Mittwoch, 9. April 2008
Kochkultur
Gemeinsam: ausdenken, aussuchen, abstimmen, auswählen, einladen, einkaufen, kochen, essen, zusammen sitzen, aufräumen...
Die eigentliche Kultur des Essens liegt im Kochen begründet - nicht im Essen. Das Kochen ist der wichtigere Teil. Erst die Zubereitung von Mahlzeiten stellt die wichtige Verbindung zur Gemeinschaft, zur Nahrungsmittelkette, zu allem möglichen her. Wer Essen geht, dem fehlt dieser wichtige Teil. Wer sich nur bekochen lässt dem auch.
Somit ist auch die Zeit der Zubereitung wichtig. Kochen kann oder soll eben dauern. Dinge brauchen ihre Zeit. Das vergisst oder übersieht man, wenn man selbst nicht kocht.
Daraus entstehen diese unerträglichen Menschen in Restaurants, denen es nie schnell genug gehen kann. Die gemeinsame Zeit um das gesamte Ritual des Kochens ist einer der wichtigsten kulturellen Bestandteile der Menschen.
Würden die Menschen mehr miteinander kochen und essen, gäbe es auch diese Mengen von Essstörungen nicht. Zudem wären die Menschen ausgeglichener, freundlicher. Der Gemeinschaftssinn wäre wesentlich ausgeprägter.
Also kann man durch die Kultur des miteinanders kochens nur gewinnen. Wer das nicht macht, kann kulturell gesehen nur verlieren. Denn die Welt derer, die nicht miteinander kochen, teilt sich auch in zwei Welten, die einen kochen und die anderen essen. Diese beiden Welten treffen aber nicht aufeinander. Die einen verschwinden in Küchen, die anderen sitzen am Tisch.
Schicken sie mal jemanden, der nur essen geht, in den Garten, um Rosmarin abzuschneiden. Sie werden sich wundern, mit was der zurückkommt.
Somit weicht der gesamte Vorgang der Zubereitung einem wesentlichen Teil der Esskultur, dem Essen. Aus diesem Grund kann man beobachten, wie in den kulinarischen Tempeln die Formen der reinen Esskultur immer absurdere Zustände einnehmen. Ohne Zubereitung fehlt offensichtlich etwas. Das muss kompensiert werden. Bei einem Blick auf den Teller muss einem erst mal einer erklären, was sich da findet - an...unter...über..bei...
Den Verlust der gemeinsamen Zubereitung von Mahlzeiten sehe ich als einen zentralen Verlust unserer Kultur an. Denn hier werden die Gespräche geführt, die einen weiterbringen. Hier wird das Prinzip „Wir“ erlebbar. Hier schafft die Gemeinschaft wesentlich mehr, als der einzelne im Stande gewesen wäre zu leisten. Hier kommen unterschiedliche Menschen zusammen bis hin zu unterschiedlichen Generationen. Hier wird Bildung weitergegeben, werden Erfahrungen ausgetauscht. Hier zählen Fähigkeiten und Bereitschaft.
Ich z. B. bin ein perfekter Wegräumer und Schnippsler. Fast unbemerkt tänzle ich um die Kochenden herum und versorge diese mit Kochwein und räume alles weg, was nicht mehr gebraucht wird. Wenn die mit dem Kochen fertig sind, sieht die Küche so aus, als ob keiner gekocht hätte. Zudem bin ich ein guter Tischdecker, Abräumer und Aufräumer.
Aber meine Fähigkeiten als Schnipplser werden auch oft benötigt. Ich mache alles klein, in Scheiben und Würfel oder wie auch immer. Ich stehe gerne an der Spüle und mache noch die Weingläser sauber. Oder räume die letzte Spülmaschine ein.
Gemeinsam: ausdenken, aussuchen, abstimmen, auswählen, einladen, einkaufen, kochen, essen, zusammen sitzen, aufräumen...