Dienstag, 23. Juni 2009
Tag des öffentlichen Dienstes
Welcher Termin könnte besser sein für mein heutiges Thema. Jawoll, heute ist der Tag des öffentlichen Dienstes. Macht mich ja schon misstrauisch, dass es einen solchen Tag gibt.
Jedenfalls musste ich letzte Woche ins Kreisverwaltungsreferat. Das ist in München so ein typischer Never-Come-Back-Bau, als säße Friedrich Nietzsche persönlich vorm Eingang und warte vergeblich auf Einlass beim jüngsten Gericht oder hätte George Orwell dieses Gebäude vor Augen gehabt, als er das Ministerium für Gutsprech 1984 beschrieb.
Bei meinem ersten Besuch in dieser Sache kam ich gegen 20 Minuten vor 08:00 Uhr, in der Meinung, es sei noch nicht so voll. Irrtum. Es war voll. Allerdings nicht drinnen, sondern schon draußen vor den Toren. Die öffnen nämlich erst um 08:00. Eine Behörde in einer Großstadt, die erst um 08:00 Uhr öffnet? Da heißt es ja gleich Urlaub nehmen für jeden Gang nach Canossa. Auch die Tiefgarage wurde von einer bis an die Zähne bewaffneten Uniformierten verteidigt als ich um 07:34 Uhr einfahren wollte. Da könnte ja jeder kommen und den kostbaren Parkbeton schon vor 08:00 Uhr abnutzen und in der kalkulierten Lebensdauer deutlich ramponieren. Jedenfalls wurden die Tore um Punkt 8 geöffnet, so dass die 10.000 Wartenden sich gemütlich Tsunami-gleich ins Gebäude stürzen und verteilen konnten. Drinnen fallen die vielen Leute kaum auf. Es ist riesig dieses Dingens. Nur der Info-Point, zu dem man gehen muss, um eine Nummer und ein Formular oder mehrere zu ziehen, wird umlagert als würde die Hofpfisterei ihre Brotpreise schon morgens halbieren.
Jedenfalls, ich schweife ab, sollte ich beim nächsten Besuch nur an der Kasse den fertigen Ausweis abholen kommen.
Jetzt mein nächster Besuch. Direkt schon schlau kam ich so, dass ich um 08:01 ins Parkhaus einfahren konnte und direkt in den 1. Stock durchmarschierte. Komisch, es kam mir so leer vor plötzlich. Also nicht leer, sondern leer, still, mucksmäuschen. Aber meine Uhr zeigte 08:05 Uhr, morgens, MEZ. Der erste Info-Point war geschlossen. Auch der nächste. Keine Leute! Himmel, was ist passiert? Da, die Kasse! Tatsächlich drinnen sitzt eine gelangweilte junge Frau mit gelbrotenlila Haaren. Aber keine Leute. Ich sage also, dass ich meinen Ausweis abholen möchte. Antwort: Da brauchen Sie einen Laufzettel. Ich: Ich wollte nur meinen Ausweis abholen. Da brauchen Sie einen Laufzettel. Ich: Was ist das? Ich möchte nur meinen Ausweis abholen. Es hieß, ich brauche nur zur Kasse zu kommen. Antwort: Einen Laufzettel, den bekommen Sie bei den Kollegen hinter dem Info-Point. Aber heute ist zu, versetzte sie mir den Todesstoß. Heute ist für den öffentlichen Verkehr geschlossen. Ich: Wie? Zu? Es ist Mittwoch. Morgens. 08:15 Uhr MEZ. In München. Weltstadt mit Herz.
Mit zu allem entschlossenen Schritt ging ich um die Ecke zu meinem geschlossenen Info-Point. Tatsächlich. Ganz hinten, in einer Reihe Formulare, unsere Öffnungszeiten, mittwochs für den Publikumsverkehr geschlossen. Todesmutig ging ich an die Tür, vor der ich schon vor vier Wochen auf Einlass hoffte. Sie war offen. Drinnen saß ein Mann, ein Mensch. Jemand, der arbeitet.
Ich denke, er erkannte mich, obwohl ich bei seiner Kollegin gewesen war. Jedenfalls interpretierte ich so seinen überraschten Ausdruck am Mittwochmorgen mit plötzlichem Publikumsverkehr. Er hatte wohl vergessen, seine Tür von innen abzusperren.
Bevor er etwas sagen konnte, fragte ich ihn, ob es stimmt, dass hier tatsächlich zu ist an einem Mittwoch. Ja, meinte er, schon immer. Für interne Zwecke. Postverkehr und so. Wie früher der Friseusenmontag scherzte ich. Er fragte, was ich hier wolle. Jetzt kommt’s dachte ich. Na, ja. Meinen Ausweis abholen. Leider, sagte er. Ob ich morgen um 08:00 nochmals kommen könne. Ich kann dann gleich bei ihm reinkommen, ohne zu warten. Als ich überlegte (ich war mir nicht sicher, ob ich morgen Zeit haben würde), meinte er noch. Moment Mal. Ich schau mal, ob ich da reinkomme. Am Mittwoch. Er gab verschieden Adressen in seinen PC ein. Ich bin drin, triumphierte er. Jetzt muss ich schauen, ob Ihr Antrag durch ist und dann einen Barcode drucken. Damit bekomme ich Ihren Laufzettel und dann…
Ehrgeiz hatte ihn gepackt. Jetzt lag es an mir, still zu sein. Die Magie des Augenblicks nicht zu zerstören. Nach einigen Minuten, hörte ich ein: So! Und ein Drucker sprang an. Er strahlte: Hier ist Ihr Laufzettel. Gehen Sie zur Kasse und holen Ihren Ausweis ab. Jetzt!
Die Rotgelblilane gibt mir keinen Ausweis, wandte ich ein. Er rief dort an: Gleich
kommt Herr F. Gibst Du ihm seinen Ausweis? Bitte sehr.
Ich ging zurück zur Kasse, schob meinen Laufzettel durchs Panzerglas und erntete eisige Blicke und einen neuen Ausweis. Ungläubig ging ich zurück, um mich bei Herrn - ich nenne ihn jetzt einfach mal: Engel - zu bedanken. Er meinte nur: Gern geschehen.
Ganz betäubt von diesem Erlebnis schwebte ich hinunter durch Menschen leere Korridore in die ebenso leere Tiefgarage. Ab sofort lasse ich nie wieder irgend etwas auf den öffentlichen Dienst kommen. Der hat ab sofort wieder was gut bei mir. Kurz überlegte ich noch, meinen Parkplatz zu kehren. Was soll man dazu sagen? Ich plädiere ab sofort für den „Tag des öffentlichen Verkehrs“. Aber nicht, dass jetzt alle nur noch am Mittwoch kommen.
Jedenfalls musste ich letzte Woche ins Kreisverwaltungsreferat. Das ist in München so ein typischer Never-Come-Back-Bau, als säße Friedrich Nietzsche persönlich vorm Eingang und warte vergeblich auf Einlass beim jüngsten Gericht oder hätte George Orwell dieses Gebäude vor Augen gehabt, als er das Ministerium für Gutsprech 1984 beschrieb.
Bei meinem ersten Besuch in dieser Sache kam ich gegen 20 Minuten vor 08:00 Uhr, in der Meinung, es sei noch nicht so voll. Irrtum. Es war voll. Allerdings nicht drinnen, sondern schon draußen vor den Toren. Die öffnen nämlich erst um 08:00. Eine Behörde in einer Großstadt, die erst um 08:00 Uhr öffnet? Da heißt es ja gleich Urlaub nehmen für jeden Gang nach Canossa. Auch die Tiefgarage wurde von einer bis an die Zähne bewaffneten Uniformierten verteidigt als ich um 07:34 Uhr einfahren wollte. Da könnte ja jeder kommen und den kostbaren Parkbeton schon vor 08:00 Uhr abnutzen und in der kalkulierten Lebensdauer deutlich ramponieren. Jedenfalls wurden die Tore um Punkt 8 geöffnet, so dass die 10.000 Wartenden sich gemütlich Tsunami-gleich ins Gebäude stürzen und verteilen konnten. Drinnen fallen die vielen Leute kaum auf. Es ist riesig dieses Dingens. Nur der Info-Point, zu dem man gehen muss, um eine Nummer und ein Formular oder mehrere zu ziehen, wird umlagert als würde die Hofpfisterei ihre Brotpreise schon morgens halbieren.
Jedenfalls, ich schweife ab, sollte ich beim nächsten Besuch nur an der Kasse den fertigen Ausweis abholen kommen.
Jetzt mein nächster Besuch. Direkt schon schlau kam ich so, dass ich um 08:01 ins Parkhaus einfahren konnte und direkt in den 1. Stock durchmarschierte. Komisch, es kam mir so leer vor plötzlich. Also nicht leer, sondern leer, still, mucksmäuschen. Aber meine Uhr zeigte 08:05 Uhr, morgens, MEZ. Der erste Info-Point war geschlossen. Auch der nächste. Keine Leute! Himmel, was ist passiert? Da, die Kasse! Tatsächlich drinnen sitzt eine gelangweilte junge Frau mit gelbrotenlila Haaren. Aber keine Leute. Ich sage also, dass ich meinen Ausweis abholen möchte. Antwort: Da brauchen Sie einen Laufzettel. Ich: Ich wollte nur meinen Ausweis abholen. Da brauchen Sie einen Laufzettel. Ich: Was ist das? Ich möchte nur meinen Ausweis abholen. Es hieß, ich brauche nur zur Kasse zu kommen. Antwort: Einen Laufzettel, den bekommen Sie bei den Kollegen hinter dem Info-Point. Aber heute ist zu, versetzte sie mir den Todesstoß. Heute ist für den öffentlichen Verkehr geschlossen. Ich: Wie? Zu? Es ist Mittwoch. Morgens. 08:15 Uhr MEZ. In München. Weltstadt mit Herz.
Mit zu allem entschlossenen Schritt ging ich um die Ecke zu meinem geschlossenen Info-Point. Tatsächlich. Ganz hinten, in einer Reihe Formulare, unsere Öffnungszeiten, mittwochs für den Publikumsverkehr geschlossen. Todesmutig ging ich an die Tür, vor der ich schon vor vier Wochen auf Einlass hoffte. Sie war offen. Drinnen saß ein Mann, ein Mensch. Jemand, der arbeitet.
Ich denke, er erkannte mich, obwohl ich bei seiner Kollegin gewesen war. Jedenfalls interpretierte ich so seinen überraschten Ausdruck am Mittwochmorgen mit plötzlichem Publikumsverkehr. Er hatte wohl vergessen, seine Tür von innen abzusperren.
Bevor er etwas sagen konnte, fragte ich ihn, ob es stimmt, dass hier tatsächlich zu ist an einem Mittwoch. Ja, meinte er, schon immer. Für interne Zwecke. Postverkehr und so. Wie früher der Friseusenmontag scherzte ich. Er fragte, was ich hier wolle. Jetzt kommt’s dachte ich. Na, ja. Meinen Ausweis abholen. Leider, sagte er. Ob ich morgen um 08:00 nochmals kommen könne. Ich kann dann gleich bei ihm reinkommen, ohne zu warten. Als ich überlegte (ich war mir nicht sicher, ob ich morgen Zeit haben würde), meinte er noch. Moment Mal. Ich schau mal, ob ich da reinkomme. Am Mittwoch. Er gab verschieden Adressen in seinen PC ein. Ich bin drin, triumphierte er. Jetzt muss ich schauen, ob Ihr Antrag durch ist und dann einen Barcode drucken. Damit bekomme ich Ihren Laufzettel und dann…
Ehrgeiz hatte ihn gepackt. Jetzt lag es an mir, still zu sein. Die Magie des Augenblicks nicht zu zerstören. Nach einigen Minuten, hörte ich ein: So! Und ein Drucker sprang an. Er strahlte: Hier ist Ihr Laufzettel. Gehen Sie zur Kasse und holen Ihren Ausweis ab. Jetzt!
Die Rotgelblilane gibt mir keinen Ausweis, wandte ich ein. Er rief dort an: Gleich
kommt Herr F. Gibst Du ihm seinen Ausweis? Bitte sehr.
Ich ging zurück zur Kasse, schob meinen Laufzettel durchs Panzerglas und erntete eisige Blicke und einen neuen Ausweis. Ungläubig ging ich zurück, um mich bei Herrn - ich nenne ihn jetzt einfach mal: Engel - zu bedanken. Er meinte nur: Gern geschehen.
Ganz betäubt von diesem Erlebnis schwebte ich hinunter durch Menschen leere Korridore in die ebenso leere Tiefgarage. Ab sofort lasse ich nie wieder irgend etwas auf den öffentlichen Dienst kommen. Der hat ab sofort wieder was gut bei mir. Kurz überlegte ich noch, meinen Parkplatz zu kehren. Was soll man dazu sagen? Ich plädiere ab sofort für den „Tag des öffentlichen Verkehrs“. Aber nicht, dass jetzt alle nur noch am Mittwoch kommen.
Geschrieben von Kai Falkenberg
in München
um
18:18
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