Mittwoch, 22. November 2006
Drehtür vs. Treppe
Es gibt eine Reihe von Menschen, die lieber immer und immer wieder durch die selbe Drehtür gehen. Anstatt aus Erfahrungen nützliche Erkenntnisse abzuleiten, die sie dazu befähigen, auf einer bildlich gesprochenen Treppe eine Ebene höher zu gelangen. Das befähigt die selben Personen, sollten sie mal wieder auf ein ähnliches Problem-Schema stoßen, es aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was oft sehr hilfreich ist. Auf den Unterschied zwischen Drehtür- und Treppenmentalität treffe ich immer wieder. Die einen erkennen auch nach dem 10. Mal nicht das eigentliche Problem und rennen einfach nochmal durch die selbe Drehtür, um nach dem Problem wieder vor dem Problem zu stehen. Die kommen, wenn es ganz übel läuft, ihr Leben lang immer an der selben Stelle wieder raus. Also eigentlich nicht von der Stelle. Die Entwicklung, bezogen auf die Lebensjahre, ist in Zentimetern ausgedrückt gleich Null. In Etagen und/ oder möglichen zu erreichenden Ebenen belieben diese Menschen immer im Parterre zu stehen. Oder gleiten sogar ab in den Keller.
Aus Fehlern lernen. Ich möchte eine höhere Ebene nicht verstanden wissen als sich über einen anderen stellen. Sondern wir begegnen im Leben immer wieder Situationen, die wir mit unserem Erfahrungsmuster abgleichen. Daraus ziehen wir Schlüsse und leiten daraus unser Handeln ab. Wenn ich diesen Situationen über einen Lebensweg immer aus einem besseren Blickwinkel begegne, dann ist dies ein überragender Garant dafür, richtige Entscheidungen für mich und andere zu treffen. Dabei ist die Perspektive entscheidend. Je höher mein Blick die Situation überschauen kann, um so mehr kann ich in Erfahrung bringen. Höhe darf aber in dem Sinne nie als abgehoben angesehen werden. Höhe einfach als besserer Blickwinkel. Es ist einfach von Vorteil, wenn man Situationen besser überschauen kann.
Aber wie gesagt, dafür muss man bereit sein, die Drehtür gegen die Treppenmechanik zu tauschen. Das geht einfacher als man denkt. Man muss jedes Erlebnis nicht einfach spurlos an sich vorüber ziehen lassen, sondern versuchen, alles für sich daraus zu bewerten. Was war gut und was war schlecht. Somit erkennt man beim nächsten Mal das Schlechte wieder. Und wird diesem anders begegnen. Immer besser. Bis man es überwunden hat. Zweifeln, hinsehen, zuhören, spüren, nachdenken und einordnen.
Somit entstehen im Gehirn schnell wachsende Verknüpfungen, die eine immer bessere Orientierungs- und Entscheidungshilfe ermöglichen. Ein Erlebnis nicht verarbeiten heißt eine Chance verpassen. Was am Anfang mühevoll ist, geht sukzessive in Fleisch und Blut über. Irgendwann macht man es automatisch. Und steigt so eine Treppe nach der anderen nach oben. Das nennt man dan Erkenntnisstand. Erfahrung ist nämlich nichts wert, wenn daraus keine Erkenntnis abgeleitet wird. Was nützt mir ein Kaufhaus das 125 Jahre Erfahrung hat im Vergleich zu einem, das 80 Jahre auf dem Buckel hat?
Genau, somit wird Erfahrung mit Erkenntnis verwechselt. Und wie macht man Erkenntnis sichtbar? In dem man nicht über Erfahrung redet, sondern seine Erkenntnisse im "Jetzt" ständig angewandt umsetzt. Kann IKEA Möbel bauen? Wie alt sind die denn? Und wie jung ist die Marke? Und was nützt mir das? IKEA hat Erfahrung an allen Ecken und Kanten in angewandte Erkenntnisse umgemünzt. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern vor allem praktisch. Zum Anfassen. Zum Bemerken. Zum Vorteil.
Geschrieben von Christof Hintze
in Marketing Denkanstöße
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Irren ist menschlich (13)
"Wer Zur Hölle will Schauspieler sprechen hören?"
Harry M. Warner, Warner Brothers, 1927Quelle: Newsweek 27.01.1997
Geschrieben von Christof Hintze
in Berühmte Worte
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Hast du mal eine Minute Zeit
Viel ist über die Zeit geredet und geschrieben worden. In fast allen erdenklichen Dimensionen ist die Zeit in epischer Breite durchleuchtet worden. Viele Begriffe beschäftigen sich mit der Zeit. Die Zeit ist einer, wenn nicht sogar der wesentliche Faktor in unserem Leben. Denn die Zeit geht vorbei. Was dem Leben einen besonderen Sinn und einen noch besondereren Wert verleiht. Erst durch die Begrenzung von Zeit wir der wahre Wert sichtbar.
Ich weiß, wovon ich schreibe. Denn ich hatte zwei sehr unangenehme Begegnungen mit der Zeit. Dabei offerierte sie mir, wie kostbar sie ist. Und ich haben die Zeit sehr gut verstanden. Sehr gut. Wenn jemals mir etwas sofort klar wurde, denn dass die Zeit das einzige ist, was wirklich kostbar ist. Denn nur mit ihr kann man weiter auf diesem blauen Planeten wandeln. Wer keine Zeit mehr hat, der kann das nicht. Den Wenigsten ist die Kostbarkeit der Zeit so präsent und bewusst. Das erkent man leicht, wenn man der Zeit oder seiner Zeit schon mal begegnet ist. Man wundert sich, wie alle mit der Zeit umgehen. Man wundert sich sehr. Ist mit dieser Ansicht aber weitesgehend alleine.
Sogar Menschen, die auf die selbe oder andere Art der Zeit begegnet sind, haben das oft schnell vergessen oder verdrängt. Ich nicht. Ich genieße die Zeit. Ich versuche ihr respektvoll zu begegnen. Sie zu atmen wie Luft. Oft begegne ich der Zeit und dann bin ich sehr freundlich und lächle sie an. Ich treibe auch schon mal meine Scherze mit der Zeit. Oder in ganz ruhigen Momenten spreche mit ihr. Die Zeit und ich haben einen Bund geschlossen. Ich lasse sie so, wie sie ist. Und sie mich. Wir drängen uns nicht. Und wir halten uns nicht auf. Wir haben einen Deal. Alles hat seine Zeit. Und die ist immer die Selbe. Egal, was die anderen sagen.
Glaube versetzt Märkte
Agentur für entscheidende Glaubensfragen. Aber natürlich nur in Sachen Werbung. Denn was müssen Menschen wirklich noch wissen, wenn sie an etwas fest glauben können? Nicht viel. Deshalb plädieren wir für einfache Werbung an die Kunden guten Gewissens glauben können. Und nicht für Werbung bei der Kunden sehr viel mehr wissen müssen. Um überhaupt zu verstehen worum es geht, oder wenigstens gehen könnte. Locker überzeugen können, statt erheblich überreden müssen.
Geschrieben von Christof Hintze
in Werkverzeichnis
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Dienstag, 21. November 2006
Warteschleife
Warten hat immer ein unglaublich zersetzendes Wirkungsfeld. Es ist die Hölle. Weil man nichts anderes beim Warten so richtig anfangen kann. Außer in Belanglosigkeiten blättern. Dem dummen Radiogeschwätz folgen. Oder sich langweilige Gardienen ansehen, wie sie sich leicht im Winde hin und her wiegen. Man beginnt kein Gespräch mit anderen Wartenden. Weil der andere oder man selbst immer jeden Moment damit rechnet, dran zu sein. Deshalb kann man nichts anfangen. Man zählt die Bilder an den Wänden. Lauscht, was sonst noch so passiert. Findet den Teppich furchtbar. Sieht die Mäntel an der Garderobe an. Es fällt einem auf, dass die Absätze abgelaufen sind. Man befindet sich gefangen in einer Warteschleife, in welcher der Mensch vollkommen auf Standby gestellt ist. Auch eine furchtbar verschwenderische Erfindung, dieses Standby.
Warum gibt es nichts Akzeptiertes, was man produktiv beim Warten tun kann? Warum gibt es keine Liste der Top 10 - Das habe ich beim Warten erledigt. Das Warten ist ein riesen Feld für ungenutzte Produktivität. Und man könnte die Qual des Wartens in etwas Positives wandeln.
Irren ist menschlich (12)
"Der gesamte Weltmarkt hat für höchstens 5000 Kopiergeräte Bedarf."
Der Konzern IBM gegenüber den Gründern der Kopiergeräteherstellers Xerox, 1959
Geschrieben von Christof Hintze
in Berühmte Worte
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Favorite Art – Paul Klee Abenteuerschiffe
Ein Paul Klee Austellungsposter hing an meiner Wand. Das war so eine Angewohnheit. Wenn unsere Eltern uns erst gegen unseren vehementen Widerstand in und durch eine Ausstellung schleppten, dann konnten wir nachher gar nicht genug davon bekommen. Schon seltsam, dass man Menschen zum Glück überwinden, überreden, überzeugen und übertölpeln muss. Kultur ist immer eine Überwindung. Zuerst hatte ich immer keine Lust. Denn es hing immer mit Neuem, Veränderung und Auseinandersetzung zusammen. Und mit Bewegung. Da der Mensch von Natur aus aber eher häuslich ist, deshalb ist der Weg zur Kultur oft zu weit, zu kalt oder anderweitig zu beschwerlich. Ich danke meinen Eltern, dass sie diesen Widerstand immer wieder gebrochen haben. Denn ich war lange nicht so weit, zu entscheiden, welche Bewegungen oder Begegnungen mir nutzen oder schaden könnten. Das gibt man zwar ungern zu. Zudem macht man es den Eltern nicht leicht. Aber so ist es nun mal. Da muss man gemeinsam durch. Nicht der einfachste, leichteste und bequemste Weg ist der, der einen erfüllt und mit Leidenschaft beseelt. Sicher nicht.
Deshalb ist dieses Bild ein Sinnbild für kulturelle Überwindung. Denn nur mit der kommt man selbst kulturell weiter. Man muss sich schon aufraffen und überwinden, wenn man mehr erleben will im eigenen Leben.
Geschrieben von Christof Hintze
in Paradigmenwechsel
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Montag, 20. November 2006
Action bitte
In irgendeinem Blog habe ich die Puppe schon mal gesehen. Ich denke, es war bei der Riesenmaschine. Bestimmt! Oder? Egal. Sie ist mir nur noch mal ins Auge gefallen. Denn Sigmund Freud als Actionpuppe, das ist echt abgefahren. Vor allem super zu gebrauchen bei Ehepaaren, die sich hin und wieder in die Haare bekommen. Oder bei Chefs und/oder Mitarbeitern, die unübersehbar und unüberhörbar Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legen. Auch geeignet ist die Puppe für viele Meetings, an denen das Über-Ich unentwegt sich produziert. Die Puppe müsste nur sprechen können. Und bei bestimmten Signalen Sätze von sich geben wie: "Sie benötigen ärztliche Hilfe." Oder: "Es liegt offensichtlich eine Störung in ihrer analen Phase vor!" Alternativ "orale" usw. Sehr schön ist: "Ihr Über-Ich sollte für einen Moment mal schweigen." So 10 Sätze müssten genügen, um eigentlich immer den selben Punkt zu treffen: Minderwertigkeitskomplex, Kindheit, Vater, Mutter, Eitelkeit, Ego oder Habgier.
Wäre sicherlich lustig.
Irren ist menschlich (11)
"Ich glaube, es gibt einen weltweiten Bedarf an vielleicht fünf Computern."
IBM-Chef Thomas Watson im Zweiten Weltkrieg, Quelle: Ute Dorau und Peter Woeckel, "Jobreport Informationstechnologie", München 2001
Geschrieben von Christof Hintze
in Berühmte Worte
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Sensationell viermalig dumm gelaufen
Wie blöd muss man sein, um bei der ersten Disziplin als Favorit eines Zehnkampfes bei den olympischen Spielen am ersten Tag nicht nur 3, sondern, damit mit der Disqualifikation auch gar nichts schief gehen kann, gleich 4 Fehlstarts hinzulegen? Bei allem Respekt für das dumpfe Gemüt von Leistungssportlern - da steckt mehr dahinter. Bis heute bin ich der festen Überzeugung, dass dieser damals junger Mann Dreck am Stecken hatte. Bzw. im Blut und/oder Urin. Um sich vor größerem Schaden zu bewahren, kam er auf diese völlig absurde Idee. Disqualifikation! Entschuldigung bei den Sponsoren, aber keine Sperre. Was dieser damals jungere Herr dabei nicht überblicken konnte, ist, was nachträglich bis heute daraus wurde. Da wäre er mit einer Dopingsperre für zwei Jahre, aber Gold im Zehnkampf für 24 Stunden besser bedient.
Bis heute erklärt mir niemand, vor allem nicht dieser damals junge Herr, dass es wirklich ein Versehen war. Verarschen kann ich mich auch selbst. 4 Jahre Vorbereitung. 5 Tage Training pro Woche für nur ein Ziel. 6 Stunden auf dem Sportplatz. Schwitzen, quälen. Immer wieder sich den 10 Herausforderungen stellen. Sponsoren. Die Öffentlichkeit. Und noch tausend Dinge mehr.
Wenn ich 3 Promille gehabt hätte, wäre ich trotzdem nach dem zweiten Fehlstart mal ganz entspannt aus den Blöcken. Und hätte mir gesagt: Junge, das fängt ja schon mal gut an. Aber dann noch 2 Fehlstarts hinterher. Schon klar. Schon klar. Kann passieren. So blöd kann keiner sein. Aber warum hat der sich nicht nach dem ersten Start an den Oberschenkel gefasst? Und sich theatralisch auf die Bahn geworfen? Hätte sich runter tragen lassen. Tränenüberströmt. Mit einer, sagen wir mal in Neudeutsch, Verletzung im Aduktorenbereich. Schöne dicke Bandage mit Eis drunter. Schmerzverzerrtem Gesicht. Und mit den Fäusten auf den Boden hämmernd. Und die Arme in dem Himmel reckend. Also, ich hätte mit den Blutwerten eine Show auf die Tartanbahn gelegt, dass die Menschen vor Mitleid mir noch heute um den Hals fallen würden. Ihre Töchter anbieten würden. Und alles andere. Bis heute wäre ich der König der Werbeverträge. Für Versicherungen, für Krankenkassen, für...
Geschrieben von Christof Hintze
in Fight-Club
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Sonntag, 19. November 2006
Ein weiteres, seltenes Exemplar meiner weltberühmten einsamen Angler-Fotos
Ein weiterer mir gänzlich völlig unbekannter Angler. Ammersee. Sonntag 19.November 2006. MEZ 11.24 Uhr. Schondorf. 12 Grad in der Sonne. Ich hoffe der Köder schmeckt dem Fisch. (Achtung: Sie brauchen in diesem Bild nicht nach einem Flugzeug zu suchen!)
Geschrieben von Christof Hintze
in Weltberühmtes
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15:06
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Samstag, 18. November 2006
Ich nehme gerne alles zurück - Jack Nicholson in der Süddeutschen. Jetzt aber Richtig.
Ihr erinnert Euch? Bestimmt!
Nun nehme ich gerne alles zurück. Und wie. Was ich alles Schlechtes über das wirklich schlechte Interview gesagt habe, weil die Süddeutsche überragend gekontert, im SZ Magazin, mit diesem fantastischen Interview. Absolut lesenswert.
So habe ich mir das gewünscht. Perfekt. Wundervoll. Respekt. Großartig. Das ist Jack. Das ist meine Süddeutsche. Ich dachte schon die wollten mich veräppeln, vor ein paar Tagen. Dabei waren das nur die Vorboten, für das.
Nun nehme ich gerne alles zurück. Und wie. Was ich alles Schlechtes über das wirklich schlechte Interview gesagt habe, weil die Süddeutsche überragend gekontert, im SZ Magazin, mit diesem fantastischen Interview. Absolut lesenswert.
So habe ich mir das gewünscht. Perfekt. Wundervoll. Respekt. Großartig. Das ist Jack. Das ist meine Süddeutsche. Ich dachte schon die wollten mich veräppeln, vor ein paar Tagen. Dabei waren das nur die Vorboten, für das.
Geschrieben von Christof Hintze
in blue notes
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14:00
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Freitag, 17. November 2006
(Erinnerung) Chiemgau V
In Sachrang saß Frau Spiess vom Gasthof zur Post am Ende einer unendlich langen Diele. Sie saß hinter der Rezeption und telefonierte. In der Diele gleich links stand Ambassador, das Pferd vom Gasthof zur Post, das, so erklärte uns Frau Spiess, für gewöhnlich vor dem Gasthof steht und die Aufmerksamkeit Reisender auf sich zieht, was den Effekt hat, dass sich die Reisenden unwillkürlich vom Gasthof angezogen fühlen. Das Pferd war schwarz und gesattelt, aber unecht, und steht, wie gesagt, eigentlich vor dem Gasthof. Der Gasthof steht in Sachrang seit 1825, Dorfstraße No. 7. Die Straße, die an Sachrang vorbeiführt, kommt von Tirol herüber und verläuft entlang der Prien talwärts, erreicht dort Hohenaschau, passiert den Schlossberg mit dem Schloss Hohenaschau, erreicht den Chiemgau, von wo aus man nach München, nach Salzburg oder nach Norden weiterreist. Die Diele des Posthotels, wie Frau Spiess den Gasthof auch nennt, wärmt der große, weiße Kamin, auf den Ambassador blickt. Ambassador stammt aus dem Elsaß, wo er im Besitz eines Antiquitätenhändlers war. Der Kamin ist nicht antik. Er zieht auch noch nicht wie ein großer, weißer alter Kamin. Ambassador nimmt das gelassen.
–––
Wir waren den Fußweg von Hohenaschau heraufgekommen, an einem kühlen fünfzehnten Mai, ein Tag, an dem sich der Mensch ebenso nach der Sonne reckt, wie die Wiesenblume und das Kraut am Weg. Überhaupt ist es wert, über die Kräuter zu sprechen. Zum Beispiel über den Bärlauch, der unterwegs allgegenwärtig in der Nase war, und den wir abends auf unseren Tellern in einer Quarkcreme wiederfanden. Ebenso den Löwenzahn, der uns als Salatgarnitur an Penne in Mascarponemohn schmeckte. Hubertus, der Koch, erzählte uns von einer Stelle am Bach, von der er die Brunnenkresse sichelweise holt. Kaum zwanzig Schritte die Dorfstraße hinauf erzählte uns noch ein anderer vom Reichtum der örtlichen Botanik. Peter Hueber, der zwischen 1766 und 1843 in Sachrang lebte, weithin bekannt als der Müllner-Peter von Sachrang, ein Mann mit universellen Interessen und vielseitigen Talenten: Müller, Musiker und Heiltätiger an Mensch und Vieh. Er besaß keine medizinische Ausbildung. Sein Wissen beruhte auf Überlieferungen und eigenen Erfahrungen; seine Behandlungen auf der Kräutermedizin. In seinem Schreibbuch hat er beinahe einhundert Rezepturen notiert. Im Sachranger Heilkräutergarten haben wir die vielen Pflanzen gefunden, die schon zu Lebzeiten des Müllner-Peter im Priental auf Bergwiesen, in den Feldern, im Wald und in den Bauerngärten wuchsen. Eine Rezeptur Gebliet reinigente Spezies aus Peter Huebers Schreibbuch laß sich so: Franzosenkraut 4 loth, Sassafras 2 loth, China Wurzel, Sarsaparillen, jedes anderhalb loth, Meertrauben 3 loth, Süßholz 1 loth.
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Vor dem Essen tranken wir Sherry und Martini bianco auf Eis mit einer Scheibe Zitrone. Nach dem Essen rauchte sie eine französische Zigarette. Wir ließen uns auch die Zigarren zeigen, entschieden uns aber für einige Whiskys, nichts besonderes, aber sie taten gut, liefen scharf die Speiseröhre hinab und füllten den Magen mit Wärme und die Köpfe mit Bildern. Ob der Müllner-Peter je einen Fuß über die Schwelle des Posthotels gesetzt hat? Ein Menschenleben lang war das Haus Dorfstraße No. 7 Wohnhaus, wusste Frau Spiess zu berichten, hochherrschaftlicher Familiensitz des Freiherren von Cramer, bevor es um 1890 herum für Reisende geöffnet zum Gasthaus wurde. Wenn Peter Hueber das Haus betreten haben sollte, dann also nicht, um dort zu logieren. Aber er hat mit dem Freiherren und dessen Familie zu tun. In unserer Vorstellung kommt dafür nur der Zeitraum zwischen 1825 und 1843 in Betracht. Also die Jahre zwischen der Erbauung des Hauses und dem Tod des Müllner-Peters. Wir nehmen noch einen Schluck aus unseren Gläsern, als Peter Hueber an die Tür des Freiherren klopft. Er könnte von der Herrschaft als Lehrer gerufen worden sein. Als Musikleherer unterichtete er im Dorf. Es läge auch nahe, dass er in Person des Müllers Geschäftliches mit seinem Grundherren zu regeln hatte. Oder – was noch näher lag: der Grundherr mit ihm. Vielleicht waren es aber auch seine Kenntnisse als Laienarzt, von welchen man sich im Hause Cramer Hilfe versprach. Die Laienbehandlungen, wie der Müllner-Peter sie praktizierte, waren zwar schon 1808 verboten worden, aber weder die medizinische Versorgung noch der lange Arm des Gesetzes reichten vor zweihundert Jahren bis in die hintersten Winkel des Landes.
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Wir waren den Fußweg von Hohenaschau heraufgekommen, an einem kühlen fünfzehnten Mai, ein Tag, an dem sich der Mensch ebenso nach der Sonne reckt, wie die Wiesenblume und das Kraut am Weg. Überhaupt ist es wert, über die Kräuter zu sprechen. Zum Beispiel über den Bärlauch, der unterwegs allgegenwärtig in der Nase war, und den wir abends auf unseren Tellern in einer Quarkcreme wiederfanden. Ebenso den Löwenzahn, der uns als Salatgarnitur an Penne in Mascarponemohn schmeckte. Hubertus, der Koch, erzählte uns von einer Stelle am Bach, von der er die Brunnenkresse sichelweise holt. Kaum zwanzig Schritte die Dorfstraße hinauf erzählte uns noch ein anderer vom Reichtum der örtlichen Botanik. Peter Hueber, der zwischen 1766 und 1843 in Sachrang lebte, weithin bekannt als der Müllner-Peter von Sachrang, ein Mann mit universellen Interessen und vielseitigen Talenten: Müller, Musiker und Heiltätiger an Mensch und Vieh. Er besaß keine medizinische Ausbildung. Sein Wissen beruhte auf Überlieferungen und eigenen Erfahrungen; seine Behandlungen auf der Kräutermedizin. In seinem Schreibbuch hat er beinahe einhundert Rezepturen notiert. Im Sachranger Heilkräutergarten haben wir die vielen Pflanzen gefunden, die schon zu Lebzeiten des Müllner-Peter im Priental auf Bergwiesen, in den Feldern, im Wald und in den Bauerngärten wuchsen. Eine Rezeptur Gebliet reinigente Spezies aus Peter Huebers Schreibbuch laß sich so: Franzosenkraut 4 loth, Sassafras 2 loth, China Wurzel, Sarsaparillen, jedes anderhalb loth, Meertrauben 3 loth, Süßholz 1 loth.
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Vor dem Essen tranken wir Sherry und Martini bianco auf Eis mit einer Scheibe Zitrone. Nach dem Essen rauchte sie eine französische Zigarette. Wir ließen uns auch die Zigarren zeigen, entschieden uns aber für einige Whiskys, nichts besonderes, aber sie taten gut, liefen scharf die Speiseröhre hinab und füllten den Magen mit Wärme und die Köpfe mit Bildern. Ob der Müllner-Peter je einen Fuß über die Schwelle des Posthotels gesetzt hat? Ein Menschenleben lang war das Haus Dorfstraße No. 7 Wohnhaus, wusste Frau Spiess zu berichten, hochherrschaftlicher Familiensitz des Freiherren von Cramer, bevor es um 1890 herum für Reisende geöffnet zum Gasthaus wurde. Wenn Peter Hueber das Haus betreten haben sollte, dann also nicht, um dort zu logieren. Aber er hat mit dem Freiherren und dessen Familie zu tun. In unserer Vorstellung kommt dafür nur der Zeitraum zwischen 1825 und 1843 in Betracht. Also die Jahre zwischen der Erbauung des Hauses und dem Tod des Müllner-Peters. Wir nehmen noch einen Schluck aus unseren Gläsern, als Peter Hueber an die Tür des Freiherren klopft. Er könnte von der Herrschaft als Lehrer gerufen worden sein. Als Musikleherer unterichtete er im Dorf. Es läge auch nahe, dass er in Person des Müllers Geschäftliches mit seinem Grundherren zu regeln hatte. Oder – was noch näher lag: der Grundherr mit ihm. Vielleicht waren es aber auch seine Kenntnisse als Laienarzt, von welchen man sich im Hause Cramer Hilfe versprach. Die Laienbehandlungen, wie der Müllner-Peter sie praktizierte, waren zwar schon 1808 verboten worden, aber weder die medizinische Versorgung noch der lange Arm des Gesetzes reichten vor zweihundert Jahren bis in die hintersten Winkel des Landes.
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in Weite Welt
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18:49
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Dingsda & Dingsbums
Was sich noch schneller als alles andere verbreitet, ist das Halbwissen. Von dem ist offensichtlich nicht mal mehr die Hälfte übrig. Mit zunehmender Verbreitungsgeschwindigkeit nimmt sogar das Halbwissen ab. So eine Art Reibungsverlust (wie bei der stillen Post, wenn ihr wisst was ich meine!). Darum ist das Halbwissen meistens nur noch ein Viertelwissen. Wenn überhaupt. Aber das ahnt der Viertelwissende nicht, denn er denkt das Halbwissen wäre das ... Dingsda, na, Sie wissen schon...äh...Dingsbums.
Jedenfalls bleibt vom eigentlichen Wissen nicht mehr viel übrig. Wie auch. Man muss ja auch immer mehr wissen. Was unweigerlich dazu führt, dass man über immer mehr, immer weniger Bescheid wissen kann. Ist doch logisch. Wer immer mehr Länder auf der Erde bereist, kann über immer mehr Länder ein wenig mehr, aber über immer weniger Länder viel mehr wissen. Weil er ja mehr über die anderen zu wissen scheint.
Oder anders ausgedrückt. Wer sehr viele Instrumente spielen kann, kann in der Regel keins so richtig gut. Oder wer viele Sportarten kann, kann keine so richtig. Und so weiter. Somit ist die Wissens-Gesellschaft eine zunehmend Wenigerwissens-gesellschaft. Klingt komisch, ist aber so.
Ganz einfach ausgedrückt. Wer Wissen quantitativ vermehrt, verliert an qualitativem Wissen. Und wir nennen uns doch Wissensgesellschaft. Die von immer mehr, immer weniger Ahnung hat.
PS: Oder wie bei Speisekarten, wenn die länger werden als 10 Seiten und die Gerichte 3-stellig durchnummeriert sind, dann macht sich unweigerlich das Gefühl breit, dass nichts so richtig gut ist. Weil zu viel. Bei Speisekarten mit einer Seite, ist das Gefühl ein ganz anderes. Da glaubt man zu wissen, dass diese wenigen Gerichte exzellent sein müßten.
Geschrieben von Christof Hintze
in blue notes
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13:34
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Dickes Ding: Napoleon
Der Versuch, seine eigene Zeit zu überleben, hat in Frankreich große Geschichte. Jeder der soll, kann und darf setzt sich mindestens ein Denkmal. Centre Pompidou. Flughafen Charles de Gaulles. Mitterands Pyramide im Hof des Louvre usw. Napoleon hat sich etwas ganz Besonderes augedacht, damit seine Nachwelt ihn in welcher Erinnerung auch immer hält. Er bestand darauf, in einem Sarg aus einem Stück rotem Marmor begraben zu sein. Aber wie diese Popstarzicken war das bei weitem noch nicht genug. Wie in einer Zwiebel befinden sich darin über 10 weitere Hüllen und im Kern des Ganzen, da liegen nur noch die Überrreste von Napoleon. Denn seine Sonderbestellung ließ viele, viele Jahre auf sich warten.
Selbst Schuld. Zu bewunderm in Paris im Dom Invalid. Und sicher nicht zu übersehen.
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