Montag, 12. März 2007
Ein Tag mit Wind und Sonne (Hansgeschichten)
Es klang wie Sturm, aber der Himmel war auch blau. Nur an den schnell ziehenden Wolken war zu sehen, dass es mindestens die Ausläufer eines Sturms sein mussten. Der Wind blies direkt in den Hafen hinein und strich über die Wanten, wie ein Bogen über die Saiten eines Cellos. Hinausgefahren war niemand und alle waren mit Decksarbeiten beschäftigt oder kamen von ihren Einkäufen zurück. Die großen Wolken, getrieben vom Wind, warfen große schwarze Schatten auf die bewaldeten Hügel ringsum. Die See war ganz grün und noch in der Bucht mit weißen Schaumkronen betupft. Die großen Silbermöwen standen gegen den Wind, buchstäblich am Himmel klebend, immer darauf aus, im Flug von den Booten ein Stück Brot zu ergattern.
Die Julisonne hatte Hans den Nacken verbrannt. Durch den Wind war es immer kühl gewesen und er hatte nicht gemerkt, wie ihm die Sonne auf den Nacken gebrannt hatte. Die Haut brannte wie Feuer und am Abend würde sie noch mehr brennen, wenn es dunkel geworden war. Hans dachte an Schatten. Vom Festland kommend hatte er am Tag zuvor den Kranz der ockerfarbenen Häuser erblickt und er drehte sich jetzt nach den Häusern um und suchte nach einem Zugang, der in die Oberstadt führen würde. Er durchschritt einen Torbogen und der Wind war augenblicklich nicht mehr zu spüren. Als er wieder ins Licht trat, sah er die Häuser, die ihm jetzt mehr gelblich erschienen; sie hatten grünen Fensterläden, die um diese Zeit fast alle verschlossen waren. Wäsche flatterte vor den Fenstern der oberen Stockwerke. Die Mittagshitze hatte jedes städtische Leben von den Straßen gebrannt. Die Geschäfte hatten geschlossen und ihre Besitzer hatten sie mit Gittereisen oder schweren Holzläden verriegelt. Die Straßen waren schmal und mit unterschiedlichen Steinen bepflastert. Es gab Flächen, die mit handtellergroßen Steinen belegt waren. Sie waren quadratisch gehauen, grau und grob. Andere Flächen waren mit größeren Steinplatten belegt, die so blank gescheuert waren, als habe man sie mit Speck eingerieben.
An einem großen Platz, auf dem Autos parkten und auf dem im Zentrum ein bronzenes Denkmal mit den Worten AI SUOI EROI CADUTTI PER LA PATRIA an die Helden des IV NOVEMBRE MCMXXII erinnerte, war eine Bar geöffnet. Auf der Terrasse der Bar war niemand. Der Wind hatte einen aufgespannten Sonnenschirm zerlegt. Ein anderer, der noch geschlossen war, war umgefallen wie ein Baum. Niemand war da, der sich kümmerte.