Freitag, 26. Januar 2007
Darf ich eben mal schnell?
An Flughäfen kann man besonders gut eine bestimmet Spezies von Menschen beobachten. Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich es liebe, Menschen zu beobachten? Ich bin geradezu süchtig danach. Oft stiere ich so genau, lange und intensiv hin, dass der Beobachtete es bemerkt. Und das nicht unbedingt als sympathisch empfindet, sondern eher als unangenehm, als Anmache oder Spionage. Aber egal, zurück zum Thema. In der freien Wildbahn des Flughafens kann man besonders schön die Businessflieger beobachten. Sonst leben diese ja auch sehr zurückgezogen im tiefen Dschungel der Büroraumwelten. Da sieht man nichts von denen. Aber auch gar nichts. Manchmal hört man etwas, oder liest. Aber an Flughäfen, da müssen sie raus. Ins Freie. Raus aus ihrer Deckung und sich in der freien Wildbahn behaupten. Meine Beobachtungslieblingsspezies sind die Schnelleren. Wenn ich einen erspähe, dann kann ich den Blick nicht mehr abwenden. Auch auf die Gefahr hin, dass dieser denkt, ich sei sicher schwul oder von der Konkurrenz. Das ist mir egal. Wäre ja auch nicht weiter schlimm. Mein Blick haftete an dieser besonderen Spezies wie der von Kindern an der Eistüte. Denn sie sind mehr als drollig. Unablässig versuchen diese alles, um schneller zu sein. Es gibt nichts, was diese nicht mit aller Gewalt schneller wollen. Schneller telefonieren. Schneller beim Check-in. Schneller bei der Kontrolle... (Dieser Beitag geht beim nachfolgenden Link weiter)
Gepäckband. Schneller aus dem Flughafen raus. In der Regel sitzen diese
Typen in der Reihe 1. Oder, wenn das Schicksal dieser Spezies ganz übel
mitspielt, dann verbannt es diese in Reihe 2. Aber das ist das Höchste
der Gefühle. Alles weiter dahinter würde den Flughafenchef aufs Parkett
rufen. Man gewinnt den Eindruck, dass diese Menschen schon in Reihe 1
saßen, bevor das Bording losging. Als ob die vom letzten Flug noch gar
nicht ausgestiegen wären. Und dann steht derselbe Mensch 2 Zentimeter
von den Gummilappen weg. Exakt an der Stelle der Gepäckausgabe, an der
die Koffer als erstes ins Licht der Welt zurückkehren. Und jeder
Koffer, der ihm durch die Lappen geht oder nicht sein eigener ist, ist
wie eine Niederlage, ein Gegentor, einen Unverschämtheit. Wenn er dann
endlich da ist, dann trifft man denselben Mensche in der Schlange zum
Taxi wieder. Er wartet nur kurz vorne und schreitet dann den nahenden
Taxis entgegen. Wenn es sein muss hundert Meter. Das ist ihm egal. Er
muss das Gefühl erlangen, früher im Taxi zu sein als alle anderen. Ihn
scheint ein Trauma zu verfolgen, nicht der Erste zu sein, nicht
schneller. Zeit verschenken oder zu vergeuden, erzeugt in ihm
körperlichen Schmerz. Das muss so sein. Denn warum veranstaltet er
sonst so ein Affenteater? Diese Spezies der Schnelleren unternimmt
einen erbärmlichen und kläglichen, zum Scheitern verurteilter Versuch,
die absolute Zeit zu verändern. Dieses Vorhaben ist absurd, aber das
wissen diese Menschen nicht und wollen diese Menschen auch nicht
wissen. Sie unternehmen alles, um die absolute Zeit zu biegen, zu
brechen, zu verkürzen. Die holen ein 5-Minuten-Ei nach 3 Minuten raus
und beschweren sich, dass es noch ganz weich drinnen ist. Dabei ist es
dem Menschen von Natur aus nur gegeben, die relative Zeit zu
beeinflussen. Und zwar um einen Prozentsatz, der so gering ist, dass es
sich fast nie lohnt, überhaupt den Anlauf zu nehmen, diesen zu
beeinflussen. Im Fluss der Dinge zu bleiben ist dieser Spezies
unmöglich. Dem natürlichen Verlauf zu folgen käme denen nie in die
Tüte. Das Fliegen dauert absolut - 3 Stunden 8 Minuten. Ende. Das zu
Beeinflussende dabei, also die relative Zeit, beträgt Sekunden. Also
warum der ganze Stress der Schnellen, wenn es Absolut gesehen nicht um
Stunden geht, sondern sich alles relativ abspielt im Bereich von
Sekunden. Stress, drängeln, sputen, beeilen, hetzen, zügig, flott,
alles das für 5 Sekunden? Deshalb liebe ich diese Art von Managern.
Denen im Leben alles gelingt. Und die wirklich glauben, dass sie auch
die absolute Zeit beherrschen. Schon verrückt. Und seltsam zugleich.
(Foto: Peter von Felbert Motiv: Flughafen Zürich)