährigen entdecken konnte.
Rückblickend erinnere ich mich nur noch an diesen Satz. Was in den anderen Fenstern stand, noch darüber zu sehen war, weiß ich nicht mehr. Und wo das Kunstwerk abgeblieben ist, ist auch nicht überliefert. Auf den vielen Umzügen blieb immer ein Stück Lebensgeschichte auf der Strecke. Dies war so ein Teil.
Zurück zum Thema. Damals wie heute ging mir durch den Kopf, dass man es besser machen muss. Wenn Hindernisse, Probleme oder was auch immer einem im Weg stehen, ist es sehr schlau, in der Geschichte zurückzugehen, nicht nur in der eigenen Ausschau zu halten sondern in allen Geschichten. Nach Geschichten, in denen Menschen vor ein ähnliches Problem gestellt wurden und wie sie sich daraus befreit haben oder eben auch nicht.
Mir ist in der vor uns liegenden Situation aufgefallen, dass es immer Schuldige gab. Es gab immer Menschen, die sich offensichtlich moralisch verwerflich verhalten haben. Somit lag die Schuld immer bei den Tätern und der Rest waren Opfer.
So einfach war das. Wenn man den Tätern das Handwerk legt, dann sind die Opfer vor weiteren Übergriffen geschützt. Ich habe an dieses Täter-Opfer Prinzip nie wirklich geglaubt. Auch bei der Diskussion um das Dritte Reich empfand ich die Täter-Opfer Situation nie als wirklich zielführend. Zielführend in dem Sinn, dass etwas eventuell nicht nur nicht mehr, sondern am Besten nie mehr passiert.
Mein Gefühl sagt mir, es geht um die Ursache. Und zu der dringt man nicht vor, wenn es nur einfach Täter und Opfer gibt. Denn da hört jede Diskussion auf. Mein Denken fängt hier gerade an. Genau hier.
Mich interessiert mehr das Was, Wie, Warum und das Denken und Handeln, das man daraus ableiten kann. Ich kann das Geschehene nicht ungeschehen machen. Natürlich sind Opfer zu entschädigen und Täter zur Verantwortung zu ziehen, aber das ist für mich nur der halbe Prozess einer sinnvollen Aufarbeitung.
Die andere Hälfte liegt in der Chance begründet, eine solche Situation für immer der Geschichte angehören zu lassen. Und ich beobachte, dass man diese Chancen wieder und wieder verstreichen lässt, weil dieses Opfer-Täter Szenarium einfacher ist, einfacher zu verstehen, einfacher zu empfinden, einfacher zu vermarkten und zu verkaufen.
Lernen aus den zwei Weltkriegen hätte bedeuten können, nie mehr Krieg. Somit hätte man auch die Energie und das viele Geld in Frieden investieren können. Aber es gab ja Täter und Opfer. Somit war vordergründig die Kriegsgefahr ja gebannt. Ebenso, wenn sich Amok-Attentäter selbst umbringen. Dann ist die Amoklauf-Gefahr für die Menschen ja gebannt. Was passiert? Es findet eine emotionale Opfer-Täter Aufarbeitung statt. Die Schuld, die Verantwortung, all das wird auf den Prüfstand und die Anklagebank gestellt. Und dann, wenn der Schmerz nachlässt, wenn die Karawane der Medien weiterzieht, wenn das letzte Gebet für die Opfer gesprochen wurde, dann ist es vorbei. Ein wenig Aktionismus hier, ein wenig Aktionismus da. Hier noch ein Versuch, ins Rampenlicht zu rücken. Da noch der Versuch, es populär zu vermarkten. Und dann ist Schluss.
Bis zum nächsten Mal. Und dann geht die Empörungs-, Anklage- und Beklagungsmaschine wieder von vorne los. Und so geht es weiter und weiter. Jahr für Jahr. Generation für Generation. So schlimm die Vorfälle auch sind, wir dringen nie zur Ursache vor, nie bis zum wirklichen Problem. Und wir lösen diese Ursachen und Probleme nie so, dass diese Vorfälle weniger und weniger werden, sondern wir begnügen uns mit dieser immer wiederkehrenden Täter-, bzw. Einzeltäter-Theorie. So einfach kann man es sich machen, wenn es einen selbst nicht betrifft.
Somit sind diese Momente einmalige Chancen, die Menschheit einen Schritt weiterzubringen. Aber wir treten weiter auf der Stelle und das schon sehr lange. Wann erkennt die Spezies Mensch, dass es nicht so sehr um das Ereignis selbst geht, sondern dass solche, andere und ähnliche Ereignisse einfach nicht mehr vorkommen können. Dass mit jedem Ereignis eine weitere menschliche Fehlerquelle beseitigt werden kann.
Darum fiel mir der Satz ein: Man muss sich erinnern, um zu wissen was war, damit man das lenken kann, was kommt. Unsere Fähigkeit und Bereitschaft zur Erinnerung ist offensichtlich nicht groß genug, um Dinge für immer der Vergangenheit angehören zu lassen.
Bemerkung:
Damit meine ich nicht Dogmen, wie das über Atomkraft. Dass man Tschernobyl nur verhindern kann, wenn es nie mehr Atomkraftwerke gibt, sondern dass man über 20 Jahre später alles dafür getan hat, dass so etwas technisch nicht mehr passieren kann.
Denn der Mensch würde vieles nicht tun und nicht erreicht haben, wenn er bei jeder Katastrophe ein weiteres Dogma in Stein gemeißelt hätte. Es gäbe nach der Titanic keine Schiffe mehr, nach der Hindenburg keine Flugzeuge mehr. Wir wären nicht zum Mond gekommen und die Medizin und andere Wissenschaften würden noch in den Kinderschuhen stecken, wenn es diese Opfer nicht gegeben hätte. Nur in der Entwicklung der Menschheit selbst scheint es diese Entwicklung durch Opfer nicht zu geben.
Ganz im Gegenteil. Wir können die Uhr stellen, wann es das nächste Mal passiert. Was? Das!
Geschrieben von Christof Hintze
in Gleichgesinnte, Spontaneitäten
um
07:36
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