Montag, 15. Januar 2007
Fluss-Prinzip
Das Schöne am menschlichen Fehlverhalten ist, dass man sich schon vorher ansehen kann, wie es nachher ausgehen wird. Denn alle Fehler sind oft schon älter und schon mal gemacht worden, nur an anderen Stellen als an denen, wo man gerade selbst ist. Dafür bedarf es nur der äußerst seltenen Fähigkeit der interdisziplinären, assoziativen, transzendentalen Wahrnehmung. Nehmen wir uns das Beispiel der Flüsse in der zivilisierten Welt. Der Mensch hat mal kurzer Hand das biologische Gleichgewicht mehr als durcheinander gebracht, in dem er die Fließgeschwindigkeit erhöht hat. Flussbetten begradigt. Auslaufzonen und Überlaufbecken gebaut. Dämme gebaut. Er hat Flüsse verschmutzt und sich deren ganze Naturlichkeit untertan machen wollen. Mit dem beeindruckenden Ergebnis, dass kein Leben mehr in den Flüssen war. Dass regelmäßig Hochwasser die Anwohner wegspülte. Mit den Flüssen flossen zunehmend tot bringende Katastrophen durchs Land. Der ehemalige Lebensspender hat sich durch den Eingriff des Menschen ins Gegenteil verkehrt. Nicht, dass der Mensch daraus gelernt hätte. Nein, er bekommt einfach zu oft nasse Füße und neuerdings steht das Wasser zu vielen bis zum Hals. Somit wird nun die 180 Grad Kehrtwende eingeläutet. Alles soll wieder wie früher werden. Fisches, sauberes Wasser, eine gesunde, klare, eine sprudelnde, fließende und frische Lebensader durch unser Dasein. Die wir gleichzeitig als Transportweg benutzen. Der Mensch muss also notgedrungen schwer zurück rudern. Diese Analogie läßt sich 1:1 auf viele Entwicklungen übertragen. Die Fließgeschwindigkeit ist gleichzusetzen mit unserer Entwicklungsgeschwindigkeit. Wir erhöhen an allen Ecken und Enden die Geschwindigkeiten und somit auch die Massen, die transportiert werden. Die Fluten dieser Konsumgesellschaft haben längst Opfer gekostet. Das Begradigen der Flussbetten ist das Mainstreamen des Angebots. Alles muss konsumfreundlicher werden. Alles muss schneller zu konsumieren sein. Immer mehr fließt immer schneller an uns vorüber. Die Hochwasser der Konsumgesellschaft spülen dann Tausende von Arbeitslose in die Arbeitsämter. Ganze Konzerne werden aus dem Land gespült. Immer mehr tote Geschäftsmodelle treiben mit den Konsumflüssen und so weiter und so weiter.
Somit kann sich jeder ansehen, wie es weiter geht. Und es gibt Anlass zur Hoffnung. Denn im Rhein schwimmen schon wieder Fische. Wenige, aber es werden mehr. Und viele Flüsse werden aufwendig wieder zurück in ihren natürlichen Verlauf entlassen. An vielen Stellen hat der Mensch angefangen, zu verstehen, dass man Naturgesetze nicht auf den Kopf stellen sollte. Aber noch mal: nicht weil wir schlauer sind. Sondern nur, weil wir nasse Füße bekommen. Deshalb stellt sich immer die Frage: Was sind die nassen Füße im übertragenen Sinne? Gibt es keine nasse Füße, gibt es keine Veränderung im Bewusstsein.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Alpen)
Sonntag, 14. Januar 2007
Vorfreude zum selber basteln: iSatisfaction
Unerträglich die Zeit bis September. Für alle, die es jetzt schon nicht mehr aushalten können. Hier gibt es eine schöne Übergangslösung zum Überbrücken. (Ist natürlich auch die richtige Version mit 8 Gig.) Ob es ab September Überzieher oder Boxen gibt? Die den Rest der Handywelt wenigstens so aussehen lassen als ob? Schon bitter für alle, die dann immer heimlich telefonieren und das Handy immer gut verstecken müssen. Da wäre es doch eine Marktlücke, diesen armen Menschen wenigstens so eine Umverpackung zu reichen. Die gibt es dann bestimmt auf Krankenschein.
Donnerstag, 11. Januar 2007
Entdeckung des Tempolimits
In einer Konsumgellschaft entstehen ständig Trichter, Flaschenhälse oder andere Engpässe. Immer kommt Menge oder Masse nicht dahin, wohin sie soll. Es staut sich, wohin man schaut. Entweder weil es nicht abfließt, also aufstaut. Oder weil ein so großes Aufkommen herrscht, dass es nicht durch den Trichter passt. Die maximale Menge ist oft bestimmt. So ist alles extrem darüber oder darunter mit Problemen verbunden. Schmerzlichen. Teuren. Nervigen. Anstatt aber diese Engpässe zu überdenken und in ihren Spitzen genau zu betrachten, wird genau das Gegenteil getan. Man erhöht die Geschwindigkeit. Das Tempo. In der Hoffnung, der irrwitzigen Annahme, dass man mit 250 km pro Stunde schneller durch den Stau kommt. Die Physik ist zu diesen Themen eindeutig, aber unpopulär. Denn die würde oft das Tempo verlangsamen, um die Fließgeschwindigkeit optimal zu gestalten. Aber langsamer ist gleich unvorstellbar. Somit entwickeln wir Technologien und auch alles andere, was ein Zunehmen der Geschwindigkeit als primäres Interesse verfolgt. Und was noch wahnwitziger ist: eine Zunahme der Kapazitäten. Die Verjüngung eines Trichters oder eines Flaschenhalses ist ein Naturgesetz. Dem kann man nicht mit menschlicher Kleingeistigkeit begegnen. Tut man aber. Und das auch noch mit Vorliebe. Alles wird schneller und mehr. Mit dem immer selben Ergebnis. Die wichtigsten Qualitäten, die es zeitlebens zu erreichen gibt, kommen dabei zu kurz, gehen sozusagen im Geschwindigkeitsstau unter: Die Lebens- und die Arbeitsqualität. Aber wir haben ja noch ein paar 1000 Jahre daran zu arbeiten. Um irgendwann nicht zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die schönsten Dinge auf der Welt reifen, wachsen, gedeihen, sich entwickeln. Alles hat seine Zeit. Wir haben unsere noch lange nicht gefunden. Oder gibt es schon Reisebücher, die da heißen: Im Schneckentempo durch Berlin. Oder Kochrezepte: In einer Woche ist es soweit.. Oder Schilder auf denen steht: Tempo 120 auf den Autobahnen? Alles wird kommen. Die Zeit ist da unerbitterlich. Am Ende lehrt sie uns immer, die angemessene zu akzeptieren.
(Foto: Peter von Felbert; Modell: Achim)
Mittwoch, 10. Januar 2007
Vortrieb
PS haben nicht zwingend etwas mit Geschwindigkeit zu tun. Ebenso hat Segelfläche beim Surfen nicht unmittelbar mit Vortrieb zu tun. Sondern ganz im Gegenteil. Die Menge der Tore sagt nichts über die Qualität eines Fußballspiels aus. Ebenso verhält es sich mit fast allen anderen Aspekten unserer Gesellschaft. Ein Buch, das viel verkauft wird, muss keinen geistigen Vortrieb mit sich bringen. Trotzdem sind unsere Rangreihen und Listen unser Top 10 und Top 100 vor allem auf den Spitzenplätzen voll mit diesen völligen Fehleinschätzungen. Würde man einen Koffer packen und ins Weltall schicken und darin würde sich alles befinden, was wir am meisten hinbekommen haben, dann würde das ein erbärmliches und grausammen Licht auf unseren Planeten werfen. Wenn ich ein grünes Männchen wäre, würde ich nach der Sichtung dieses Dilemmas großes Mitleid empfinden und die eigentliche Botschaft zwischen den Zeilen bedeutet: Bitte befreit uns von diesem Schwachsinn. Somit würde ich den Planeten auslöschen. Und denken, dass ich allen damit einen großen Gefallen getan hätte. Man stelle sich mal vor, was für ein grausames Sammelsurium der menschlichen Errungschaften da zusammenkäme. Um keine Abmahnung zu riskieren, halte ich mich mit Nennung von Ross und Reiter an dieser Stelle zurück. Ich bitte um Verständnis. Nur so viel: Alles von wirklicher Qualität und außerordentlicher Beschaffenheit, alles was einem großen Geist entsprungen ist und eine beeindruckende Verdichtung von menschlichen Fähigkeiten und Bereitschaften darstellt, hätte in diesem Koffer keinen Platz.
(Foto: Peter von Felbert)
Dienstag, 9. Januar 2007
Werbeblabla - opinion leader (1)
Meinungsbildner?! Ja, so lautet die richtig grausige Übersetzung. Und weil keiner so ein Wort in den Mund nehmen würde, nimmt man den englischen Begriff. Kling cooler und überzeugender. Wenn man sich mit den vorgestellten Werbemitteln- und Maßnahmen vor allem an diese opinion leader wendet, dann denkt der Kunde: Toll, und die erzählen die frohe Kunde allen weiter. Das denkt zumindest die Agentur, wenn sie denkt, der Kunde müsste das denken, wenn sie upinion leader sagt. Die in ihrer einfältigen und ängstlichen Denkweise denken aber was ganz anders. Oh mein Gott, gleich bei den Meinungsbildern, den Rädelsführern. Wenn wir da nicht ankommen, dann sind wir gleich völlig am Arsch. Die erzählen dann auch noch allen, wie scheiße das Produkt ist.
Deshalb richte Dich nie an opinion leader. Sonst kommst Du nicht zum Zuge, weil Dein Kunde die Hose voll hat. Richte Dich an Dumpfbacken. Das ist die große Anzahl von Leichtgläubigen, die Dir und Deinem Kunden jeden Scheiß abkaufen und allen noch erzählen, wie toll das war. Nur weil sie es selbst gekauft haben. Das wird Deinen Kunden begeistern.
100% - Mehr geht nicht
Freitag, 5. Januar 2007
Eine Gondel voller Mutlosigkeit
Antoine de Saint-Exupéry erzählt davon. Wenn er von der Lust das Meer zu überqueren, statt von den Qualen ein Schiff zu bauen berichtet. Und ein weiterer mir bekannter Gedanke lautet: Wenn Du neue Kontinente erreichen willst, musst Du bereit sein, alte zu verlassen. Doch meist ist der Vorsatz größer als der Mut, es auch zu tun. In Gedanken ist alles Wünschens- und Erstrebenswerte längst erreicht. Der Weg wurde sogar in Gedanken hunderte Male beschritten. Der zu allem führt, was das Leben für alle lebenswerter macht. Aber dann steht man mit seinen beiden Füßen auf seinem Kontinent. Der Blick schweift über das Meer der Ungewissheit. Man steht an der Klippe, die das Ende der eigenen Möglichkeiten bedeutet. Man steht auf dem, was man alles bis hier erreicht hat. Und obwohl man weiß, dass alles vergänglich ist, so ist einem die Lust auf das Neue nie so nah, wie das gute Gefühl, sich auf gewohntem Territorium zu bewegen. Tausendmal hat man ganze Kulturen untergehen sehen, weil sie sich auf das Erreichte beriefen und auf dasselbe verließen. Branchen, Konzerne, Unternehmen und Produkten ging es nicht besser. Am Ende verlässt fast alle der Mut, von einem Ende an einen neuen Anfang zu gelangen.
(Foto: Peter von Felbert)
Dienstag, 2. Januar 2007
Der Umkehrschub
Der Weg zum Kunden geht in der klassischen Marketingdefinition immer vom Unternehmen aus. Daraus resultieren auch alle Kommunikationsdisziplinen. Das Mailing geht vom Absender "dem Unernehmen" zum "Empfänger" dem Kunden. Der Fernsehspot richtet sich ebenfalls vom Absender an den Empfänger. Alle Disziplinen in der Welt der Kommunikation basieren auf diesem immer gleichen Prinzip. Da immer gleiche Wege im Laufe der Zeit ausgetreten sind und man keine eigenen Spuren mehr hinterlässt, deshalb haben alle Disziplinen im Laufe der Zeit den Druck erhöht. Die Menge, die Lautstärke, die Aggressivität. Das muss sein, um sich auf dem immer gleichen Weg zu behaupten und durchsetzen zu können. Auch diese Entwicklung bestimmt das Bild aller Kommunikationsdisziplinen. Was zur Folge hat, dass die Medien Klassenunterschiede vorweisen. Das war früher nicht so, sondern da waren Medien ihrer eigentlichen Bestimmung noch zugewandt - den Zielgruppen. Wie bei den großen Parteien, so sind sich die Zielgruppen immer ähnlicher geworden. Somit versuchen alle Medien, die identische Zielgruppe zu bedienen. Diese fehlende Differenzierung hat zur Folge, dass die Produkte auch immer ähnlicher werden und damit auch die Marken. Also klärt sich die Frage in der Kommunikation nur noch über das eingesetzte Budget. Wer viel hat, bekommt wenigstens ein wenig zurück. Wer weniger hat, muss sehen, wie er sich in einer solchen Kommunikationslandschaft überhaupt noch sichtbar macht. Weil es an guten Ideen mehrheitlich hapert, tritt die schlechteste Idee aller Ideen, die nur ein dummer Einfall ist, zunehmend in den Vordergrund: Der Preis.
Die Entwicklung verstärkt sich. Aber siehe da, da zeichnet sich ein Umkehrschub ab. Das bedeutet, alle Gesetzmäßigkeiten der klassischen Kommunikation drehen sich einfach um. Wechseln die Richtung. Der ehemalige Absender wird zum Empfänger. Nicht das Unternehmen investiert in Kommunikation, sondern die Zielgruppe. Die Mailings sind plötzlich Mails von der Zielgruppe an das Unternehmen. Alle Disziplinen drehen sich um. Langsam, aber sie tun es. Man muss nur genau hinsehen, dann kann man das erkennen. 55 Millionen Blogs, 100tausende Foren, my sapce, youtube, flickr... Dieser Umkehrschub hat gerade erst begonnen.
Deshalb heißt der Marketinggedanke der Gegegenwart nicht: Wie erreiche ich meine Zielgruppe?, sondern: Wie erreicht meine Zierlgruppe mich? Denken Sie mal darüber nach. Und behaupten Sie nachher nicht, es hätte Ihnen niemand gesagt.
Foto: Peter von Felbert
Hauptsache ist für viele Nebensache
Alles hat einen Wert, eine Ordnung, einen Rang. Somit hat alles eine Priorität. So weit, so gut. Klingt einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Denn das Problem liegt in dem kleinen Wörtchen "Jeder" begründet. Es gibt nicht nur ein, mehrere oder viele Rangreihen oder Prioritäten, sondern so viele, wie es Menschen gibt.
Und jeder will seine entweder verfolgt sehen oder bedient die anderer. Dadurch kommt vieles aus dem Gleichgewicht. Denn es gehört zur gesunden Entwicklung einer Persönlichkeit dazu, seine Prioritäten zu entdecken, kennen zu lernen und diesen letztendlich konsequent und kontinuierlich zu folgen.
Aber das bedeutet Anarchie der Persönlichkeiten. Deshalb hat das System verständlicherweise etwas dagegen, wenn sich jeder auf den Weg machen würde, sich selbst zu verwirklichen. Wer verwirklicht dann die Interessen derer, die am berühmten längeren Hebel sitzen? Um hier Nebensachen und Nebenschauplätze in das Zentrum des Interesses aller zu rücken und somit zur Haupsache aller zu machen, gibt es geeignete und sehr gut funktionierende Werkzeuge.
Als da wären der Neid, die Eitelkeit, die Missgunst, der Minderwertigkeitskomplex, das Statussymbol, der Konsum und viele wirksame Instrumente mehr. Diese schaffen es, einen Großteil Nebensachen zur Hauptsache zu machen. Wie Statistiken einwandfrei beweisen. Der Mensch geht sogar so weit, dass sein Unrechtsbewusstsein für das Verfolgen von Nebensachen außer Kraft gesetzt wird. Er lässt sich fast lebenslänglich zu einer Art Beschaffungskriminalität hinreißen. Dabei soll der Zweck den Einsatz der Mittel heiligen.
Somit ist eine ganze Gesellschaft aus dem wichtigen Gleichgewicht geraten. Weil sie die individuellen Hauptsachen nicht berücksichtig, nicht pflegt und verfolgt. Sondern die Nebensachen in den Mittelpunkt des Interesses aller rückt. Würde man ältere Menschen nicht nur fragen, sondern ihnen auch Glauben schenken, dann wären die wesentlichen Werte als die Hauptsachen ihres Lebens gänzlich andere als die des Rests der Gesellschaft. Und die Augen dafür haben sich auch erst in den späteren Jahren geöffnet.
Aber nun ist es zu spät, ein Menschenleben ist nun schon fast rum. Aber was für ein Glück, dass die meisten Menschen wenigstens mit dem richtigen Bewusstsein das Zeitliche segnen. Wäre doch schlimm, wenn diese Nichtigkeiten der Nebensachen diese bis ins Grab verfolgten. Es reicht doch, dass es gerade diese sind, die viele ins Selbige bringen.
Gleichgewicht heißt nicht, ins andere Extrem überzuschwenken und nun nur die individuellen Hauptsachen in den Fokus zu stellen. Nein. Sondern die angemessene, passende und augewogene Reihenfolge der eigenen Prioritäten zu entdecken und zu verfolgen. Deshalb gilt auch hier nicht das Prinzip: entweder oder, sondern: sowohl als auch.
(Foto: Peter von Felbert)
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