Donnerstag, 11. Januar 2007
Entdeckung des Tempolimits
In einer Konsumgellschaft entstehen ständig Trichter, Flaschenhälse oder andere Engpässe. Immer kommt Menge oder Masse nicht dahin, wohin sie soll. Es staut sich, wohin man schaut. Entweder weil es nicht abfließt, also aufstaut. Oder weil ein so großes Aufkommen herrscht, dass es nicht durch den Trichter passt. Die maximale Menge ist oft bestimmt. So ist alles extrem darüber oder darunter mit Problemen verbunden. Schmerzlichen. Teuren. Nervigen. Anstatt aber diese Engpässe zu überdenken und in ihren Spitzen genau zu betrachten, wird genau das Gegenteil getan. Man erhöht die Geschwindigkeit. Das Tempo. In der Hoffnung, der irrwitzigen Annahme, dass man mit 250 km pro Stunde schneller durch den Stau kommt. Die Physik ist zu diesen Themen eindeutig, aber unpopulär. Denn die würde oft das Tempo verlangsamen, um die Fließgeschwindigkeit optimal zu gestalten. Aber langsamer ist gleich unvorstellbar. Somit entwickeln wir Technologien und auch alles andere, was ein Zunehmen der Geschwindigkeit als primäres Interesse verfolgt. Und was noch wahnwitziger ist: eine Zunahme der Kapazitäten. Die Verjüngung eines Trichters oder eines Flaschenhalses ist ein Naturgesetz. Dem kann man nicht mit menschlicher Kleingeistigkeit begegnen. Tut man aber. Und das auch noch mit Vorliebe. Alles wird schneller und mehr. Mit dem immer selben Ergebnis. Die wichtigsten Qualitäten, die es zeitlebens zu erreichen gibt, kommen dabei zu kurz, gehen sozusagen im Geschwindigkeitsstau unter: Die Lebens- und die Arbeitsqualität. Aber wir haben ja noch ein paar 1000 Jahre daran zu arbeiten. Um irgendwann nicht zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die schönsten Dinge auf der Welt reifen, wachsen, gedeihen, sich entwickeln. Alles hat seine Zeit. Wir haben unsere noch lange nicht gefunden. Oder gibt es schon Reisebücher, die da heißen: Im Schneckentempo durch Berlin. Oder Kochrezepte: In einer Woche ist es soweit.. Oder Schilder auf denen steht: Tempo 120 auf den Autobahnen? Alles wird kommen. Die Zeit ist da unerbitterlich. Am Ende lehrt sie uns immer, die angemessene zu akzeptieren.
(Foto: Peter von Felbert; Modell: Achim)