Sonntag, 24. Mai 2009
Ich hatte mal einen Freund
Eventuell war es auch keiner. Nur ich dachte, es wäre einer. Aber vielleicht war es doch mal ein Freund. Jedenfalls würden nun beide sicher unterschreiben, dass wir diesen Level verlassen haben. Warum? Einfach ausgedrückt: Geld! Am Ende geht es um Geld, wie so oft. Und da hört bekanntlich für viele die Freundschaft auf. Bei mir fängt sie im Gegensatz dazu an.
Warum schreibe ich das? Weil ich einen Missstand beschreiben will. Es gibt Menschen und das sind nicht viele, die sind mit der simplen Botschaft ins Arbeitsleben geschickt worden: Hast du was, bist du was. Somit verfestigte sich der Eindruck und die Überzeugung, wenn man genug Geld hat, dann hat man viele oder sogar alle Freiheiten, von denen man geträumt hatte. Und so ging man dann die Sache an, auf dem Weg zur Freiheit die Abkürzung über den Reichtum nehmen zu wollen.
Und so als junger Krieger ist man zu vielem bis allem bereit, um dieses Ziel auch zu erobern. Man setzt alles ein, was man hat. Die Zeit, die Kontakte, die Energie und alles andere, was dazugehört auch. Am Anfang waren wir viele mit demselben Ziel. Und so unternahmen wir alles, was uns diesem Ziel näher brachte. Einige fielen irgendwann ab, aus welchen Gründen auch immer. Andere zogen weiter und weiter.
Die Menge derer, die weiter auf das Ziel hoffen durfte, wurde kleiner und kleiner. Aber die machten unaufhörlich weiter, immer im sicheren Glauben, auf dem richtigen Weg zu sein. Genau an dem Punkt kam mir eines Tages ein Gedanke in den Kopf. Die Opfer, die ich bringe, stehen in keinem Verhältnis zum Gewinn. Und umso mehr ich erreiche, umso unfreier werde ich. Nennen wir es mal zwei Killeraplikationen auf dem Weg nach oben.
Plötzlich stand ich da in einer Schlacht, die es für mich nicht mehr wert war zu schlagen. Plötzlich stand ich da neben Kriegern, die bis vor kurzem meine engsten Vertrauten waren und plötzlich war deren Gegenwart für mich nicht mehr erstrebenswert. Ganz im Gegenteil. Meine Überzeugung sagte mir, dass der Weg zu mir selbst und zur Freiheit ein anderer ist. Er ist meiner, mein eigener, den ich nur ganz allein gehen kann. Somit wechselte ich die Seiten. Legte die Selbstlügen, die Waffen und alles andere beiseite und ergriff meine Mittel der Wahl. Nicht sofort. Nicht konsequent. Nicht konstant. Aber im Laufe der Zeit immer mehr und mehr.
Somit war klar, dass die Freunde von damals sicher nicht mehr die Freunde meiner Zukunft sein werden, denn das Missverständnis und das Unverständnis waren unüberwindbar. Und ich wollte mich auch nicht erklären oder andere angreifen. Dieser Kampf war mir ein Greuel geworden. Ich wollte meine Ängste und meine Befürchtungen gegen Zuversicht eintauschen und ich war bereit, Wohlstand gegen Freiheit einzutauschen.
Auf dem langen Weg zu mir ist mir natürlich viel widerfahren und begegnet, nicht nur schöne Aspekte. Aber auch das Scheitern habe ich ertragen, um danach besser zu scheitern. Und noch besser zu scheitern, damit irgendwann das Scheitern ein Ende hat. Nun bin ich unlängst an einem Punkt angekommen, wo ich förmlich spüre, dass alle Bemühungen, alle Investitionen, alles sich gelohnt hat. Ich bin umso viel freier, als ich damals war, dass ich manchmal weinen könnte vor Glück.
Mein ehemaliger Freund ist auf seinem Weg geblieben. Er hat alles unternommen und versucht, um über den Wohlstand einen Status von Freiheit zu erreichen, von dem man nur träumen kann. Dieser Plan hat sich nicht erfüllt. Er ist eingebunden in Zwänge, die ich keinen Tag aushalten würde. Er hat sich eine Welt von Verpflichtungen geschaffen, unter deren Last ich sicher zusammenbrechen würde. Er zahlt für das, was er unter Freiheit versteht, einen verdammt hohen Preis. Höher, viel höher als das unglaubliche Geld, das er verdient. Sein Leben ist voller fauler Kompromisse, voller schlechter Diplomatie und alles wird gerechtfertigt durch das Geld, das er verdient und das Leben, das er damit anderen ermöglicht.
Somit kann man sagen, wir haben uns entfernt, weit voneinander entfernt. Wir sprechen nicht mal mehr dieselbe Sprache. Es liegt noch viel mehr belastend über unserer Freundschaft, aber dafür ist hier nicht der Raum und der Rahmen, sondern ich wollte dieses Beispiel aus meiner Lebenserfahrung nur niederschreiben, um zu verdeutlichen: Mach dein Ding. Und glaubt mir, Freiheit kann man sich ebenso wenig kaufen wie Liebe. Beides muss man sich verdienen. Somit tun sie mir alle nur leid, die vielen, die so erpicht sind auf eine grandiose Karierre. Deren Vorstellungen, was man mit viel Geld so alles erreichen und machen kann, so falsch sind. Ich finde viel Geld wunderbar, aber die Frage bei diesem Geschäft ist: Was ist der Preis dafür? Und da sollten viele besser mal das Kleingedruckte des Lebens lesen und Goethes Faust.
Der Deal geht nicht auf. Deshalb ist die Gier auch so groß, vor allem die Habgier. Weil die Befriedigung ausbleibt, muss die Dosis immer weiter erhöht werden, bis sie dahin führt, wo Überdosis immer hinführt. Es sind Ziele einer alten Gesellschaft und Ziele unserer Eltern. Es sind nicht unsere Ziele. Sogar die Werkzeuge sind veraltet. Somit können diese Menschen ruhig das ganze Geld haben, denn sie haben nicht das, was sie eigentlich gesucht haben. Das ganze Geld, die ganzen Dinge, alles das bringt einen vom eigentlichen Ziel nur ab. Aber das kann man keinem erklären, da muss man selbst draufkommen. In diesem oder vielleicht in einem nächsten Leben, wenn es das gibt.
Manchmal frage ich mich, ob dann doch alle im Alter, auch im hohen, hinter das Geheimnis der Freiheit kommen. Dass Freiheit nicht bedeutet, was man sich alles nehmen, vor allem herausnehmen kann, sondern dass Freiheit vor allem daraus besteht, was man nicht tut. Was man sich nicht herausnimmt. Ich glaube nicht. Ich bin mir nicht sicher.
Ich für meinen Teil haben keinen Freund verloren, sondern mein Leben gewonnen. Und der Preis dafür war wesentlich geringer, als man denken würde. Das ist so, wenn man auf der anderen Straßenseite des Lebens steht. Jeder glaubt natürlich, seine ist die schönere, egal, wie er sich im Inneren dabei fühlt. Der Schein ersetzt eben oft das Sein. Aber etwas sagt mir, dass dieses Leben gegen die Vernunft, gegen den logischen Menschenverstand, gegen die eigene Intuition, sich böse rächt. Also, sagen wir mal so, ich hatte das Gefühl, dass es so kommen würde. Deshalb bin umgedreht oder abgebogen.
P.S. Keine Angst, ich habe noch einen Freund. Oder Zwei. Oder Drei. Es sind nicht viele. Aber die Zeit zeigt, es sind Freunde.
Anmerkung: Ich habe diesen Beitrag vor einiger Zeit geschrieben und im System unter Entwurf liegen lassen. Peter hat ihn aus Neugierde gelesen und mich mehrmals gebeten, ihn doch bitte zu veröffentlichen. Denn er hat für ihn selbst darin einige wichtige und wesentliche Aspekte entdeckt, mit denen er sich total identifizieren kann. Und wenn ein Freund einen Bittet, dann macht man das.