Montag, 15. Januar 2007
Die Säure in meinem Körper
Da ist diese Säure in meinem Körper. So lange diese basisch ist, so eine Art PH-neutral, komme ich ganz gut mit mir klar. Und ich denke und hoffe, meine Umwelt auch. Wenn diese aber alles andere als neutral ist, dann wird es unangenehm mit mir. Mir mit mir selbst und unvermeidlich auch meiner Umwelt mit mir. Dann frisst sich diese Säure durch alles, was mir lieb und teuer ist. Dann ist meine Geduld kein Faden mehr, sondern nur noch ein sehr, sehr kurzes und ebenso sehr, sehr dünnes Fädchen. Diese Säure bringt es leider mit sich, dass sie einiges in Mitleidenschaft zieht. Auch Dinge, die mir nah sind, sehr nah. Die zerstörerische Kraft dieser zähen Säure, die sich wie ein Lavastrom durch meinen Körper und mein Bewusstsein wälzt, ist enorm. Sie macht keinen Halt vor nichts. Aus Mücken werden Elefanten. Reihenweise. Alles ergibt keinen Sinn mehr. Alles verliert seinen angestammten Wert. Plötzlich ist alles, was gut war, im nächsten Moment nicht mehr gut genug. Und dann unausstehlich. Vor allem, wenn ich zur ungewollten Ruhe komme, dann setzt sich die Säure in Bewegung. Erst tropft sie auf meine Zuversicht und mein Selbstbewusstsein. Aber dann fließt ein kleines Rinnsal voller Zweifel und Ungereimtheiten durch mich durch. Es ist wie Sodbrennen. Nein, es ist schlimmer. Es ist außer Kontrolle. Somit habe ich immer ein Unwohlgefühl, wenn ich ungewollt zur Ruhe kommen soll. Ebenfalls ein Auslöser sind programmierte Gefühle, die abgerufen werden sollen. Dann ergießt sich explosionsartig die Säure über meine Gefühlswelt. Der ich dann natürlich entfliehen muss. Will. Aber nicht kann. Weil ich eingebunden bin in Verantwortungen. Da kann man sich nicht einfach so gehen lassen. Obwohl jeder merken muss, wie ich leide unter diesem negativen Einfluss. Da hilft dann nur noch fliehen, sonst zerstört diese Säure einfach alles. Was sie kann und schon bewiesen und getan hat. Somit bin ich versucht, vorsichtig zu sein. Aber der Umgang mit dieser ätzenden, emotionalen Säure ist sehr schwer. Am Anfang brennt es. Und auch noch nach einer Weile genügt noch immer ein Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Leid tut es mir immer um meine Umwelt, die das ertragen muss. Oder nicht mehr ertragen will. Denn das bin nicht wirklich ich, das ist diese Säure in mir. Die frisst sich in und durch meine Seele. Ich sollte das nicht mehr zulassen. Denn wieviel Dinge, die mir nah sind und zugleich lieb und teuer, sind es noch Wert, dass ich sie verliere? Oder dass diese auf eine unerträgliche Distanz zu mir gehen? Ich kann doch nicht immer wieder von vorne anfangen. Immer wieder in der Hoffnung, dass die Säure nun nicht mehr in meinen Adern fließt. Bis mich die Erkenntnis erreicht, dass es wieder nur bis zum nächsten Mal war. Damit muss Schluss sein. Ich sollte nicht weiter versuchen, alle Quellen, die mir als Auslöser bekannt sind, abzustellen, oder diesen auszuweichen. Sondern diesen zu begegnen. Vor allem der Einsamkeit mit mir selbst. Der Erwartungshaltung an mich. Und dem unnötigen Druck, den ich mir aus unerklärlichen Gründen auferlege. Ich muss und ich werde gelassener werden. Denn das würde mich enorm voran bringen. Vor allem als Mensch. Aber dafür gibt es eine Menge Geschichten, denen ich mich aussetzen und denen ich begegnen muss. Denen ich mich stellen muss. Vor allem Geschichten aus der Vergangenheit. Aber nicht weniger aus der Gegenwart. Damit die Zukunft vor allem ohne eins wird, ohne diese Säure in meinem Körper. Das wäre wunderbar.
(Foto: Peter von Felbert)