Dienstag, 6. März 2007
My old place to be
Wir ziehen um. Von einem Ort zum anderen. Nicht weit weg. Aber an einen anderen See. Da heißt es zum einen Abschied nehmen und zum anderen Willkommen heißen. Das war die letzten 7 Jahre mein Platz. Hier habe ich oft gesessen, gelegen und gestanden. Bei jedem Wetter. Zu jeder Tag und Nachtzeit. Nachgedacht, ausgedacht, durchdacht, bedacht, überdacht. Hier war ich traurig und über glücklich. Hier habe ich aufgetankt. Entschlüsse gefasst. Und oft an nichts gedacht. Meine Ängste besiegt und meine Willenskraft aufgeladen. Positionen bezogen. Meinung gebildet. Ideen geboren und verworfen. Und manchmal, man glaubt es kaum telefoniert. Es ist der Ort meiner größtmöglichen gefühlten Freiheit. Ich werde einen Neuen brauchen und finden und euch zeigen. Da bin ich mir sicher.
Montag, 5. März 2007
Kommmmmmunnnnnnikation
Ich habe gestottert. Bis zu meinem 16. Lebensjahr habe ich kaum einen Satz geradeaus über meine Lippen gebracht. Das war eine Qual. Eine unendliche Qual. Vor allem in der Schule. Wer stottert, den begleitet immer das Vorurteil, er hätte was am Kopf. Eine Form von Geistesstörung. Er wird gehänselt. Man lacht laut, oder noch schlimmer, hinter vorgehaltener Hand über Stotterer.
Die allerschlimmsten Sitationen haben einem die Lehrer beschert. Wenn sie mich unaufgefordert drangenommen haben. Zum Vorlesen. Beim Vorlesen ist der Stotterer hoffungslos verloren. Weil er die Buchstaben nicht austauschen kann. Stotterer haben Buchstaben, die gar nicht gehen. Die nicht über die Lippen gehen. Dann gibt es noch eine nicht geringe Zahl von schweren Buchstaben. Und der Rest geht so. Somit wählt der Stotterer immer am Anfang eines Satzes Buchstaben, die ihm einfach über die Lippen gehen. Das geht beim Vorlesen nicht. Da steht, was da steht. Das ist der totale Horror. Lehrer haben früher keine große Rücksicht auf diesen Defekt in der Sprachmotorik genommen. Darum habe ich mich oft nicht gemeldet, obwohl ich die Antwort wusste. Oder ich habe einfach gesagt, ich weiß es nicht, um der Antwort ausweichen zu können.
Es schmerzt junge Menschen, wenn pausenlos über sie gelacht wird. Ab irgend einem Zeitpunkt habe ich mich dann entschieden anzugreifen. Ich wollte nicht mehr schweigen. Es war mir egal. Mein Ziel war es, selbst das Stottern zu überwinden, in dem ich mich pausenlos dem Sprechen aussetze. Da mussten alle mit durch. Mir war es eagl, ob die Mitschüler lachten. Mir war es egal, wie quälend dieses Gestottere für meine Umwelt gewesen sein muss. Mein Leben sollte nicht durch das Stottern berschränkt bleiben. Somit habe ich mich pausenlos in den Pausen geprügelt. Jeder, der glaubte, auf meine Kosten Witze machen zu können, bekam eine Tracht Prügel.
Dann wurde ich auch noch Klassensprecher. Die Betonung liegt auf Sprecher. Dem war nicht genug. Nein, ich wurde auch noch stellvertretender Schulsprecher. In einer Schule mit über 2.800 Schülern. Das bedeutet 12 Klassen in jedem Jahrgang bis zur Zehnten. Und so ging es weiter. Mein Selbstbewusstsein habe ich mir erkämpft und erredet. Immer und immer wieder.
Irgendwann war es dann vorbei. Oder sagen wir mal, so gut wie vorbei. Den Zeitpunkt kann ich nicht genau benennen. Es war ein fließender Übergang vom Stotterer zum Sprecher. Aber die Qualen sind mir noch in schlechter Erinnerung. So sehr, dass bis heute diese Zeit mir einen Schatten der Minderwertigkeit vorauswirft. So wie es aussieht, bis an mein Lebensende. Denn ich kämpfe noch immer. Jeden Tag. Jetzt nur mit anderen Waffen. Ich kämpfe um gute Kommunikation. Weil es für mich mehr ist als ein Anliegen. Es ist mir ein Bedürfnis, dass Kommunikation funktioniert. Mein Handycap von damals ist dabei mein größter Trumpf. Es ist meine größte Stärke geworden. Vieles, was ich heute bin und kann, verdanke ich dem Stottern. Das ist doch verrückt.
Deshalb, genau deshalb, ist und bleibt mir so unendlich viel an der Kommunikation gelegen. Ein Stotterer entwickelt eben Fähigkeiten, die andere nicht haben. Das muss er. Ebenso wie andere es nicht müssen. Blinde teilen dasselbe Glück. Gehörlose und Stumme. Sie entwickeln Fähigkeiten auf Gebieten, die anderen für immer in der Intensität verschlossen bleiben. Das ist nur fair. Denn es ist ein Ausgleich für das eigentliche Handycap. Mit dieser Einstellung sollte man alle Menschen mit Handycap betrachten.
Freitag, 2. März 2007
Lust
Es wäre zu schön, um wahr zu sein. So einfach kann man es sich nicht machen. Leben nach dem Lustprinzip. Sich ständig nur diese zwei Fragen beantworten: Was will man? Und: Was will man nicht? Wie oft überkommt einen die Lust? Die pure Lust. Und man kann diese nicht in entsprechende Bahnen leiten. Sondern diese muss sich mal wieder in Wohlgefallen auflösen. Wenn man fähig wäre, der Lust ebenso zu folgen wie seinen Ängsten, das wäre wunderbar.
Aber der Lust fehlt es oft an Durchschlagkraft. Was man von der Befürchtung leider nicht sagen kann. Die Lust klopft meist nur vorsichtig und leise an. Antwortet aus der Gefühlswelt niemand, dann dreht sie einfach wieder ab. Sie versucht es einfach später noch einmal. Und wieder später und wieder und wieder. Bis sogar der Lust die Lust vergeht.
Die Lust soll man zügeln heißt es. Dabei wäre ein Leben nach dem Lustprinzip sicher kein schlechteres. Denn man würde sich von vielen Ergebnissen unabhängig machen, weil die Lust einem wesentlicher erscheint. Die Lust am Spiel. Man stelle sich nur mal vor, im Fußball würde die reine Lust regieren. Oder in der Arbeitswelt. Produkte würde nur aus reiner Lust entwickelt. Man würde sich nur mit Menschen umgeben, die gegenseitig die nötige Lust empfinden können. Immer an der Lust entlang. Da, wo es sich gut anfühlt, hingehen. Auch wenn natürlich nicht alle auf dasselbe Lust haben. Oder nicht zur selben Zeit. Oder am selben Ort. Trotzdem wäre ein Lebensweg nach dem Lustprinzip bestimmt ein schöner.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Hausbesuch bei der note Werbeagentur München)
Auf und nieder immer wieder
Das Leben soll bekanntlich eine Achterbahn sein. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn ich kann nicht Achterbahn fahren, mir wird schlecht. Nehmen wir diese Analogie trotzdem mal beim Schopf, dann zielt sie auf ein ständiges Auf und Nieder. Gut. Aha. Bei einer Achterbahn dreht sich das Leben nur ständig im selben Kreis. Somit kennt man die Auf und Nieder irgendwann, und sie entlocken einem nur noch ein müdes Lächeln.
Ich weiß nicht. Mein Motto lautet: Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo noch ein größerer Hammer her. Das Leben verläuft zudem alles andere als auf Schienen. Somit mag ich dieses Bild vom Leben nicht. Genauso wenig wie: Der Weg ist das Ziel. Mag ich auch nicht. So ein Quatsch mit Soße. Das Ziel ist das Ziel.
Und wenn man überhaupt ein modernes Bild für den Lebensweg benutzen will. Dann denke ich, das Leben ist wie eine Autofahrt durch den Ruhrpott, ohne Navi, wenn man noch nie da war. Tausende Ausfahrten, die alle so richtig wie falsch sind. Und nur eine ist wirklich richtig. Tausende Auffahrten, die zum Ziel führen könnten. Könnten. Und nur eine ist die richtige. Tausendmal verfahren und doch wieder auf der richtigen Autobahn gelandet. Tausendmal nach dem Weg gefragt. Immer eine andere Antwort bekommen oder nichts verstanden. Tausende Wegweiser und Schilder, die einem nicht immer den richtigen Weg weisen. Oder die man nicht gesehen hat. Zu spät erkannt. Und dann in tausenden von Baustellen gestanden. In Staus auf dem Weg zum eigenen Ziel. Der Lebensweg ist wie die alte B1. Du weißt nie, wo du ankommst. Du fährts immer so mit – mit allen. Du glaubst, du müsstest eigentlich richtig sein. Aber dann ...
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Achterbahn Aufbau auf der Wiesn)
Donnerstag, 1. März 2007
Luxus vom anderen Ende
Nicht selten stammt Luxus vom anderen Ende. Was früher den Ärmsten der Armen blieb, ist irgendwann zum Hochgenuss aufgestiegen. Was man weggeworfen hat, als Überreste oder Abfall, avanciert heute zum Hochgenuss. Wie kommt das? Der Kaviar, der arglos aus dem Unterleib der trächtigen Lachse geschnitten wurde. Die Pizza. Das Gericht der Armen, bei dem alle Reste der Woche auf ein Stück Teig vereint wurden. Es gibt eine Reihe von Beispielen, in denen Dinge des Lebens von der einen Seite zur anderen wechseln und dabei bis hin zu unerschwinglich werden. Es zeigt aber eins deutlich, nichts ist wertvoll an sich, sondern weil der Mensch es wertvoll macht. Das Prinzip Angebot und Nachfrage treibt schon sehr bunte und verwunderliche Blüten.
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