Donnerstag, 30. November 2006
Wohin guckst du? Was siehst du?
Kommunikationen der Vergangenheit und auch noch der Gegenwart sind Monokulturen. Diktaturen der Sichtweise. Denn sie zeigen in der Regel nur eine einzige Sichtweise. Diese sollen alle Betrachter auf dieselbe Weise nachvollziehen können, wie derjenige, der diese Sichtweise geprägt hat. Kann das funktionieren? Und wenn, was funktioniert?
Wenn man ein obskures Objekt aufstellen würde, und man würde Menschen davor stellen, die dieses dann später beschreiben, dann würde sich aus der Menge der Beschreibung ein immer besseres Bild des Objektes zusammenfügen. Weil jeder bestimmte Teile seiner Wahrnehmung beschreiben würde. Die einen die Farbe, die anderen mehr die Form, die Größe, die Tiefe, das Material, den Ausdruck, die Oberfläche und so weiter. Wohl niemand könnte das Objekt in seiner vollkommenen Beschaffenheit so exakt beschreiben, dass alle Menschen es ebenso exakt nachvollziehen könnten. Werbung tut aber so, als ob sie genau das könnte.
Wenn man 100 Menschen kreisförmig um ein Gebäude verteilen würde und abwechselnd jeder beschreiben würde, was er sieht, müsste man resümieren, dass alle etwas anderes gesehen bzw. wahrgenommen haben. Denn mit jedem neuen Blickwinkel verändert sich die Sicht der Dinge. Somit beschreiben alle das Selbe völlig anderes, weil sie jeweils einen anderen Blickwinkel einnehmen. Es klingt somit alles anders, aber ist das Selbe. Die Werbung behauptet, einen richtigen Blickwinkel zu zeigen.
Wir nehmen alles unterschiedlich wahr. Aufgrund von Bewusstsein, Unterbewusstsein, Prägung, Bildung, Umfeld, Alter, Geschlecht, Religion, Sexualität, Herkunft, Familienstand, Haushaltseinkommen, Tageszeit, Hunger, Durst, Sättigung, frieren, schwitzen, Zeit haben, gehetzt sein, psychologischer, physiologischer Eigenschaften, weil wir dick , klein oder groß sind. Blaue Augen haben. Eine Glatze. Lange Haare. Körpergeruch. Gut drauf sind. Gerade einen schlechten Tag haben und so weiter. Unzählige Einflüsse beeinflussen die Wahrnehung des Selben. Das Selbe ist somit völlig unterschiedlich.
Werbung umgeht dieses Tatsache mit einem simplen Manöver, das aber nur sehr mäßig funktioniert. Einfache, aufmerksamkeitsstarke Botschaften, möglichst stark und redundant zu penetrieren. Somit soll hier das Gesetz des Stärkeren sich durchsetzen. Was schon als Naturgesetz gescheitert ist. Denn die Werbewirkung ist nur hoch, wenn der Einsatz der Mittel hoch ist. Somit subventionieren viele Unternehmen ihren Umsatz. Würden sie weniger Umsatz in Kauf nehmen, könnten sie auf diese Art der Werbung ruhig verzichten. Und würden ebenso gut da stehen. Denn mit dem weniger Umsatz sind ja auch weniger Mittel aufgewendet worden.
An den verminderten Umsatz und die verminderten Kosten sind andere unangenehme Kosten gebunden, die man ebenfalls los wäre. Aber wenn man das macht, ist die Freude nur kurz. Denn plötzlich fällt der Umsatz weiter. Er bleibt nicht auf dem niedrigeren Niveau, sondern fällt weiter. Das ist schlecht. Auch alle Maßnahmen, diese Entwicklung zu stoppen, funktionieren nicht. Es bedarf einer Trendwende und dafür muss eine Entwicklung erst verlangsamt werden, gestoppt werden, umgekehrt werden und dann wieder beschleunigt werden.
Somit ist auch an falscher Werbung etwas Richtiges. Nur was? Die Präsenz. Der Kunde kann sich Inhalte und Informationen so gut wie gar nicht merken. Sondern nur eine Präsenz einer Marke nachempfinden. Diese Präsenz unterliegt nun Merkmalen, die meiner Geschäftsentwicklung zuträglich sein kann, oder dem entgegen wirken kann. Aber Präsenz ist wichtig. Denn nur durch diese können wichtige Verknüpfungen hergestelt werden. Man wird schlicht und einfach vergessen. Verschüttet. Man kann sich realativ schnell nicht mehr daran erinnern. Auch wenn die Präsenz mal sehr groß war.
Das glauben Unternehmen in der Regel nicht. Weil sie die Präsenz ihres Unternehmens aus dem eigenen Blickwinkel wahrnehmen. Und da ist es unvorstellbar, dass es an Präsenz fehlen könnte. Wenn mich ein Freund anruft und mir mitteilt, dass wir vor 6 Monaten das letzte Mal Kontakt hatten, dann kann mir das sofort auffallen oder nicht. Das ist eine Frage der Präsenz. Somit ist die Vereinfachung von Botschaften hilfreich. Weil sie auf das Konto der Präsenz immer wieder einzahlen. Aber ebenso wichtig ist die Relevanz dieser Präsenz. Denn was hilft es mir, dass ich nett war, hübsch, billig, nah oder cool, wenn die Kaufentscheidung letztendlich für jemanden anderen ausfällt?
Das ist ein starker und überzeugender Hinweis, dass man die Relevanz falsch eingeschätzt hat. Denn auch hier gilt das Prinzip des Blickwinkels. Oftmals kommunizieren Unternehmen das, was sie als relevant empfinden. Was aber bei weitem draußen so nicht der Fall sein muss. Somit fallen erfolgreiche Marken und Unternehmen in Sachen Kommunikation vor allem immer wieder durch die selben Faktoren auf: Genügend Präsenz. Hohe Relevanz. Positive Erscheinung. Und ein tragendes Involvement. Das mich immer an den Kundennutzen erinnert. Das alles kontaktnah, konsequent und mit einer großen Ideenvielfalt immer wieder an den Absender adressiert.
Somit gibt es keine integrierte Kommunikation, sondern eine integrierende Kommunikation. Denn eine integrierte Kommunikation berücksichtig ausschließlich den Blickwinkel des Unternehmens. Eine integrierende Kommunikation würde aber alle Blickwinkel der Zielgruppen berücksichtigen. Wie sie auf meine Marke auf meine Produkte fallen. Das können Unternehmen und Werber nicht leisten. Deshalb ereicht auch nur ein kleiner Teil, was man sich vom Budget erhofft. Würde man die vielen Kunden und seine vielen Blickwinkel berücksichtigen, dann würde man jeden Kunde bei ihm selbst abholen. Die Zeit drängt nicht. Es bleibt viel Zeit und es benötig viele Ideen, um immer mehr da abzuholen, wo man sie abholen kann.
Alles das braucht man natürlich nicht, wenn der relevante Kundennutzen alles übersteigt. Aber auch hier sollte man sich selbst ehrlich gegenüber sein. Seine eigenen Ideen erscheinen einem immer relevanter, als sie womöglich in Wirklichkeit sind. Ich weiß das.
Geschrieben von Christof Hintze
in Marketing Lektion
um
07:00
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Tags für diesen Artikel: Blickwinkel, Gegenwart, Kommunikationen, Marketing, Marketing Lektion, Vergangenheit, Werbung
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