Freitag, 16. November 2007
Die fleißigen Bienchen
Unser System ist voller fleißiger Bienchen. Singles. Völlig verlassen von der Hoffung nach so etwas wie einer funktionierenden Beziehung. Man hat sich verworfen und überworfen mit seiner Familie und dem Familienglück. Man lebt allein. Und dabei zufrieden.
Kinder? Nein danke! Eine Beziehung – bloß nicht! Eine Wochenenden bei den Eltern? Mir graust es! Da liegt man lieber im Wohnzimmer und verschlingt ein Buch nach dem anderen. Bei einer guten Tasse Tee. Kühlschrank auf. Kühlschrank zu. Fernseher an. Fernseher aus. Blick auf das Telefon. Wenn könnte man mal anrufen? Oder wer hat mich eigentlich schon lange nicht mehr angerufen.
Die Gläser könnte man mal polieren. Da ist ja echt viel Staub drauf. Die Post. Die Post könnte man holen. Nein, nicht am Wochenende. Könnte was übles drin sein, dann ist das ganze Wochenende dahin.
E-Mails checken, das könnte man mal machen. Siehe da, 5 neue, 4x Spam und 1x Job. Dann kommt wieder Montag und die freiwillig gewollte Einsamkeit hat ein jähes Ende. Man kann sich wieder voll in seine Arbeit stürzen. So ohne Anbindung ist man der ideale Mitarbeiter. Man kann ja eigentlich immer und immer alles verschieben. Der perfekte Mitarbeiter.
Der durch nichts gestört und abgelenkt wird. Weniger krank und viel flexibler als die Anderen. Was soll man sonst auch machen. In der Wohnung erwartet einen ja niemand. So macht man seine Reisen, alleine oder mit jemandem aus dem Freundeskreis.
Die schlimmste Zeit ist die Winterzeit. Weihnachten, Neujahr und auch der drohende immer wiederkehrende Geburtstag. Es sind die Tage, an denen man unweigerlich mit so etwas wie inniger Gemeinschaft konfrontiert wird, auch wenn man es nicht aushält. Der Job läuft gut, denn man ist eben fleißiger als all die Anderen. Aber sonst ist es schon seltsam.
Die Zeit läuft und läuft. Tagein, tagaus. Einer wie der andere. Man wird älter und wenn man so lange alleine ist, dann hat man sich in seinem eigenen Leben eingerichtet. So eng, dass da keine Luft für jemand anderes mehr ist. Dieses völlig unbeobachtet sein in seinem eigenen Leben macht einem schon mal zu schaffen. Das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden.
Dabei hat man doch so viele Interessen. Die Musik. Das Kochen. Das Reisen. Das Malen... Und so vieles mehr. Man hat so viele Interessen, dass einem nicht langweilig wird. Man hat sich eine Vollbeschäftigung verordnet. Die Freizeit ist minutiös durchgeplant, damit man nicht zu oft auf sich selbst und seine Einsamkeit stößt.
Langeweile gibt es nicht. Es gibt immer was zu tun. Man ist ja fleißig. Ein fleißiges Bienchen. Der perfekte Mitbürger. Steuerklasse 6. Konsum aus Einsamkeit. Alles in Ordnung. Sogar auf die Voruntersuchungen freut man sich, weil diese Abwechslung ins Leben bringen. Manchmal denkt man sich, wie es wohl wäre, wenn man eine schlimme Krankheit hätte. Wer sich alles um einen rührend kümmern würde. Bei dem Gedanken wird einem ganz anders und man betet, dass hoffentlich nichts ist.
Emotionen. Die holt man sich in passenden Dosen aus den dafür geeigneten Medien. Traurige Musik. Fröhliche Filme. Anrührende Bücher. Schockierende Nachrichten. Alles da, um sich wenigstens als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen.
Und ab 5.00 Uhr morgens liegt man dann hellwach im Bett und die Gedanken machen einem Angst, schüren Befürchtungen, lassen Schlimmes erahnen. Kleinigkeiten stampfen wie Elefanten über das Gewissen. Da steht man lieber gleich auf, als sich weiter mit diesen Gedanken zu plagen, obwohl man schon um 21.00 Uhr den Abend zuvor eingeschlafen ist.
So macht man weiter und weiter, als fleißiges Bienchen. Und mit dem Honig versucht man, das Beste daraus zu machen. Allein. Bis auf weiteres.