„Der Schnürlregen ist normal hier”, sagte jemand zu uns. „Ist normal in Salzburg.”
„Schnürlregen kenn ich”, sagte ich zu meiner Begleiterin. „Von früher. Als Kind war ich hier in der Nähe immer in den Ferien mit meinen Eltern und mit meiner Schwester.”
„Touristen”, sagte sie, „sind auch normal in Salzburg.”
„Ja, zu viele”, sagte ich.
„Sie nerven.”
„Gefällt dir Salzburg nicht?”
„Ich wäre doch lieber mal nach München gefahren. Wir sind schon dreimal in Salzburg gewesen.”
In der Judengasse blieben wir an einem Schirmgeschäft stehen.
„Ich hätte gerne so einen kleinen von Esprit”, sagte sie.
„Gefallen dir diese hier nicht?” fragte ich. Ich zeigte auf die Schirme, die in einem Kübel an der Straße vor dem Laden standen. „Oder wir gehen irgendwo rein”, sagte ich, „und warten einfach bis der Regen aufgehört hat.”
„Schnürlregen hört aber nicht auf”, sagte sie.
„Ja, manchmal regnet es hier ein oder zwei Wochen am Stück.”
Die Schirme waren uns alle zu teuer. Das Geld, was man in einen Schirm investiert, könnte man auch in Tee und Mehlspeisen anlegen, sagten wir uns.
Wir flüchteten in einen Buchladen. Es gefiel uns aber nichts, was wir hätten kaufen können. Beim Rausgehen entdeckte ich einen Schirm, der in einem Schirmständer am Ausgang stand. Ich blieb zurück, und überlegte, den Schirm einfach mitzunehmen, konnte aber keinen unbeobachteten Moment erwischen.
– – –
Trotz Regen quoll die Gasse über vor Menschen. Wir bummelten weiter ohne Schirm und stießen auf einen hübschen Laden, der köstliche Sachen – Wein, Spirituosen, Pasta, Saucen und alles Mögliche – in seinen Auslagen präsentierte.
„Lass uns doch hier mal reingehen”, sagte ich.
„Sieht gut aus”, sagte sie.
Wir gingen zuerst nach oben. Oben wurden wir von einer Verkäuferin erwartet, die uns die ganze Zeit verfolgte, nachdem wir ihr gesagt hatten, dass wir uns nur mal umschauen wollten. Der Raum war groß wie ein Saal und wir waren mit der Verkäuferin alleine. Der Holzboden war neu und hart. Jeder Schritt klang wie ein Klopfen. Es gab alles, was es in einem Delikatessengeschäft, in einem Laden für Geschirr, Porzellan, in einem Laden für Küchenwerkzeuge, in einer Weinhandlung, in einer Boutique für kleine und teure Präsente gibt. Nur alles auf einmal. Und die ganze Zeit über war unsere Verfolgerin uns dicht auf den Fersen. Ihr Gesicht entspannte sich erst, als wir uns für einen Flaschenöffner entschieden, der die Form eines Haifisches hatte. Bis zu diesem Augenblick war sie die Museumswärterin gewesen, die in jedem Besucher einen potentiellen Dieb erkennt. Wir wechselten ein paar Unverbindlichkeiten mit ihr und erklärten, dass wir den Flaschenöffner einem Freund mit Haiphobie schenken würden. Sie nickte, wollte jetzt aber mit uns nach unten zum Zahlen gehen. An der Kasse ließen wir uns das Geschenk einpacken und entschlossen uns, noch eine Kleinigkeit zu essen.
„Nudeln oder eine kleine Vorspeise”, sagte ich, „was hälst du davon?”
„Die haben leckere Vorspeisen hier in der Vitrine”, sagte sie während ich zahlte und eine
Visitenkarte einsteckte, auf der, der Name des Ladens stand.
Die Teller wurden uns an einem kleinen, runden Tisch serviert, der im hinteren Bereich des Ladens neben einem zweiten runden Tisch stand, an dem auch Leute saßen. Wir aßen und tranken Chardonnay dazu, und am Schluss noch einen Espresso, der aber nicht der Rede wert war. Es gab auch sehr gute Whiskys und Whiskeys zu kaufen und schottisches Mineralwasser für acht Mark die Flasche. Der Laden hatte sich inzwischen mit Menschen gefüllt, die aus dem Regen kamen und sich neugierig umschauten. Die Museumswärterin erklärte ihnen, dass es oben noch mehr zu sehen gäbe.
– – –
Wir blieben in der Judengasse und wurden von einem anderen Laden angelockt. Hinter der gläsernen Theke stand ein schwarz gekleideter Jüngling mit glänzendem, schwarzem Haar, der einen Kunden beriet. Es roch irgendwie orientalisch; nach Perserteppichen, Duftölen und Gewürzen. In einem Glasregal standen kleine Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten. Auf den Etiketten standen Namen bekannter und berühmter Parfums.
„Unsere Düfte sind alle ohne Alkohol”, sagte der Jüngling zu uns. „Völlig unbedenklich für die Haut.”
Er griff nach einem Fläschchen, zog den Glasstöpsel ab und tupfte ihr davon auf den Puls am Handgelenk.
„Unsere Düfte sind alle mit Öl gemacht, darum sind sie auch nicht verschraubt, weil kein Alkohol verfliegen kann, und sie sind besser für die Haut. Gefällt Ihnen der Duft? sagte er, als sie an ihrem Handgelenk schnüffelte.
„Und für Sie vielleicht…”, er griff nach einem zweiten Fläschchen, auf dem Boss zu lesen stand.
Ich roch an meinem Handgelenk und fand es ziemlich stark.
„Kriegen Sie keinen Ärger, wenn Ihre Düfte bekannte Markennamen tragen?” fragte ich ihn.
„Der Duft bleibt mindestens vierundzwanzig Stunden”, sagte er nur. „Anders als beim Alkohol, der verfliegt.”
Ich versuchte den Jüngling wieder loszuwerden und schaute interessiert auf Gewürze, die in kleinen, weißen Stoffbeuteln, die offen waren, hübsch bunt aussahen.
„Das da ist das teuerste Gewürz, das es gibt”, sagte er und zeigte auf ein Säckchen mit gelbem Pulver.
„Safran”, sagte ich, ohne ihn dabei anzuschauen. Ich fand mich unfreundlich, aber der Jüngling war wie ein schwerer orientalischer, öliger Duft, den ich nicht erst nach vierundzwanzig Stunden wieder loswerden wollte.