Sonntag, 25. Februar 2007
Wasserballett (Hansgeschichten)
Hans sah zum Strand hinüber. Die gelben Sonnenschirme hatten sich gerade ganz schmal gemacht. Die grünen Sonnenschirme waren noch aufgespannt, aber nicht mehr alle. Das Boot schwoite um den Drehpunkt der Ankerkette herum. Die tiefstehende Sonne kam jetzt genau von vorn. Wenn Hans sich umdrehte, öffnete sich der Blick aufs Meer. Wenn er sich wieder zurückdrehte, stand die Sonne genau über der Bucht und über der schwarzen Hügelkette, wo unterhalb der Strand lag, an dem den ganzen Tag gebadet worden war. Das Radio meldete jetzt kurz nach achtzehn Uhr: Station Grosseto: heute, zwölf Uhr, 29 Grad. Das Radio brachte das Wetter jeden Tag um diese Zeit und jeden Tag mit der gleichen Monotonie in der Ansage.
In der Bucht hatte höchstens eine Handvoll Boote Platz. Ihr Boot lag seit Mittag vor Anker. Die Zeit bis zum Abend hatten sie sich mit schwimmen, schnorcheln und Dingi-Fahren vertrieben.
Am Abend holten sie den Anker ein und brachten das Boot in eine andere Position. Ein sachter Wind spielte mit dem Boot, drehte es immer wieder herum und wieder zurück und wieder herum; es war nervös, wie eine Kompassnadel. Die Sonne stand bald genau im Westen. Am Strand waren jetzt alle Sonnenschirme zugeklappt; die gelben und die grünen. Von den anderen Booten schwebten leise Stimmen über das Wasser heran.
Lange nachdem der Mond aufgegangen war, war das dumpfe Grollen der Fischerboote zu hören. Sie fuhren unter dem vollen Mond auf der scharfen Kante des Meeres von der einen zur anderen Seite der Bucht, weit draußen, als kleine, weiße Lichtpunkte, sammelten sich an einer Stelle und verschwanden um die Landzunge herum und waren auch nicht mehr zu hören. Der Mond hatte seine Farbe von rot-orange nach weiß gewechselt und die Lichterkette der Fischerboote kam wieder hinter der Landzunge hervor. Die Boote verharrten eine Zeit lang in einer bestimmten Position. Das Mondlicht teilte die Bucht und die Fischerboote standen in der einen Hälfte. Der Wind hatte gedreht und das Meer schickte keine Motorengeräusche mehr herüber. Die Fischerboote standen paarweise oder zu dritt. Der Mond stieg schnell.
Die ankernden Boote ringsum hatten ihre Topplichter gesetzt und kreiselten um ihre Drehpunkte. Die Fischerboote rückten dicht zueinander. In das äußere Boot kam Bewegung und es querte in schneller Fahrt die Lichtpunkte der übrigen Boote. Der Mond stand jetzt höher, als die Topplichter der ankernden Boote. Das Fischerboot, das die anderen Boote gequert hatte, war hinter der Landzunge verschwunden.
Schwell kam auf und die ankernden Boote begannen zu schaukeln. Eines der Fischerboote stand jetzt direkt in den Reflexionen, die der Mond auf die Meeresoberfläche zeichnete. Auf dem Nebenboot war eine Person auszumachen, die den Anker kontrollierte.
Nach Mitternacht kam noch mehr Schwell und das Schaukeln der Boote nahm zu. Die Buglage der Boote zeigte an, dass der Wind jetzt aus südlicher Richtung in die Bucht hinein blies. Das Fischerboot, das die Gruppe der anderen Boote von links nach rechts gequert hatte, war hinter der Landzunge hervorgekommen und motorte als Lichtpunkt an seine alte Position; und als es an Fahrt aufnahm, war da auch das Grollen des Motors zu hören.
Der Wind hatte zum wiederholten Male gedreht und kam jetzt aus nördlicher Richtung und nicht mehr vom Meer. Der Mond hatte die Topplichter der Boote um eine Mastlänge überstiegen. Das Meer reflektierte das Mondlicht immer mehr als breiten Punkt. Auf den unbewaldeten, felsigen Stellen der Hügel lag das Mondlicht weiß wie Schnee. Das Grau des Himmels und das Grau des Meeres begannen miteinander zu verschmelzen.
Von der felsigen Küste war ein leises Anrollen der Wellen zu hören.
Lange nach Mitternacht frischte der Wind weiter auf und der Schwell nahm noch einmal zu. Der Mond hatte fast den höchsten Stand erreicht und leuchtete bereits über der Landzunge steil in die Bucht hinein und strahlte die weißen Bootskörper an. Vom Strand her war Lachen zu hören und von da, wo das Lachen herkam, war ganz klein ein rotes Feuer zu erkennen.
Lange bevor es hell wurde war Hans eingeschlafen. Am Morgen waren die Fischerboote fort und die Sonnenschirme waren alle noch ganz schmal.