Die Zeit begleitet einen durchs Leben. Damit könnte auch die Wochenzeitschrift gemeint sein, ist es aber nicht, sondern die Zeit in Zahlen. Von überall her begegnet einem die Zeit. Mal mehr, mal weniger. Mal steht die Zeit, mal klingelt es um eine Zeit. Man schaut oft nach der Zeit. Im Schulunterricht musste ich lernen, wie lange noch nur fünf Minuten bis zur Pause dauern können und wie schnell in einer Prüfung drei Stunden herum waren.
Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann bekam ich meine erste Armbanduhr. Ich denke, es war eine Timex oder eine Seiko. Sie hatte im Dunkeln leuchtende Streifen, daran kann ich mich noch erinnern. Jedenfalls ist der Blick auf die Uhr ein Bewegungsablauf, der sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Wie oft und wie lange hat man auf Uhren geschaut, um die Zeit zu erfahren. Manchmal mit triftigem Grund, meistens völlig grundlos.
Überall sind Uhren. Überall steht die Zeit. Ständig begleitet uns unsere Zeitrechnung. Ständig leben wir in dem Gefühl, die genaue Zeit zu kennen. Zudem werden wir ständig nach der Zeit gefragt. Deshalb fragen auch wir ständig nach der Zeit. Wie spät ist es? Wie viel Uhr ist es? Wie lange noch? Es gibt Zeiten, da kommt man an - Ankunftszeiten. Und dann gibt es Zeiten, da reist man ab - Abfahrtszeiten. Dann gibt es Zeiten, da verweilt man für eine bestimmte Zeit an einem Ort - Ortszeiten. Ständig sprechen wir über die Zeit, wie lange diese war oder wie kurz. Wann genau diese war. Wir teilen vieles in Zeit ein - Zeiteinheiten. Man ist 11 Jahre verheiratet. Die Kinder sind x Jahre alt. Man hat 6 Monate keinen Führerschein. Man wartet schon 30 Minuten. Man ist 15 Minuten hinter der Zeit. Der Wecker klingelt zu einer bestimmten Zeit.
Und von Zeit zu Zeit müssen wir uns über die Zeit vergewissern, obwohl es immer dieselbe Zeit ist, denn es ist immer genau jetzt. Ein Film dauert 120 Minuten. Ein Fußballspiel 90 Minuten plus Nachspielzeit. Ein Ei kochen dauert 5 bis 8 Minuten. Das Leben besteht aus Zeiten. Das ganze Leben. Dann gibt es noch die Arbeitszeit und die Freizeit, aber eigentlich ist auch das alles dasselbe, nämlich Lebenszeit.
Männer neigen dazu, sich so teure Zeiteisen, wie es nur geht, um das Handgelenk zu legen, weil der Schmuck, den sie tragen können, ohne dass es ganz peinlich wird, sich eigentlich auf Armbanduhren beschränkt. Teure Zeitzeichen sind ein Zeichen von Wohlstand, Status, Individualität und Geltungsdrang. Es gibt Armbanduhren für 4,99 EUR und für 55.000 EUR. Aber alle können im Prinzip nur dasselbe - die Zeit zeigen. Auch ich bin von diesem Männertrend nicht ganz verschont geblieben. Auch ich hatte eine Zeit, in der ich zeigen wollte, wie gut ich bin. Aber das ging vorbei. Nicht, weil mich teure und schöne Uhren nicht mehr interessieren, aber ich habe meine Eine gefunden und dafür alle anderen liegengelassen oder ihnen keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Ich bin in Sachen Armbanduhren nicht nur monogam, sondern auch fest dazu entschlossen, sollte diese Uhr mal nicht an meinem Armgelenk sein, aus welchen Gründen auch immer, dass diesen Platz nie wieder eine andere einnehmen wird.
Das ist sie, das war sie und somit ist für mich das Kapitel beendet. Denn es erscheint mir ohnehin als ein größeres Privileg, zeitlos zu sein und durchs Leben zu gehen. Gerade Menschen ohne Uhr und ohne Handy bewundere ich auf seltsame und unübersehbare Art und Weise. Weniger scheint auch hier letztendlich spürbar mehr zu sein.
Meine innere Uhr beeindruckt mich ohnehin. Oft wundere ich mich über mein exaktes Zeitgefühl. So wache ich grundsätzlich genau 1 Minute, bevor der Wecker klingelt von selbst auf, um diesen auszuschalten. Mein Zeitgefühl verlässt mich selten. Und falls doch, sind die Gründe dafür nachvollziehbar. Das mit den Stunden, Minuten und Sekunden kann ganz schön anstrengend werden. Deswegen erscheint es auf meinem langen Lebensweg zur Gelassenheit auch nur logisch, dass der Zeitpunkt kommt, da ich nur noch von einer Zeit rede und auch nur noch in einer lebe - im Jetzt.