Donnerstag, 24. Mai 2012
Schnäppchen. Endorphine. Glücksgefühle.
Der Körper besteht aus chemischen Verbindungen und chemischen Elementen. Klingt ein wenig trocken, entspricht aber der Wirklichkeit. Die verschiedenen Reaktionen dieser Elemente und Verbindungen machen es möglich, dass wir das sind, was wir sind.
So gibt es auch die Endorphine. Diese sind dafür da, dass wir mit Schmerzen und Hunger umgehen können. Endorphine sind, nicht zu vergessen, auch noch für den Sexualtrieb da. Und können uns euphorisch machen.
Produzieren wir körpereigene Endorphine, dann haben wir ein Wohlgefühl, welches negative Gefühle überlagert. Menschen,die also schlecht drauf sind, bei denen es im Job oder Leben nicht so gut läuft. Unzufrieden sind. Keine Anerkennung erfahren. Keine Gemeinsamkeiten teilen können. Nicht kommunizieren. Denen keine Wertschätzung zu teil wird. Die nur geringe Wertschöpfung für geleistete Dinge erzielen. Die gieren nach Endorphineausstoß.
Was kann man machen, um sich in diesen Fällen besser, zufriedener, glücklicher zu fühlen? Man kann Chili essen. Man kann küssen. Man kann sich UV-Licht aussetzen. Und man kann sich positive Erlebnisse zuführen.
Und damit bauen wir nun die chemische Brücke zum Schnäppchen. Zum Sonderangebot. Zum Preisnachlass. Das preisbezogene Angebot befriedigt unser Belohnungssystem. Wir belohnen uns, wenn wir billig einkaufen, weil das Gehirn damit verbindet: Effizienter energetischer Aufwand, großer Jagderfolg. Wir bekommen vermeintlich viel und mehr für weniger. Das Gehirn mag das. Und stößt beim Kauf eines Sonderangebotes Endorphine aus.
Der Makel an diesem Verhalten ist nur, dass der Preis den rationalen Nutzen des erworbenen bei weitem übersteigt. Und dass diese Form des Sekundärnutzens nicht den Primärnutzen befriedigt, sondern dieses Sekundärbedürfnis, wie eine Sucht, nur anheizt. Limes gegen Null. Wir können immer mehr, immer billiger kaufen, aber wir werden nicht zufriedener, geschweige denn befriedigt sein.
Das Gegenteil tritt ein. Wir gehen pleite. Zu Messis oder sind vollgestopft mit Dingen, die wir nicht benötigen. Konsumsucht. Der Auslöser für sie ist das preisbezogene Angebot, weil uns dieses den Zugang und den Blick für das Relevante am Produkt, der Marke oder Dienstleistung versperrt.
Die Wirtschaft macht sich dieses chemische Phänomen zu nutze. Und weil es funktioniert tritt in der Kommunikation der Preis weiter und weiter in den Vordergrund. Dafür nimmt der Konsument auch Schulden in Kauf.
Denn er macht das nicht um wirklich was zu kaufen, sondern um den Ausstoß von Endorphinen zu bewirken. Und da der Ausstoß immer geringer wird, muss er in immer größerer Dosis konsumieren, Glücksgefühle auslösen beim Schnäppchenkauf.
Dabei könnte das Kaufen auch mit anderen emotionalen Aspekten verbunden sein, welche dieselbe Wirkung auslösen würden, nur das muss der Anbieter auch anbieten können. Das sind Aspekte wie: viel, groß, wertvoll, selten, schön, passend, individuell, neu, innovativ, hochwertig, modern, nachhaltig. Alle Aspekte, die Begehren auslösen und nicht preisgebunden sind, funktionieren auch. Und zwar gut.
Aber billiger machen, es eben wesentlich einfacher als etwas besser zu machen.
Der Kauf selbst löst folgende Gefühle aus, welche zum Ausstoß der so wichtigen Endorphine führt: Glück, kurzfristige Befriedigung, Lust, Energie, Motivation, Mut, Euphorie. Der kauf birgt Erfolg, Bestätigung und Anerkennung für einen selbst.
Darum gehen frustrierte Menschen gerne shoppen, um sich etwas Gutes zu tun. Wenn wir die Lebensumstände beseitigen würden, welche zu diesem Frust führen, bräuchten wir auch nicht shoppen. Und schon gar nicht billig.
Es gibt Beispiele bei denen offensichtlich wird, dass der mindere Preis nicht immer die Orientierung bietet. Da spielt die soziale Stellung eine große Rolle. Wie z.B. bei Hochzeiten, Begräbnissen, Geburt, Kommunion, Taufe und Produkten wie Ehering und vielem anderen. Manchmal ist billiger eher peinlich.
„Wer sagt schon gerne: Schatz da gab es 6 Eheringe für den Preis von 3. Für nur 29 EUR“
Die Krönung der modernen Selbstbefriedigung, das einzahlen auf ein Belohnungssystem aus Frust und negativen Lebensumständen sind Apps und der iTunes-Store. Da kann man sich schnell mal einen Endorphine-Schuss holen, für nur 99 Cent, oder 79 Cent und weniger. Ganz nach dem Motto: Was für ein Scheiss Tag, da lade ich mir mal gleich eine App oder besser gleich 2 runter.
Also, Sonderangebote sind nur dafür da, negative Lebensumstände zu kompensieren. Sie haben dabei aber keinen Bezug zum Produkt, zur Marke oder Dienstleistung. Sondern dienen ausschließlich der Endorphine-Produktion. Und dieses Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt, weil es in der Sucht und/oder im Ruin endet.