Sonntag, 29. Juni 2008
Das Wunder von Wien 2008
Mensch, ist das ein schönes Spiel! Vor allem wenn man Anhänger der Deutschen ist, die nach Schlusspfiff laut Gary Linecker immer irgendwie gewonnen haben. So kommen auch mal Fans von Schalke, Dortmund oder Berlin in das Gefühl, das normalerweise nur wir Bayern Münchner genießen dürfen.
Deutschland hat es also wieder mal geschafft! Von allen Experten in Grund und Boden geschrieben nach den dürftigen Auftritten in der Vorrunde oder im Halbfinale, haben sie das Finale erreicht. Zum 13. Mal bei einer EM oder WM. Da bleibt dem Rest der Welt nur neidisches, aber anerkennendes Staunen.
Jetzt will ich hier mal auspacken, woran das liegt, dass wir Deutschen so erfolgreich Fußball spielen. Weil wir spielen wie Verkäufer. Wir lassen uns nur an unserer Wirkung messen. Lehrer, Künstler, Beamte, Verwalter, Politiker, Manager, Handwerker. Sie alle arbeiten ihn ihrem Bereich. Aber nur bei Verkäufern zählt am Monatsende das nackte Ergebnis. Und der nächste Monat beginnt wieder bei Null. Null Ergebnis. Null Einkommen. Null Anerkennung. All das muss man sich jeden Monat neu verdienen.
Wer das internalisiert hat, für den ist Fußball ganz einfach. Es geht um das Ergebnis, die Wirkung des Tuns auf dem Platz. Frühere Erfolge sind obsolet, uninteressant und werden nicht gezählt.
Sollen doch all die Spanier, Türken, Kroaten, Italiener, Niederländer, Franzosen und Engländer weiterhin glauben, sie spielten den besseren Fußball. Dabei gibt es aus gutem Grund keine Gewichtsklassen wie beim Boxen. Logisch wirkt eine Latte wie Mertesacker oder Metzelder nicht so filigran wie ein 1,60-Mann Iniesta, Ribery oder Robben. Ihre Aufgaben sind auch ganz andere. Es geht nur darum, die kleinen, wuseligen Dribbler nicht effektiv werden zu lassen. Zaubern dürfen sie, bitte sehr. Nur eben brotlos. Wenn sie den Medien glauben, die das Prinzip Fußball am allerwenigsten verstanden haben, lesen sie in der Zeitung des nächsten Tages weiterhin lieber von ihrer A- und ihrer B-Note, statt gewinnen zu wollen. Wie beim Eiskunstlauf oder Skispringen. Sie berauschen sich an ihren Haltungsnoten. Ha! Falsche Sportart, Jungs, können wir da nur mitleidig lächeln.
Oder die immer wieder verfolgte Legende der Erfolglosen, es ginge darum, große Stars hervorzubringen. All die Xabis, Ronaldos, Snijders und Pirlos rühmen sich ihrer Spielstärke. Wir sind aber bei einem Mannschaftssport, werfen wir heute mal ein, nicht beim Golf oder Tennis. Wahre Sieger werfen ihr Können für ihr Team in die Wagschale. Da wird geballackt, gefringst und gehitzelbergert auf Deubel komm’ raus. Wer mal gegen die gespielt und verloren hat, weiß wie es ist, nicht das tun zu können, was man eigentlich machen will: Für sich selbst glänzen. Glatte Spielverderber eben.
Wenn es um etwas geht, verstehen das bei uns sogar solche Typen wie Schweini, Poldi oder Lahm, die in allen, nicht deutschen Teams dieser Welt die großen Individualisten wären. Aber höchstens auch nur zweite Sieger, also erste Verlierer. Am besten offenbart sich dieses Wirkungsprinzip beim „moment of truth“, beim Verkaufsabschluss. Hier: Das Elfmeterschießen.
Der Spieler, der anläuft, kann eine Pirouette drehen, einen Handstand machen oder seine Haare toupieren. Gezählt wird aber nur, ob der Ball ins Netz geht. Egal, ob angeschnitten, gelobbt oder mit der Pike. Jeder Treffer zählt letztlich nur einen Punkt. Verstanden?