Montag, 19. Mai 2008
Allein
Man kommt allein zur Welt und verabschiedet sich von dieser auch ganz allein. Allein das müsste einem zu denken geben. Wir sind oft allein. Mit uns allein. Oft sehe ich Männer allein Rennrad fahren. In den meisten Autos sitzen Menschen ganz allein. Viele Büros setzen Menschen allein in ein Zimmer. Vieles können wir auch nur allein machen. Einiges wollen wir nur allein machen. Und wenig aber nicht unerhebliches dürfen wir nur alleine machen.
Ich schreibe völlig allein. Allein mit meinen Gedanken. Allein mit meiner Tastatur. Ich glaube, die natürliche Sehnsucht nach Gemeinschaft ist so groß, weil wir in Wirklichkeit viel allein sind. Vor allem ungewollt. Die meisten Entscheidungen treffen wir allein. Die meisten Gedanken tauschen wir mit uns allein aus. Auch Befürchtungen, Vorfreude, Trübsal und große Erfolge machen wir mit uns allein aus.
Auch wenn viele Menschen um uns sind, sind wir meist allein. Allein die Distanz zu unserer Umwelt nimmt ständig zu. Im Flieger sitzen 180 Menschen allein auf dem Flug von München nach Düsseldorf. Ich steige ein und kenne niemanden und ich steige aus und kenne niemanden. Im Zug sitzen 400 Fahrgäste meist völlig allein. Es ist seltsam aber Wirklichkeit - sogar unter vielen Menschen sind wir auf uns allein gestellt.
Manchmal beobachte ich völlig unbekannte Menschen. Und dann fällt mir auf, dass diese isolierte mir unbekannte Person ein Eigenleben hat. Mit allem, was dazu gehört. Tanten, Onkel, Glück, Urlaub, Wohnung, Opa, Liebe, Enttäuschungen und allem, was zu einem Menschen dazu gehört. Dann fällt mir auf, dass jeder Mensch ein komplexes und komplettes Eigenleben hat und das über Generationen hinweg. Wahnsinn denke ich dann immer.
Dieser Mensch, der da ganz alleine steht, der war Weihnachten vielleicht bei seinen Schwiegereltern. Oder schon mal in Tibet. Der könnte auch schon mal mit dem Fallschirm abgesprungen sein. Alles ist möglich. Aber alles das behält er für sich allein. So gehen wir an unzähligen Geschichten vorbei, die wir nie erfahren werden.
Ganze Städte sind voller solcher Menschen und Geschichten und ich kenne nicht mal eine Geschichte, geschweige eine Person. Wenn es diese Stadt nicht geben würde, würde es mir nicht mal auffallen. Und das gilt nicht für Deutschland, sondern insbesondere für den Rest der Welt.
Ich kenne sogar Millionenstädte nicht. Wahnsinn, denke ich mir dann. Diese vielen mir völlig unbekannten Menschen. Dann wird mir klar, wie allein man letztendlich doch ist. Und bleibt. Und allein sein eigentlich nicht das Problem sein kann, sondern das Gefühl von ungewollter Einsamkeit.