Donnerstag, 27. Oktober 2011
Die Eskalationswelle, die alles mit sich reißt.
Manchmal geraten die Dinge außer Kontrolle. Sie eskalieren. Und zwar so sehr, dass die Belastung und der Kontollverlust kaum auszuhalten ist. Plötzlich stellt sich alles anders da, macht sich Verwirrung breit. Die Dinge entgleitem einen. Alles erscheint verdreht. Egal was man macht oder sagt, es wird alles nur noch schlimmer. Die Eskalation verselbstständigt sich. Man scheint keinen Einfluss mehr auf den Lauf der Dinge ausüben zu können.
Es ist wie bei einer Massenpanik, einer, die in Kleinstform in uns selber abläuft. Im Falle einer Massenpanik ist es wenig zielführend, die Situation ausdiskutieren zu wollen. An die Vernunft zu applieren. Einhalt gebieten zu wollen. Sich um die Objektivierung der Lage zu bemühen. Wo Panik herrscht, da ist alles zu spät.
Niemanden zieht es freiwillig in die Eskalation – die aber auch niemand zu verhindern weiß. Ein Wort ergibt das andere. Und jeder vermag die Dinge nur noch aus seiner, im Eifer des Gefechtes: verengten Perspektive betrachten. Diese wird mit zunehmender Eskalation immer kleiner und kleiner. Und dann wirkt jedes weitere Wort so, als würde Öl ins Feuer der Eskalation gegossen.
Warum gibt es da keinen Notstop? Keine Fluchttüre? Warum sind solche Ketten-Überreaktionen nicht aufzuhalten? Warum führen sie oft bis zum Äußersten? Jedwede Sachlichkeit, das schwächste Glimmen eines Bemühen um Objektivität und Verständigung bis hin zum Denken in vernünftigen Mustern, all das ist gänzlich erloschen. Obwohl jeder von seiner eigenen Position felsenfest überzeugt ist, dass er völlig im Recht sei und (als einziger!) bei klarem Verstand. Es sind ja doch die Anderen, denen Ungerechtigkeit und mangelnde Fairness zueigen sind. Die Sicht auf den eigenen Beitrag zum Ganzen, die bleibt in der Regel versperrt. Dem Gegenüber leider auch.
Da der Respekt im Umgang miteinander innerhalb einer Partnerschaft sehr wertvoll ist, wird an dieser Stelle viel davon wie kostbares Porzellan zerschlagen. Warum das? Das mag daran liegen, dass Abhängigkeiten bestehen, Befürchtungen Ängste stimulieren, die eine so lückenhafte Interpretation überhaupt zulassen.
Das ist wie mit der Eifersucht, die meist grundlos das Vertrauen erst erschüttert und später zerstört. Obwohl eigentlich gar nichts passiert ist. Und wenn die Eifersucht eskaliert, dann zerstört sie auch den gegenseitigen Respekt. Was eine Partnerschaft schwer zu belasten vermag. Und für was das alles? Für nichts. Eskalation zerstört sinnlos. Stiftet Ausweglosigkeit.
Und das nur, weil an einem Punkt die Kommunikation Fehler aufwies und die Verständigung behinderte. Das Vorliegen kommunikativer Mängel wird von den Betroffenen nicht bemerkt, so dass auf Grundlagen der emotionalen Dynamik der Konflikt an Fahrt aufnimmt, brutal beschleunigt, und dann schnell ins schleudern gerät. Und schon ist sie da, die Eskalation.
Wie hilfreich wäre es, gäbe es Warnhinweise! Ein Messgerät, dass die Überhitzung der Situation bemerkt und eine Lampe blinken, ein Horn unüberhörbar tönen lässt. Am besten beides zugleich.
Aber dem ist nicht so. Wir können zwar erkennen, dass die Öl-Temperatur im Auto bedrohlich steigt. Und wir erkennen ebenso, dass wir einer technischem Eskalation Einhalt gewähren können. Aber in uns selber? Da ist es eine Frage des Alters, der Erfahrungen, des Temperaments und sicher auch der sozialen Intelligenz, ob Warnsignale die mentale Schaltzentrale erreichen. Mein Hochachtung vor den Besonnenen unter uns.
Eskalation hat nichts mit der Sache an sich, sondern immer nur mit den Menschen zu tun. Die Sachebene gerät in den Hintergrund, die Kontroverse wird plötzlich persönlich. Eben noch ging es um ein Thema, plötzlich um mich. Und das eine vom anderen zu trennen, das fällt manchen Menschen überaus schwer. Die nehmen mehr Dinge persönlich als es nachweislich gesund ist. Bedeutet Empathie also Gefahr? Wenn sie derart falsch verstanden wird, dann mit Sicherheit.
Dienstag, 25. Oktober 2011
Sensibles Thema
Wie sensibel bin ich eigentlich? Wie misst man Sensibilität überhaupt? Wann ist man genügend sensibel für die eigenen Ansprüche und die seiner Umwelt? Wann ist man womöglich zu sensibel? Sensibilisiert zu sein, was bedeutet eigentlich das? Oder unsensibel, meint das: keine Sensibilität zu besitzen? Dir fehlt es an Sensibilität! Mein Gott, bist du aber sensibel!
Sensibelchen, wo fangen die an und wo hören sie wieder auf? Mit dem Begriff und dem zugehörigen Gefühl verbinde ich eine ausgeprägte Verunsicherung. Hat es davon doch immer entweder zu viel oder zu wenig. So wie es einem unter diesen alten Schwimmbadduschen geht, unter denen man sich entweder verbrüht oder verkühlt. Man schafft es einfach nicht, die richtige Mischung einzustellen. Millimeter liegen zwischen heiss und kalt, und der Punkt wandert hin und her. Was die jeweils gebotene Sensibilität ist, das lässt sich schlimmstenfalls nicht einmal erlernen. Erklären kann das soundso niemand. Geschweige denn, dass es irgendwo geschrieben steht. Wann nimmt man sein Gegenüber in den Arm, und wann lässt man das besser bleiben? Wann gilt es zu schweigen? Wann ist es zuviel davon? Und wann bleibt es zu wenig? Vorwürfe. Wenn ich an Sensibilität denke, spüre ich Vorwürfe und Blicke. Bohrende Blicke in meinem Rücken. Blicke, die sich abwenden.
Lässt sich Sensibilität gedanklich ergründen? Es lässt. Mit der Kraft der Gedanken alleine? Oder sollten wir besser nachempfinden, hineinspüren, fühlend ertasten? Nur, warum eigentlich. Ist das Gefühlte denn weniger wert als das Gedachte? Glaub' ich nicht, ganz im Gegenteil. Aber man spürt das so und man sagt es so. Obwohl einem klar ist, dass es wohl nicht stimmt. Die Grenzen verschwimmen. Es gibt keine Übergänge. Sensibilität ist so flach und tief wie die stille Wasseroberfläche eines ruhenden Sees.
Wie gerne würde ich von mir behaupten, sensibel genug zu sein. Sensibel genug um zu spüren, wann es soweit ist. Und wann noch nicht. Aber beim Thema der Sensibilität fühle ich wachsweiche Unsicherheit in mir. Ich bin durchweg unschlüssig. Es melden sich andauernd Zweifel über die richtige Einordnung der Gefühlslage. Ist das, was gerade ist, der Sensibilität, der Empathie, dem Mitleid, Mitgefühl, der Furcht oder der Lust zuzuordnen? Es gibt doch so viele Gefühle, die einem den lieben langen Tag begegnen. Die kommen und gehen, überlagern sich, bekämpfen sich. Man kann deren Herkunft und Bestimmung nicht eindeutig festlegen. Jedenfalls kann ich das nicht. Manchmal geraten meine Gefühl sogar ziemlich durcheinander: Ich sollte leiden, empfinde aber Lust. Ich sollte trauern, empfinde aber Lebendigkeit. Oder anders herum. Ist das noch normal? Ist das sensibel? Oder ist das krank zu nennen?
Gefühle sind nicht wie Worte, die sich auseinanderdividieren lassen. Wie Blumen, die man identifizieren kann. Das Gefühle verschwimmt in einem ganzen Gefühls-Ozean. Sind sensible Menschen sich klarer über ihre Gefühle als unsensible? Oder unklarer? Jedenfalls sind Fingerkuppen sensibel. Und die Haut ist es auch.
Vielleicht ist Sensibilität der Blick durch den Frühnebel, der nur erahnen lässt, was da ist, auf uns zu kommt oder hinter den Schwaden verborgen sein mag. Eventuell können sensible Menschen mehr sehen, besser hören, feiner fühlen. Weil sie die Fähigkeit besitzen, den Nebel unserer Wahrnehmung geschickter zu durchdringen. Sensible Menschen ahnen vorher, was nachher sein wird.
Ich glaube, ich wäre gerne sensibel. Für jetzt kann ich das nicht von mir behaupten. Allein deshalb, weil ich nicht weiß, woran das zu erkennen oder wie es zu messen ist. Schade eigentlich.
Das ist nicht witzig.
Wir leben wie im Film. Für die Öffentlichkeit. Etwa am Arbeitsplatz oder wo auch immer, wir bewegen und verhalten uns nur noch wie vor laufender Kamera. Wir posieren, gestikulieren, wir verbalisieren, wir stellen uns dar wie auf der Bühne.
Alles das, was das wirkliche Leben ausmacht, findet nicht mehr statt. Außer es fügt sich in den Dreh ein. Der Tod unserer Eltern passt da gar nicht gut ins Bild. Dabei hat doch jeder, der sich im Café in Szene setzt, einen Vater und eine Mutter. Aber die sind entweder da und bei Kräften, oder sie sind plötzlich weg. Aber das ist nur die graue Theorie.
In der Realität gibt es morbide Pflegefälle, plötzliche Notfälle, die jahrelange Versorgung erforderlich machen, die manchmal eine schiere Ewigkeit dauert. Aber, erstaunlich genug, nichts davon findet seinen Weg in die Öffentlichkeit.
Wenn Menschen leiden, krank sind oder sterben, dann passt dass nicht zur Inszenierung der schönen heilen Welt, in die wir Tag für Tag so viel Zeit investiert. Da muss alles passen, sitzen und klappen. Erfolg ist angesagt, den wollen wir vor Augen haben, den sollen wir darbieten.
Wie passen zu dieser Rolle so unappetitliche, das schöne Bild schwächende Aspekte? Sie werfen störende Schatten. Das ist so, als ob der Hauptdarsteller im Film kacken würden. Mit sound surround. Oder onanieren. Oder andere Dinge des daily life absolvieren würden, über die wir den gnädigen Mantel des Schweigens breiten. Popeln während der Autofahrt. Furzen im Flur. All das findet nicht statt.
Wir sind doch eigentlich Menschen ohne all diese Hässlichkeit. Wir sind straight, cool, sexy, entspannt, allwissend, sportlich und brutal erfolgreich. Tolle Ehe. Tolle Kinder. Tolle Hobbys. Alles toll.
Wenn da nur nicht diese Wirklichkeit wäre. Die einen Zeit, Geld und reichlich Nerven kostet. Und ganz neben auch noch die Gesundheit annagt. Ich habe einen Fall miterlebt von einem Menschen, dem ist innerhalb von sage und schreibe drei Wochen die Mutter gestorben, er hat den Job verloren, die Freundin ist ihm gestorben. Und dann ist er selber auch noch mit einer schweren Erkrankung, die ihn nun zeitlebens verfolgen wird, ins Krankenhaus eingeliefert worden. Nun ist er Single. Ohne Job. Krank und ohne Eltern. Und ich weiss jetzt schon, wenn ich ihm in der Stadt begegne, wird er rüberkommen wie alle anderen. Als wäre nichts gewesen. Lässig Antworten wird er geben: Gut, passt schon!
Da stimmt doch was nicht im System - oder?
Wir können nur existieren und überleben im System, wenn wir durchweg erfolgreich sind. Und wenn alles das, was wir ausstrahlen, diesen Erfolg sichtbar macht. Wer will schon mit Loosern zusammenarbeiten. Oder mit Menschen, die Probleme erleiden. Oder die Zeit, Geld und Nerven in etwas anderes investieren müssen, als in ihre Erfolgsstory. Menschen, die ihre Kinder erleben wollen, die ihre sterbenden Eltern begleiten wollen, die mit sich mal alleine seinen müssen, die nicht nur in Status und Ansehen investieren wollen, haben es auf Dauer nicht nur schwer. Sie haben schlichtweg keine Chance.
Die andern sind gesund und top fit. Sie verursachen weniger Kosten, weil sie ja keine Familie ernähren müssen. Sind total flexibel, weil sie ja keine Partnerschaft pflegen müssen. Deshalb ist es für die Karriere am Besten, wenn die Grosseltern entweder früh ableben oder einfach umfallen sind. Von Vorteil ist ebenso: keine Kinder und keine Beziehung. Nicht mal ein Hund. Am besten an nichts binden, von dem Du dich nicht innerhalb von 30 Sekunden trennen kannst.
Nicht rauchen. Nicht trinken. 5 x Sport die Woche. Keine Kosten verursachen. Und immer schön unter 40 bleiben. Und nur für den Erfolg leben. Dann könnte es klappen mit dem dauerhaften Erfolg. Wer die Regeln einhält, bekommt sogar einen Job. Der ist dann zwar beschissen bezahlt, aber das sieht einem ja keiner an, hinter der Sonnenbrille im Café. Und dass das alles auf Pump finanziert ist, fällt ebenfalls nicht auf. Den Schauspielern im Film gehört ja auch nichts von dem, was die so mit sich rumtragen, alles nur Requisite. Wie im wirklichen Leben, in dem alles zur Requisit gerät. Hauptsache die Inszenierung ist geil.
Das ist echt nicht zum Lachen.
Mittwoch, 19. Oktober 2011
Aufgaben erfüllen statt Arbeit verrichten
Achtung ein Tagtraum: Auf der einen Seite habe ich das ungute Gefühl, dass Viele immer mehr, in immer kürzerer Zeit für immer weniger Geld erledigen müssen. Sonst haut das mit der krankhaften Gewinn-Optimierung nicht mehr hin.
Auf der anderen Seite frage ich mich, warum arbeiten eigentlich noch so viele? Warum erledigen nicht die Maschinen und die Technik all die Arbeit für uns? Warum ist es nicht schon längst zum Privileg geworden, überhaupt noch arbeiten zu dürfen? Wäre es nicht unglaublich schlau, wenn man Prozesse so optimiert, dass diese den Menschen immer weniger benötigen?
Damit der Mensch zunehmend frei von jeglichem Arbeiten wird. Und dadurch erheblich wichtigeren Dingen nachgehen kann. Er kann sich um Kinder kümmern und um die Alten. Um Sprachen, Musik, Kunst und Kultur. Um seine Gesundheit und die anderer. Er kann sich und andere bilden, er kann dem Gemeinwesen dienen.
Er kann neue Interessen entwickeln und diesen intensiv nachgehen. Wenn wir schlau wären, dann würden wir uns doch keine Arbeit machen. Es ging doch nie um die Arbeit, sondern um das Geld das man mit dieser verdient. Die Arbeit hat für uns keinen Selbstzweck. Als ob dem Menschen nichts anderes einfiele, außer zu arbeiten!
Wenn man all seine Intelligenz, alle Ideen darauf konzentrieren würde, nicht den Gewinn zu optimieren - davon haben wir nämlich gar nichts - sondern die Produktivität. Am Ende dieser Nachdenklichkeit müssten nur ganz wenige Menschen überhaupt noch arbeiten. Und zwar deshalb, weil wir so produktiv sind, dass wir uns den wesentlichen viel wichtigeren Aspekten des menschlichen Daseins zuwenden könnten.
Wir wären so produktiv das wir ganz viel Zeit und Kapital zur Verfügung hätten. Und diese ganze Zeit und das viele Kapital investieren wir in das, was das Leben für alle besser macht. Die Frage die sich nur jeder stellen müsste wäre die, was er dazu tun könnte. Den Menschen, die Zeit ihres Lebens ausschließlich gearbeitet haben, fehlt es ganz entscheidend an Dingen, die sie wahrhaftig interessieren. Von der Arbeit zur Aufgabe. Ein Aufage erfüllen, die einen glücklich macht. Wir sollten uns darauf konzentrieren immer weniger zu Arbeiten und uns immer mehr wesentlich wichtigeren Aufgaben zu widmen.
Das ganze Leben eine grosse Herzensangelegenheit. Jeden Tag von der Hingabe und der Leidenschaft beflügelt. Vom Miteinander getragen. Immer dieses schöne kribbeln im Bauch, etwas sinnvolles zu tun.
Was für eine wunderschöne Vorstellung. So! Zurück an die Arbeit.
Donnerstag, 13. Oktober 2011
Bemeisen auf dem Holzweg.
Jeder kennt gewöhnliche Ameisen, aber kennt ihr auch die größeren Bemeisen? Bemeisen sind um einiges größer, kräftiger und seltener. Hat jemand schon mal Bemeisen gesehen? Willst du mal echte Bemeisen sehen? Dann schau bitte in dem Rucksack nach, den der Bär auf dem Rücken trägt, den ich Dir gerade aufgebunden habe.
Die Geschichte mit den Bemeisen ist leider wahr. Und kein Geringerer als ich selbst bin als 8-jähriger bei einer Wanderung durch den Wald, dieser Erzählung meiner Geschwister auf den Leim gegangen. Warum erzähle ich diese Geschichte? Weil ich verdeutlichen will, dass man uns allen viel erzählen kann, wenn der Tag lang ist.
Wer die Lüge, die Täuschung nicht als normales Werkzeug nutzt und einsetzt, um durch den Alltag und sein Leben zu marschieren, der glaubt erst mal das, was man ihm sagt. Wenn diese Lüge dann auch noch in der Zeitung steht. Oder in den Nachrichten zu hören ist. Oder von bekannten und respektierten Persönlichkeiten zu hören ist. Wer es von Experten hört. Wer es von Vertrauten hört.
Wer es hört, der glaubt es erst einmal. Keine Geschichte ist absurd genug, dass man nicht daran glauben könnte. Hier liegt der Hase im Pfeffer.
Wir gehen nicht grundsätzlich davon aus, dass man uns anlügt. Wichtige Teile der Wahrheit weglässt. Wesentliche Aspekte hinzudichtet. Und genau auf diese Prämisse baut unser ganzes gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches System auf. Die Menschen kaufen einem alles ab, auch wenn es noch so verrückt klingen mag. Das Allerbeste ist aber, dass der Mensch zudem noch vergisst. Oder Dinge aus der Vergangenheit verklärt, sie eher in einem positiven Licht sieht. Dazu kommt noch, dass der Betrogene sich auch noch schuldig fühlt und es ihm peinlich ist. Deshalb gibt er seine Erfahrung nicht weiter.
Den Menschen kann man, auf gut Deutsch gesagt, «verarschen» bis der Arzt kommt. Und am besten kann das der Mensch selbst. Und Menschen, die das können, die machen auch Gebrauch davon. Denn so funktioniert das System. Die einen geben alles mögliche vor und an und der überwiegende Rest fällt darauf rein.
Das macht er sogar gerne. Der Mensch hat damit kein Problem von vorne bis hinten verarscht zu werden. Insgeheim bemerkt er sogar, was da mit ihm geschieht. Aber die Trägheit, die Faulheit lassen ihn gewähren. In der Regel ist der Schaden nicht so groß, fällt er nicht so schlimm aus. Es ist ihm egal. Eigentlich zahlt der Mensch laufend dafür, dass er nicht behelligt wird. Dass er seine Ruhe hat. Dabei ist es ihm wurscht und egal, wenn er dabei beschissen wird.
Er will es nur nicht präsentiert bekommen. Man soll es ihm nicht sagen, beweisen oder zeigen. Und schon gar nicht vorrechnen. Das ist das Schlimmste. Das ist die Wahrheit und die ist nicht gelogen.
Die Politiker belügen uns und wir wählen sie trotzdem. Es ist so wie mit den Müllmännern - machen will den Job keiner - und einer muss ihn ja machen. Deshalb akzeptieren wir alles. Ist doch egal, Hauptsache man selbst muss es nicht tun.
Die Medien belügen uns und wir schalten trotzdem ein. Es ist so einfach den Fernseher einzuschalten. Das eigene Gewissen und/oder Gedächtnis einzuschalten fällt da wesentlich schwerer. Und wir glauben lieber, was wir vorgesetzt bekommen, statt uns eine eigene Meinung zu bilden. Lieber mit Lügen leben, als sich Mühe zu machen und hinter die Wahrheit zu kommen.
Niemand hat Interesse an der Wahrheit, einer Wahrheit, oder so etwas wie Wahrheiten. Deshalb können diese Wahrheitsapostel, die Gutmenschen, die Bekehrer, die mit wirklich guten Absichten, die können in der Regel einpacken. Das ganze Gerede über das, was wirklich passiert, das interessiert niemand. Zeitgeschichtlich sind über 5.000.000 Bücher verfasst worden. Aber der Mensch ist dadurch den Wahrheiten kein Stück näher gekommen.
Dieser ganze investigative Journalismus, was die jeden Tag aufdecken und entdecken. Hat sich was verändert? Der Wahrheit folgt doch prompt die nächste Lüge. Mit der wir dann erst mal besser leben können. Bis zur nächsten Wahrheit. Dann muss sich jemand wieder um eine neue Lüge bemühen.
Es lebe die Lüge. Die gut gemeinte. Gut gemachte. Gut getarnte. Die beste Lüge ist doch die, der nicht mal die Wahrheit etwas antun kann. Das ist die Champions League der Lügen. Das ist eine wahrhaftige Kunst, diese Form der Lüge. Die beherrschen in Wahrheit nur ganz Wenige.
Ach ja hier ein Bild von einer Bemeise: Das Bild von einer Bemeise. [Da hat doch einer die gleichen bescheuerten Geschwister gehabt wie ich, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihren kleinen Bruder auf den Holzweg* zu führen.]
* Umgangssprachlich; kommt aus dem Holzfällergewerbe. Ein Holzweg ist ein Weg im Wald, der dem Transport von geschlagenen Bäumen dient und mitten im Wald endet. Wenn ein Wanderer diesem Weg irrtümlicherweise gefolgt ist, so kam er nicht am Ziel an, sondern musste umkehren. Daher der Begriff "auf dem Holzweg sein".
Mittwoch, 12. Oktober 2011
Vielleicht
Vielleicht steht unser System an einem Scheideweg, einer Kreuzung? Kann aber auch sein, dass dies jede Gesellschaft immer irgendwie glaubt und dann geht es trotzdem so weiter wie immer. Keine Ahnung.
Aber wenn man sich das kollektive Versagen von Politik, Wirtschaft und Medien ansieht, dann kommt der Gedanke auf, dass es doch so nicht weitergehen kann. Aber vielleicht kann es auch doch. Vieleicht ist es wie immer nach der ersten Aufregung schon bald wieder ruhig und es geht so weiter wie immer.
Ich verfolge seit vielen Jahren einen Gedanken, der mich abhält und abgehalten hat, mich mehr zu engagieren. Das, was mich abhält und abgehalten hat, ist das, was jetzt offensichtlich wird. Ich möchte da niemanden anklagen. Die Menschen sind nicht so geboren, man hat das aus ihnen gemacht. Somit liegt das Versagen schon in der Kindheit, in der Schule. Hier wurden falsche Ziele und falsche Werte vermittelt.
Es ist offensichtlich, dass persönliche Interessen immer mehr in den Vordergrund gerückt wurden und dass man diese mit allen Mitteln und auf allen Wegen erreichen darf. Das hat zu einer starken Veränderung in unserer Gesellschaft geführt. Es ist die Zeit der Egoisten.
Und wer diese Einstellung nicht teilt und unter der Haut sitzen hat, der steht einer solchen Einstellung wehrlos und hoffnungslos gegenüber. Da gibt es eine Reihe von Menschen, die haben ein Denken und Handeln legitimiert, das vielen anderen völlig fremd ist. Somit muss man sich entschieden, ob man da mitmachen kann und will oder nicht.
Ein Unternehmen zu kaufen, nur mit der Absicht verbunden, dieses auszupressen und möglichst viel für sich selbst herausholen zu wollen, das muss man mögen. Die meisten Unternehmer sind deshalb zum Unternehmer geworden, weil sie etwas Nachhaltiges schaffen wollten. Etwas, das auf lange Sicht funktioniert. Aber das ist Nostalgie. Heute würden die meisten für eine schnelle und hohe Rendite alles tun.
Somit ist das Bestreben nach Verbesserung und Qualität verblasst. Für den persönlichen Erfolg wird alles geopfert, vor allem die Moral. Scheiß auf die Moral, wenn es Geld bringt. Das Versagen liegt meiner Meinung nach bei den Ideologen. Die Politik hat nicht mitbekommen, dass es nicht mehr um Ideologien geht, nicht mehr um Links und Rechts und Mitte. Die Politik hat sich irgendwann nur noch mit sich selbst beschäftigt. Es ging nur noch um das Vorankommen in einer Partei und wie viel Prozente man auf welchen Wegen erlangt. Die Politiker sind die Eltern einer Gesellschaft. Die Kinder schauen diesen alles ab. Die Politik muss sich vorbildlich verhalten, sonst legitimiert sie ein solches Denken und Handeln, wie es uns heute dorthin führt, wo wir uns nun befinden.
Die Politik hat mit Steuerhinterziehung, mit Spendenaffären, mit Lügen, um Wahlen zu gewinnen, und all den vielen anderen Verfehlungen ein Denken legitimiert, das sie heute verurteilt. Das ist ähnlich kurz gedacht, wie wenn Eltern selber Kette rauchen, ihren Kindern aber das Rauchen untersagen.
Die Spitze der Poltik, Medien, Wirtschaft und Gesellschaft klüngelt zudem derart häufig zusammen, dass wir davon ausgehen müssen, sie tauschen sich darüber aus, wo und wie man sich für die eigenen Ziele am besten am System bereichern kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen sich in der Schweiz und in Lichtenstein die Klinke in die Hand gegeben haben, ist sehr groß.
Die Vorbilder werden ihrer Verantwortung nicht gerecht und haben sich die moralische Führung entreißen lassen. Oder wie ein Fussballtrainer unlängst bemerkte: Der rote moralische Faden ist gerissen.
Das größte Problem ist die personelle Besetzung. Da sägt keiner an dem Ast, auf dem er sitzt. Ganz im Gegenteil: es wird von allen alles unternommen, damit für alle alles so lange weitergeht wie nur möglich. Das mag auch die unfassbar abstoßende Habgier erklären. Somit scheint es aber doch eine letzte Chance auf einen Wandel zu geben. Denn wenn diese Entwicklung weitergeht wie bisher, dann werden die Auswüchse immer perverser und unerträglicher geraten. Und das kann dann nicht mehr folgenlos bleiben.
Somit steht ein kompletter Wechsel bevor. Das auf dem Kopf stehende System muss wieder auf die Füße gestellt werden, zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich denke, es geht letztendlich um Fragen der Moral. Eine Moral, welche die Gemeinschaft – erlebbar – in den Vordergrund rückt. Denn als Gemeinschaft haben die Menschen oftmals Großes erreicht. Und es war zusammen auch immer schöner. Wie sehr uns das Gemeinschaftsgefühl abhanden gekommen ist und fehlt, sieht man an den vielen Communities im Internet. Wenn wir den Menschen retten wollen, und darum geht es in erster Linie, geht das nur unter Wahrung moralischer Gesichtspunkte. Denn ohne den Menschen können wir die Moral nicht retten. Und ohne diese Moral können wir das Bewusstsein nicht ändern. Und ohne das richtige Bewusstsein können wir die notwendigen Neuerungen und Veränderungen weder einleiten noch umsetzen.
Somit geht es um die moralische Rettung des Menschen. Weg vom 100 %-Egoismus hin zu einem Gleichgewicht aus Altruismus und Egoismus. Nur, mit denen, die sich da gerade am Start in pole position befinden, ist ein neues und andersartiges Startmanöver sicher nicht zu machen. Somit müssen das Übel und das Leiden noch dramatisch anwachsen, bevor der Mensch bereit ist, seine inneren Haltungen und gedanklichen Positionen zu überdenken. Was nichts kostet, ist eben auch in diesem Fall nichts wert. Aber bei den Auswüchsen, die uns da täglich präsentiert werden, kann es nicht mehr so lange dauern, bis die Zeit dafür gekommen ist.
Ich denke jeden Tag, ich sitze im falschen Film.
Bemerkung: Diesen Beitrag habe ich am 30. Dezember 2010 geschrieben, einen Tag vor Silvester.
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Wirklich?!
02.06.2007 zum ersten Mal erschienen. Zum Gedenken an Steve Jobs:
Manchmal stelle ich mir die Frage, was ich wirklich brauche. Gebrauche. Nutze. Was mir nah ist. Näher als ich mir selbst bin. Für was ich meine, ich bereit wäre zu sterben. Oder was mir wirklich fehlt. Auf was ich nicht mehr verzichten kann. Auf was ich aber sofort verzichten könnte. Was überflüssig ist. Was das kosteten würde. Auf was ich an mir selbst getrost verzichten könnte. Welche Gabe, oder Eigenschaft ich gerne hätte. Wieviel Energie Dinge binden. Welche Aufmerksamkeit viele Aspekte meines Lebens verlangen. Was alles überflüssig war, ist und sein wird. Wie lange ich etwas nicht mehr gebraucht habe. Und wo ist es eigentlich? Was ich schon alles im Sack habe, in meinem Leben. Was darin noch fehlt. Wie wichtig es mir mal war. Dabei ist es mit heute ganz schnuppe. Oder wie wichtig mir Dinge geworden sind, die mir lange völlig unwichtig waren. Mit wie wenig ich auskommen könnte. Mit wie viel mehr ich entspannter leben könnte.
Must, need, nice to have. Was man jetzt tun müsste. Was man sofort lassen sollte. Dann überschlage ich in meinem Kopf welche Summen ich für was sinnlos verprasst habe. Wie groß die Summe sein müsste die mir per Zinsen ab sofort ein geldsorgenfreies Leben gewährleisten würde. Dann denke ich in Bergen und Massen von Gütern, die ich in meinem Leben verbrauchen werde. Wie viel Zeit ich verschlafe. Wie viel Zeit ich arbeitend verbringe. Wie lang mein Bart wohl wachsen würde, wenn ich mich nie rasieren würde. Wie lange ich wohl leben könnte. So pendele ich zwischen meiner Verlustangst und meiner Gier nach mehr Lebensqualität hin und her, hin und her.
Ich ertappe mich wieder einmal dabei, wie ich alles in meinem Leben versuche zu quantifizieren und zu qualifizieren, zu bewerten, numerisch einzuordnen. Rangreihen rasen durch mein Hirn. Tops und Flops. Mit dem immer selben Ergebnis - Das bringt doch nichts. Man kann aus seinem Leben keinen Businessplan machen. Und dann denke ich an die Worte von Steve Jobs: Stay hungry, stay foolish (Danke noch mal an Timo und den Geistesblitz, sonst wären diese Worte eventuell an mir vorüber gegangen). Dann geht ein breites Lächeln über mein Gesicht und ich mache genau das, was ich genau in diesem Moment am liebsten tun würde. Wunderbar!
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