Man will oft nicht hinsehen. Oder nicht zuhören.
Aber dann, wie von magischern Hand, kann man den
Blick nicht abwenden. Oder die Aufmerksamkeit
nicht auf irgendetwas anderes lenken.
Das Schlimme, das passiert, zieht uns fast fas-
ziniert in den Bann. Trotz abfälliger Bemerkungen
können wir den Blick nicht davon lassen.
Ob der Unfall auf der Autobahn oder der Skandal
im Fernsehen. Anstatt uns nicht die Bilder des
Schlimmen für immer in unser Gedächtnis einzu-
brennen, schauen wir wie gefesselt zu, wie unglaub-
liches Schlimmes passiert.
Woher kommt diese Unart des Menschen, dann, wenn man
glaubt, sich abwenden zu müssen, genau hinzusehen?
Ich weigere mich, die Sensationslust dafür
verantwortlich zu machen. Das klingt zu profan.
In diesen Bildern scheinen wir etwas zu suchen
oder zu finden. Vielleicht ist es der Moment,
in dem anderen Schlimmes widerfährt, in dem
wir für uns feststellen, wie gut es uns in unserer
Haut geht.
Oder wir lernen von den Bildern unbewusst Ver-
haltensmuster, die wir glauben, im Notfall dann
nutzen zu können. Aber fast mit Lust sich das
Leider anderer anzusehen, die damit verbundenen
Tragödien mit sich herum zu tragen,
das machen wir nicht aus Anteilnahme, sondern mit
einer Art von Befriedigung, dass es uns ein Glück
nicht passiert ist, das Schlimme.
Und wenn es dann passiert, dann bemerken wir die
Blicke all dieser Menschen, die in meiner Tragödie
ihre Flucht suchen. Und wie gerne würde
ich nicht von diesen Blicken durchlöchert werden.
Aber habe ich nicht selbst hingeschaut, wenn das
Schlimme geschehen ist?
Was ist dran an der Lust am Leid anderer?
19. August 2004