Samstag, 26. Mai 2012
Wir sind die Guten: Die HypoVereinsbank über Selbstverständnis, Verdrängung, Verarbeitung und Realitätsverlust.
Das Bild hängt wirklich im Besprechungszimmer einer HypoVereinsbank in München. Der Künstler ist kein Kind, wie man annehmen könnte, sondern die Mitarbeiter einer Abteilung der HypoVereinsbank. Gesehen am Freitag den 25.Mai 2012.
Auch Banker sind Menschen. Menschen mit Gefühlen. So viel Unheil ist über Bankern ausgeschüttet worden, dass deren heiles Weltbild plötzlich arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Gestern winkten einem die Nachbarn noch zu. Heute zeigen sie mit dem Finger auf einen. Damit muss man klar kommen. Das ist hart. Sehr hart.
Gestern zog man sich noch seinen schicken Anzug mit Krawatte an. Heute geht man ohne aus dem Haus und das Jackett und die Krawatte sind im Büro gebunkert. Bloss nicht als Banker erkannt werden. Der Wutbürger soll unberechenbar sein. Viele Banker wachen seit einiger Zeit schweissgebadet Nachts mit dem gleichen Alptraum auf. Der geht so: Mitten in einer Fußgängerzone zeigt plötzlich ein Passant auf den Banker und schreit: «Da ist er! Er ist Schuld! Er ist der Banker, der das alles angerichtet hat!» Die anderen Passanten bleiben stehen und starren auf den Banker. Plötzlich kippt die Stimmung und der Mob will Selbstjustiz. Sie bedrängen den Banker. Beschimpfen ihn übel. Und dann eskaliert die Situation. Der Banker wird zu Tode geprügelt. [Wer sich erinnert, gab es so ähnlich in dem Film Marathonmann]
Nun schiesst der Bänker schweiss gebadet aus dem tiefen Schlaf und versteht die Welt nicht mehr. Er ist traumatisiert, schwer sogar. Darum braucht er Hilfe. Die bekommt er in Form von Unternehmensberatungen. Für den Psychiater reicht es nicht, er ist nicht mehr privat versichert. Und das jetzt! Die Unternehmensberatungen bieten nun nicht nur noch Kurse an wie: Kosten runter und Gewinn rauf- Wie presst man die Zitrone am besten. Oder: Wie verkauft man Produkte, die keiner mehr versteht. Sondern auch: Hilfe zur Selbsthilfe - Bänker in Lebensgefahr.
Und im Zuge einer dieser 14tägigen Selbsthilfegruppen ist dieses eine Bild entstanden. 27 Mitarbeiter einer Abteilung der HypoVereinsbank haben daran mitgewirkt. Die Kosten von 22 Millionen für das Seminar, gingen zum Glück nicht vom Boni ab, sondern wurden aus dem Topf der Steuergelder bezahlt. Wäre ja noch schöner.
«Wir sind die Guten.» Was will uns dieser Satz „nicht“ sagen? Das Kommunikation nicht das ist was man sagt, sondern das, was der andere versteht. Das gilt für das geschriebene Wort ebenso. Ein Blick ins Dschungelbuch hätte genügt um zu erkennen, dass schon die Schlange Ka genau die gegenteilige Wirkung kassierte, als sie einfühlsam skandierte: «Vertraue mir!» Liebe Banker, ihr müsst das Buch nicht lesen, es gibt auch einen Film, der heisst identisch.
Aber werfen wir einen Blick auf das Bild und die weiteren Bildelemente, die man erkennen kann. Ein Haus. Ein See mit Fischen. Eine Sonne. Ein Baum. Eine Blume. Ein Schmetterling. Zwei halbe Regenbögen. Eine Person im Türrahmen. Das Haus hat eine Etage. Geranien vor den Fenstern.
Der echte Psychologe erkennt sofort, wie schwer hier eine Wahrnehmungsstörung vorliegt. Das Ausmaß dieser Verhaltensauffälligkeit ist so enorm, dass man nur vor solchen Menschen mit so einer Persönlichkeitsstörung warnen kann. Ja warnen muss.
Denn die Fische im Teich stellen offenbar die Kunden da, die so leicht zu ködern waren. Wie mit einem großen Treibnetz musste man sie nur aus dem Meer von Geld der vernetzten und undurchsichtigen Anlageberatungen ziehen.
Und nun? Sie warten gerade zu darauf. Die Fische warten, dass die Fischzüge weiter gehen. Ja sie betteln darum, dass es wieder weiter geht. Nehmt uns die Existenz - Bitte.
Aber da steht dieser isolierte und frustrierte Mensch im Haus. Er ist nicht beim Angeln. Offensichtlich kann oder darf er nicht angeln. Keine Boote in Sicht. Keine Netze - nichts. Man hat dem Mensch die Instrumente genommen, womit er seiner Tätigkeit nachgeht. Jetzt kann er nur die Geranien gießen und muss auf besseres Wetter warten.
Denn der große Regen der Beschuldigungen und Anklagen ist gerade erst auf sie herunter geprasselt. Das sieht man an den Regenbögen. Die zeugen davon, dass es gerade erst aufgehört hat zu regnen. In der Zwischenzeit ist zum Glück aber nicht alles so trüb und aussichtslos. Denn jemand hat eine blühende Pflanze zur Verfügung gestellt. Und der Schmetterling ist der Beweis für die Fruchtbarkeit dieser Pflanze.
Die Pflanze steht eindeutig für die staatliche Förderung, welche dem Banker über das Schlimmste hinweg hilft. Aber er ist gefangen zwischen dem Überfluss der staatlichen Förderungen und dem Überfluss an Kunden-Fischen im Meer des Geldes.
Deshalb resümiert er: Wir sind die Guten. Wie haben doch nur das getan, worum die Fische bettelten. Wir haben doch nur das genommen, was der Staat uns angeboten hatte. Ist das nicht zutiefst menschlich? Wer würde das nicht tun?
Darum ist der Banker traumatisiert. Er versteht die Welt nicht mehr. Es ist wie bei Frau Honecker oder nach dem dritten Reich. Viele haben doch nur ihre Pflicht erfüllt. Darum können diese nicht verstehen, dass an einem Tag noch alles mit rechten Dingen zu ging und am nächsten soll alles falsch gewesen sein? Das kann doch nicht sein. Die Fische wollten es doch auch. Das sieht man doch.
Lieber Banker, doch das kann sein. Es kommt noch schlimmer. Es ist so. Wer sich in einem Rechtsstaat und einer sozialen Marktwirtschaft Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit verschafft, weil er eine Lücke im System entdeckt hat, die keiner vorher berücksichtigen konnte, weil niemand so habgierig denken wollte. Dann trifft einen eine besondere Form von Schuld: Die moralische. Das ist so, als ob man ein Portmonaie findet, in dem Kreditkarte, Bargeld und vieles mehr sind. Dann hat man mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen. Ihr habt eine Form gewählt, die wir unseren Kindern nicht beibringen wollen und nicht beigebracht haben. Das macht man nicht, auch wenn man kann und keiner zuschaut. Das ist ein Prinzip unserer Gemeinschaft. Ein Gutes.
Unser Land lebt davon. Der Schutz der Demokratie ebenfalls, das wir Menschen sind, die eine Haltung haben. Diese ist geprägt von einem Gerechtigkeitssinn. Diese Haltung steht nicht bis ins Detail in Gesetzbüchern. Das ist nicht möglich. Diese Haltung vermittelt einem das Gefühl, wenn etwas gut ist oder wenn etwas schlecht ist. Und daran sollte man sich einfach halten. Wenn etwas gut ist und wenn etwas schlecht ist. Gut - schlecht.
«Wir sind die Guten?» Nein, ihr seit nicht die «Guten». Ihr wart einmal vor langer Zeit die Guten. Dann wurdet ihr zu den Schlechten. Zur Zeit seit ihr noch immer die Schlechten, was das Bild eindrucksvoll beweist. Aber auch wir geben Euch die Chance und die Zeit Euch wieder zum Guten zu wenden. So sind wir. Die mit der Moral. Über die ihr euch so aufgeschüttet habt vor lachen und es immer noch macht. Wie das Bild zeigt.
Dafür haben wir Euch viel Geld geben. Und wir haben euch bis jetzt in der Fußgängerzone noch nicht verprügelt. Aber so ein Bild in einem Besprechungszimmer der HypoVereinsbank aufzuhängen, in dem ein schlecht vorbereiteter, unpünktlicher, unaufmerksamer, gefühlsloser und arroganter Berater einer Frau mitteilt, dass der Kredit für eine Wohnung, die ihrem gerade verstorbenen Bruder gehört hatte, nicht verhandelbar und veränderbar ist und bei dessen Angaben der Abtragszahlung er sich auch noch verrechnet hat. Die für viel zu viel Geld bewertet und verkauft wurde, so dass ihr die HypoVereinsbank unglaublich viel am Kredit verdient habt und nun noch über den Tod verdienen wollt. Eine Wohnung, deren Verkehrswert zwischen 30 bis 40 EUR angegeben wird. Die am Ende 100.000 EUR gekostet haben wird. Von der ihr nicht mal ein Gutachten beim Kauf gemacht habt. Weil ihr euch mit den Vermittlern so einig wart. Was für ein Geschäft. Und die Fische im Teich sind euch alle ins Netz gegangen. Die zahlen 70.000 EUR mehr als der Wert der Wohnung. Diese Menschen, habt ihr in die Verzweiflung in den Ruin getrieben. Die konnten sich leider keine teuren Anwälte leisten. Und die hatten auch keine Politiker in ihrem Aufsichtsrat.
Ihr habt so viel unendliches Leid und Trauer über Menschen in diesem Land gebracht. Habt euch hinter der Gier der Menschen versteckt. Mit dem Satz: Die sind doch selbst schuld, warum sind die auch so gierig? Aber der Satz funktioniert nicht. Nicht wirklich. Denn wie ich schon beschrieben habe, diese Menschen haben euch vertraut. Die haben sich euch anvertraut. Sie fühlten sich verbunden mit euch. Und genau an diesem Punkt, habt ihr Schuld auf euch genommen. Ihr habt alle diese Menschen verraten und betrogen. Ihr habt das in euch gesetzt vertrauen missbraucht. Die waren nicht gierig. Die waren sehr zutraulich.
Denn die haben das alles nicht geprüft und verstanden, weil sie euch vertraut haben. Wie sich eure Existenz nun anfühlt, wenn euch niemand mehr vertraut, das spürt ihr ja jetzt. Darum ist genau dieser Satz: «Wir sind die Guten», der Grund, warum wir, «die nicht Guten», euch wohl nie mehr vertrauen sollten.
«Wir sind die Guten», ist nicht nur der Satz eines Psychopaten. Sondern er ist auch noch zynisch und beleidigend. Er zeigt wie wenig ihr mit der Wirklichkeit umgehen könnt.
Der Satz ist dumm. Sehr dumm. Ich hoffe, dass viele diese Zeilen gelesen haben und dieses Bild sehen. Dass alle Menschen euch ständig und überall darauf hinweisen, was moralische Verantwortung gegenüber sich selbst, den Menschen und einem Land bedeutet. Dass es nicht darum geht, in einem so wunderbaren Land eine Lücke im System zu finden und diese erbarmungslos auszunutzen, sondern genau das nicht zu tun.
Um bei dem oben beschrieben Bild zu bleiben, gebt das Portmonee einfach dem rechtmäßigen Besitzer zurück. Entdeckt die Moral, die auf einem guten Weg war, aus diesem Land ein besonderes zu machen. Aus einer gewissen moralischen Verpflichtung. Moral. Wenn ihr nicht wisst was das ist, fragt nicht die Unternehmensberater, sondern ein Kind in der U-Bahn. Einen älteren Mann im Park auf einer Bank. Eine Mutter. Eigentlich könnt ihr alle Fragen, außer euch selbst.