Mittwoch, 2. Januar 2008
Na, Anpassungsschwierigkeiten beim kollektiven Zielgruppen-Niveausinkflug?
Häufig treffe ich auf Gesprächspartner, vor allem bei Neugeschäftskontakten, die mir ihr Leid klagen. Der völlige Zerfall von Sitte und Anstand, von so etwas wie Niveau in der Werbung. Dass die Werbung sich sukzessive dem sich im freien Fall befindlichen Niveau anpassen muss. Das tut offensichtlich weh, das schmerzt. Und dass man das überall erkennen kann.
Ich sage dann: „Entschuldigung, aber Sie machen nur Werbung! Wenn Sie wirklich und ernsthaft etwas mit Niveau wollen, dann wechseln Sie besser die Branche.“ Denn diese Entwicklung geht offensichtlich weiter. Nicht lange und es geht in Sachen Niveau noch viel tiefer, viel, viel tiefer. Schauen Sie sich mal die Entwicklung im Fernsehen an, dann haben Sie eine Ahnung wohin die Reise geht. Oder im Radio, oder...
Alle wollten eine Konsumgesellschaft. Alle wollten Massenmärkte. Jetzt sind wir auf dem Weg dahin. Keiner hat dabei darüber nachgedacht, wie ein Essen schmecken muss, das allen gleichermaßen schmeckt. Jetzt wissen wir es, nach – nichts. Denn nur wenn es nach „Nichts“ schmeckt, kann es keinem nicht schmecken. Denn es schmeckt ja nach nichts. Das ist allemal besser, als wenn es einen Geschmack hätte. Denn der wird unter Garantie jemandem nicht schmecken. Und genau diesem „Nichts“ müssen sich alle anpassen. Das bereitet vielen Sorgen und Probleme. Weil sie überzeugt sind und glauben, es müsste doch nach etwas schmecken, dass "Nichts". Das ist natürlich Blödsinn. Trinken sie mal die fünf meistverkauftesten Exportbiere der Welt. Die haben alle eins gemeinsam - die schmecken nach nichts. Das Schöne an diesen Branchen und Produkten - es ist nichts und es bleibt nichts.
Och kommen Sie, Herr Hintze sagen die dann. Das kann doch nicht sein, dagegen muss man doch etwas machen können. Nein, antworte ich dann. Sie müssen nur Ihre Anpassungsschwierigkeiten loswerden und sich dem Gang der Dinge besser anschließen. Sonst wird der Alltag ja zur Hölle. Das mit dem Niveau in Konsummärkten ist Ihr ganz eigenes Problem. Das müssen Sie loswerden. Sonst wird das Leben für Sie und Ihre Lieferanten zur Hölle. Da draußen tobt der Konsumkrieg und Sie reden ständig von Abrüstung, Friedenstauben, Lichterketten. Sind Sie noch zu retten? Wenn Sie überleben wollen, brauchen Sie Munition und keine Luftballons. Echte Munition.
Mensch Herr Hintze, Sie haben doch immer so tolle Ideen. Ja, aber nicht für solche Märkte, solche Branchen, solche Umfelder. Meine Wirkung kann sich leider nur da entfalten, wo sich Anspruch, Niveau, Wert und Qualität überhaupt auf eine Idee übertragen lassen. Und das geht nur in ganz besonderen Fällen. Nicht in Ihrem. Das ist gemein, höre ich dann.
Ja aber, da kann man wirklich nichts machen? Doch, mitmachen. Noch gröber, noch lauter, noch billiger, noch niveauloser. Also, machen Sie den Preisstörer noch größer, das Produkt noch größer, das Logo noch größer und den Rabatt noch größer, die Zugabe noch größer, das Gewinnspiel noch größer....
Aber das will doch keiner, das funktioniert doch schon lange nicht mehr. Dann überspringen Sie zwei Niveaustufen und machen das alles noch 2x größer. Veräppeln Sie die Kunden doppelt so übel wie der Wettbewerb.
Ja aber das führt doch zu nichts? Klar – stimmt - na und. Das führt unweigerlich zur Pleite. Ist doch gut, dann hat das alles wenigstens ein Ende. Und dann? Bis dahin ist noch lange. Dann wird man schon sehen. Überqueren Sie die Brücke, die vor Ihnen liegt und nicht Brücken, die noch gar nicht in Sicht sind. Denken Sie nur kurzfristig. Langfristiges denken zahlt sich nur langfristig aus. Da haben Sie nichts mehr davon. So blöd werden Sie doch wohl nicht sein.
Können Sie so was denn machen? Ich ?! Nein. Ich kann das nicht. Überhaupt nicht. Das können andere viel besser. Ja aber Herr Hintze, Sie können mir doch nicht erklären, wie es geht und mir dann sagen, dass Sie das nicht machen können. Doch kann ich. Muss ich sogar.
Das ist ja ein Ding. Ich mache Kommunikation, keine Werbung mehr im eigentlichen Sinne. Ich denke nicht über Werbemittel nach sondern über Kommunikationsmittel -formen und -wege. Das ist etwas völlig anderes. Werbung interessiert mich nicht. Mich interessiert Kommunikation, zwischen Menschen, Firmen, Kunden bis hin zu Tieren.
Das Verstehen steht für mich im Mittelpunkt. Nicht, dass ich was verstehe, sondern dass der Empfänger das versteht, was ich wirklich kommunizieren wollte. Was gibt es an Ihrem Produkt nicht zu verstehen? Na also. Ich denke mir keine Tricks aus, wie man Menschen so beeinflussen kann, dass diese auf etwas hereinfallen.
Mist. Ich dachte schon. Aber wir verstehen uns doch so gut. Sehen Sie, genau das ist mein Job, mein Ziel. Jetzt muss ich nur noch rausbekommen, wie ich damit Geld verdienen kann.
Geschrieben von Christof Hintze
in Marketing Denkanstöße
um
17:17
| Kommentar (1)
| Trackback (1)
Tags für diesen Artikel: Marketing Denkanstöße
Artikel mit ähnlichen Themen:
die Antwort auf Deine Frage ist einfach:
"Mit den richtigen Kunden."
Bleib Deiner Überzeugung treu, es gibt diese Kunden!
Oli