Montag, 23. April 2007
Frankfurt ist keine Reise wert
Einen Teil meiner Kindheit habe ich am Taunus verbracht. Es ist der schönste Teil meiner Kindheit. Aber in sicherer Entfernung von Frankfurt. Eine Stadt, bei der die Gegensätze so nah beieinander liegen, dass einem offensichtlich klar wird, dass dies keine Gegensätze sind. Man muss schon aus einem besonderen Gas geformt sein, um in der unmittelbaren Nähe von Frankfurt-Höchst seinen Lebensmittelpunkt zu bestreiten. Und Apfelwein als sein Lieblingsgetränk zu bewerten. Zudem sich in einer Sprache zu unterhalten, die daraus besteht, dass man einfach alle Endungen weglässt. Kann man das überhaupt als Dialekt bezeichnen, oder sollte man das mehr als Sprachfehler sehen? Frankfurt hat meinen Bruder geschluckt. Und er hat es gut gemeint mit der Stadt, aber sie nicht mit ihm. Mein Vorurteile und negativen Urteile über Frankfurt sind sehr lang und gehen sehr tief. Wenn ich nicht unbedingt muss, dann meide ich diese Stadt.
Aber manchmal kommt es eben anders, als man will. So musste ich vor nicht all zu langer Zeit nach Frankfurt. Meine Versuche, nach Wiesbaden auszuweichen, scheiterten am Veto anderer. Somit landeten wir in Höchst. In der ersten Nacht wurden wir durch einen Giftgasalarm aus den Betten gerissen. Ein Feuer ist in einer Chemiefabrik ausgebrochen. Wir sollten vorsichtshalber die Fenster schließen. In unmittelbarer Nähe begannen schon die Vorbereitungen zur Evakuierung. Aber man konnte die Gefahr noch in den Griff bekommen und Herr der Lage werden. Wäre auch schon übel gewesen, wenn meine Mutter in ein und derselben Stadt zwei Söhne verlieren müsste.
Am dritte Tag wurde ins Auto eingebrochen. Beschaffungskriminalität. "Das passiert hier öfters", bekamen wir dann zu hören. Das hätten die mir nicht sagen müssen. Mein Weg nach Frankfurt dauerte mit dem Auto fast 6 Stunden. Zurück bin ich mit dem Auto in 3 Stunden 40 geflohen. Auch das ist ein Zeichen meiner Liebe zu Frankfurt. Aber man muss ja nicht jeden und alles in sein Herz schließen. Es ist auch in Ordnung, wenn man einiges aus dem Herzen verbannt. Denke ich. Jedenfalls habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn es um Frankfurt geht. Tut mir echt leid, Frankfurt, aber Du hast deine Chance gehabt. Wir werden nie Freunde. Und ich nie Ehrenbürger deiner Stadt. Aber ich denke, damit können wir beide leben. Aber meine Befürchtung, dass dein Hunger, Leben zu zerstören, unersättlich ist, ist mir dann doch zu groß. Und ausprobieren will ich es auch nicht.
Freitag, 20. April 2007
BIS. Bilfinger Berger Industrial Services. Denn einer muss es tun.
Die Bilder der Arbeit sind aus unserer Umwelt und den Medien so gut wie verschwunden. Also, der richtigen Arbeit. Die Bilder der Neuzeit bestehen nicht aus Arbeit, sondern aus cleveren Menschen. Die es irgendwie schaffen, ohne viel Aufwand sehr viel Profit aus ihrer Cleverness zu schlagen. Meist nur mit Hilfe des Telefons oder eines Computers.
Aber damit unsere geliebte Industriewelt so reibunglos funktioniert, wie es alle für normal halten, dafür gibt es sie noch. Die echten Arbeiter. Sie legen eigenhändig Eisenteile behutsam auf die Seite, wie andere Kugelschreiber. Nur mit dem Unterschied, dass diese soviel wiegen wie 3 Kisten Bier. Sie scheinen wie übrig geblieben aus einer anderen Zeit. Diese Menschen, die hinlangen, zupacken, heben, greifen und machen. Mit ihren Körpern. Die Luft einatmen, die so gar nicht nach Büro, 24. Etage, duftet. Die Konfektionsgrößen haben, die allein schon den Unterschied machen, zwischen diesen beiden Welten. Hier sind Männer am Werke. Nicht so etwas ähnliches.
Wer hier Fehler macht, der zahlt einen hohen Preis. Den seiner Gesundheit. Wer hier nicht mitdenkt und mitmacht, dessen Gesicht muss man sich erst gar nicht merken. Hier verlässt man sich aufeinander, weil man sich verlassen muss, um nicht selbst verlassen zu sein. In der modernen Welt, für die diese Menschen wichtige Räder drehen, bringt man hier nicht viel Verständnis auf. Warum auch. Was hier die Exsitenz und Gemeinschaft sichert, ist, immer und immer wieder einen guten Job zu machen.
Alles andere ist hier sekundär. Hier hängen die Kalender an den Wänden, von denen sich viele fragen, wer hängt denn so was auf. Hier gibt es nur den einen Weg: den direkten. Für alles andere hat man keinen Kopf, keine Zeit und – was man wichtigsten ist – keine Lust. Wir alle wissen nicht, wie viel diese Männer dazu beitragen, dass unser System so läuft, wie es läuft. Im Laufe des Jobs, den wir für die BIS machen durften, haben wir kapiert, was hier alles läuft, damit bei uns alles läuft.
Und vor allem, wie gut es läuft. Aber bei dem Gang durch die Hallen habe ich mir immer die selbe Frage gestellt, wie kannst du diese Leistungsfähigkeit mit Hilfe von Werbung anderen glaubwürdig klar machen? Und zwar so klar, dass diese darauf zurück greifen. Ich habe keine Antwort gefunden. Weil in diese Welt keiner wirklich blicken will, sondern jeder nur den Nutzen daraus ziehen will. Wer will schon Müllmänner kennenlernen oder die Menschen in Müllverbrennungsanlagen, in Zementwerken, in Asphaltwerken im Straßenbau. Wer will schon gern den Männern begegnen, die dafür sorgen, dass wir unser Leben so leben können, wie wir es tun. Wir wollen das doch gar nicht sehen oder wissen. Wir wollen nur sicherstellen, dass es auch alles funktioniert.
Diese Frage hat mich traurig gemacht. Denn die Antwort ist so erschütternd. Somit habe wir uns entschlossen, das Fenster zu öffnen für diese Art von Arbeit und für diese Männer. Die dafür sorgen, dass unsere Energie aus der Dose kommt, dass unser Gesundheitswesen auf Arzneimittel zurück greifen kann, kurz gesagt, dass die Industrie ihren Job machen kann. Die Instandhaltung der Großindustrie ist ein logistisches Meisterwerk und eine physische Meisterleistung. Hier wird dafür Sorge getragen und gewährleistet, dass alles im Fluss bleibt. Die Dimensionen, die hier bewältig werden, sind so unvorstellbar groß, dass ich nicht mal den Versuch unternehme, diese zu verdeutlichen.
Wir wünschen uns, dass viele durch das Fenster schauen und Respekt zollen. Das haben diese Männer verdient.
Bilder: Peter von Felbert
Mein größtes Vorurteil
Mein wohl größtes Vorurteil, das ich hege und pflege und von dem ich oberflächlich völlig überzeugt bin, lautet: "Das kriegen die nie so hin wie ich!" Das Dumme an diesem meinem Lieblingsvorurteil gegenüber dem Rest der Welt ist nur: das denken fast alle. Schade. Wirklich schade. Dabei musste ich so hart daran arbeiten, vollends davon durch und durch überzeugt zu sein. Jetzt erscheint es nur noch lächerlich. Somit muss ich mich aufmachen nach einem neuen, schönen Vorurteil.
Wie wäre es denn mit: "Alle anderen haben immer die schlechtern Ideen."?
Donnerstag, 19. April 2007
Jeder mit seinen Mitteln
Alle schütteln verwundert den Kopf, wenn nach außen dringt, was drinnen wirklich abgeht. Dabei möchte ich mal eine Lanze für die brechen, die sich einiger Praktiken bedienen, die einer ganze Republik übel aufstoßen. Zum einen schaut dieselbe Republik auf jeden Medaillenspiegel, aber Doping ist eine Todsünde? Beim internationalen Fußball geht es bei einigen Vereinen offensichtlich mit unlauterem Wettbewerb zu und trotzdem wird man national daran gemessen. Unter dem ständig steigenden Druck immer höher, weiter, breiter, größer, mehr zu erzielen, gehen jedem normalen Mensch schon mal die Mittel aus. Aber hinterherschauen will man auch nicht. Und Jahrhundertalente wachsen nicht an Bäumen. Somit ist der Versuchung, sich unlauterer Mittel zu bedienen, Tür und Tor geöffnet. Und es geht noch weiter, es gilt innerhalb dieser Kreise als völlig normal. Die Frage beim Doping ist nur, wie intelligent ist die Gestaltung, dass niemand dahinter kommt.
Ich möchte mal sehen, was passieren würde, wenn die deutschen Vereins-Fußballmannschaften so lange nicht mehr an Turnieren teilnehmen, bis die betriebswirtschaftlichen Regeln für alle dieselben sind. Oder aus den Börsen dieser Welt sich alle deutschen Konzerne verabschieden, bis auch da für alle Unternehmen dieselben Gesetzmäßigkeiten gelten. Denn in anderen Ländern, so wie auch bei uns, wird der Leistungssport sicherlich ebenso unterstützt, wie die großen Konzerne. Die sogenannten Aushängeschilder. Und wer da die Nase vorne haben will, der muss zu allen Mitteln greifen, die ihm diesen Vorsprung verschaffen. Nur erwischen lassen darf man sich dabei nicht. Das darf um Gottes Willen nicht passieren. Das schlägt schwer in das Kontor des Vertrauens ein.
Aber was soll man machen? Wir können uns die Situationen nicht vorstellen. Da kaufen ständig Konzerne andere. So muss man darauf achten, nicht plötzlich gekauft worden zu sein. Die Börse will immer Spitzenwerte. Sonst wird man empfindlich abgestraft. Somit müssen gute Nachrichten produziert werden und das jedes Quartal. Und dann auch noch der politische und gesellschaftliche Druck. Die einen drängen einen dazu, immer mehr Personal einzustellen. Der Wettbewerb baut aber schadlos und unbeobachtet von der Öffentlichkeit Arbeitsplätz ab. Dann sollen natürlich historische Investitionen am Standort Deutschland getätigt werden. Der Wettbewerb hat längst die Landesgrenzen verlassen und kann andersorten noch besser wirtschaften. Somit geht der Druck, die Erwartung völlig an der Realität vorbei. Weil die Spielregeln völlig aufgeweicht sind. Keiner hält sich mehr dran und wir sollen päpstlicher sein als der Papst, aber ohne unangenehme Nebenwirkungen. Das nennt man, glaub ich, Doppelmoral.
Nicht, dass ich nicht diese Praktiken verachte und verurteile, aber was hilft das? Wenn die Ziele falsch sind, die diese Menschen erzielen sollen. Und die Spielregeln alles andere als sinnvoll sind. Dann kommt das raus, was wir jetzt entsetzt betrachten. Da wird der Krieg gegen die Drogenkartelle eröffnet und was passiert? Den ärmsten Bauern wird die Lebensgrundlage genommen. Und mal ehrlich, wer kauft denn die Drogen? Und so geht es weiter und weiter, tiefer und tiefer in den Schlamassel der falschen Ziele hinein. Dabei müsste man nur die Ziele ändern und die Spielregeln für alle festzurren. Dann würde wir viel mehr mit dem Kopf nicken als schütteln. Aber wem sag ich das?
Entregeln
Ich denke wirklich, es ist an der Zeit, dass wir uns entregeln. Was nicht bedeutet, dass wir uns nicht an Gesetzmäßigkeiten und Gesetze halten. Nein, dass wir nur sinngemäß anfangen, Regeln nach ihrer Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Denn Regeln sind Zäune bis hin zu Mauern, die wir ständig überwinden müssen, oder gegen die wir ständig stoßen. Mir fallen auf Anhieb viele Regeln ein, die völlig sinnentleert sind, an die sich aber sehr viele ständig halten. Weil man glaubt, es seien Regeln, die einzuhalten sind. Ich finde, in unserem Demokratieverständnis sind wir so weit, dass wir die zweite Phase erfüllen können müssen. Wir müssen selbst demokratische Entwicklungen einleiten. Man kann nicht immer darauf warten, bis der Gesetzgeber wieder neue Regeln aufruft, damit man anfäng, das zu tun, an dessen Richtigkeit man sowieso glaubt.
Das Brechen mit Regeln impliziert aber das geistige Vermögen, zu entscheiden, dass man dabei nicht die Freiheiten anderer einschränkt. Aber nehmen wir mal das Kravatten Tragen. Was soll das? Eine Kravatte hat keinen Sinn. Aber die Vernunft lässt viele sich diese wieder und wieder jeden Tag um den Hals legen. Sinnlos. Nicht rauchen wo Nichtraucher sind. Mal ehrlich, dass gebietet die Definition von Freiheit, dass man natürlich nicht da raucht, wo man die Gesundheit anderer gefärdet. Tempo 130 auf der Autobahn. Warum warten wir auf Schilder? Wir können doch ohnehin in 95% aller Fälle nicht schneller fahren.
Aufessen. Warum soll man den Teller leer essen, wenn einem nicht danach ist? Wählen gehen müssen. Warum soll ich wählen gehen, wenn es ein ebenso demokratischer Akt ist, wenn man den Parteien, die antreten, damit verdeutlichen will, dass niemand seine Stimme wirklich verdient hätte. Was meint Ihr, was los ist, wenn im Stadion nicht mehr 70.000 sitzen, sondern nur noch 3.000, weil das Spiel so langweilig geworden ist? Veränderung kommt durch Veränderung. Das eine leitet das andere ein. Somit ist es wirklich an der Zeit, Regeln zu überprüfen und alle über Bord zu werfen, die nur einer alten Vernunft entspringen, aber keinen Sinn mehr ergeben.
Mittwoch, 18. April 2007
Danke
Auch dieses Jahr durften wir uns wieder für den LHI Performance Bericht 2006 verantwortlich zeigen. Hier eine Auswahl von Bildern aus dem Shooting. Das gedruckte Werk sagt inhaltlich den wenigstens an dieser Stelle etwas. Wer will, kann ihn sich ja über die LHI zukommen lassen: www.lhi.de. Es ist mittlerweile der 6te der durch unsere Hände und Köpfe geht. Jedes Jahr haben wir das gute Gefühl, uns zum Vorjahr verbessert zu haben. Jedes Jahr denken wir voller Respekt ans nächste. Wird uns das noch einmal gelingen? So auch dieses Jahr.
Es ist nach unserer unmaßgeblichen Meinung der beste in der Reihe der letzten 6. Das müssen wir nicht, das wollen wir sagen. Und das liegt zu einem nicht unerheblichen Großteil weniger an uns, sondern umso mehr an unserem Kunden. Denn letztendlich bekommt der Kunden exakt, was er bestellt. Er hat bestellt. Wie jedes Jahr war sein und unser Ziel, das Vorjahr zu übertreffen. Deshalb sind wir sehr gespannt auf die Reaktionen. Innerhalb der LHI und natürlich auch außerhalb.
Peter von Felbert hat mal wieder wunderbare Fotos gemacht. Das Konzept hieß "Leidenschaft". Wir wollten ausdrücken, dass nur Menschen mit persönlichen Leidenschaften auch täglich ebenso zu Werke gehen. Man muss schon ein Macher im wirklichen Leben sein, um auch einer in der Arbeitswelt sein zu können. Interesse lernt man nicht, das bringt man mit.
Darum haben wir uns von allen fotografierten Mitarbeitern gewünscht, dass sie uns an den Ort bringen, mit dem sie die größte eigene Leidenschaft außerhalb der Businesswelt verbinden. Wir hoffen, dass diese Idee verstanden wird und dass der gewünschte Transfer auch stattfindet.
Menschen, die von zu Hause aus das mitbringen, was man leider nicht lernen kann. Wir hatten am gesamten Job und vor allem am Ergebnis großen Spaß. Und schauen voller Zweifel schon auf das nächste Jahr. Was soll uns da noch einfallen? Aber wie sage ich immer so gerne: Let's cross the bridge when we come to the bridge.
Und unserer ganz besonderer Dank gilt Daniela Grübel, der Marketingverantwortlichen auf Kundenseite. Mehr muss ich nicht sagen, sie weiß, warum. Kathi, ich habe dich nicht vergessen, aber ich wollte aus unserer Truppe keinen herausnehmen. Es ist note. Aber irgendwie bist du bei diesem Job besonders note.
Eine gigantische Vorwurfsmaschine
Ein nicht geringer Teil oder Anteil bzw. eventuell ein Großteil der geschäftlichen und manchmal auch der privaten zwischenmenschlichen, aber auch immer wieder an ganz und gar nicht menschliche Aspekte, wie Geräte oder Umstände aller Art gerichtete Kommunikation besteht ausschließlich aus Vorwürfen.
Man kann sagen, eine regelrechte, von gigantischem Ausmaß, ständige wachsende Vorwurfsmaschine rollt über uns hinweg. Und reißt uns alle mit. Wer ohne Vorwürfe ist, möge mit dem ersten Kommentar nach mir schmeißen. Eigentlich hat man das Gefühl, dass nichts richtig ist. Dass man es den Menschen aber auch gar nicht Recht machen kann. Egal, was man macht, sagt oder behauptet, zurück bekommt man mit absoluter und großer wahrscheinlichen Sicherheit einen Vorwurf.
Den man dann schon fast erwartet hat. Diesen schmettert man dann gekonnt zurück. Entweder mit einen noch größeren Vorwurf, oder in dem man den ankommenden Vorwurf barsch mit voller Wucht zurückkatapultiert. Das geht dann so eine Weile hin und her, her und hin. Bis man meist völlig vergessen hat, was eigentlich der Auslöser war, oder was vor dem Vorwurf stand .
Einen Vorwurf anzunehmen, heißt zugleich auch die Schuld auf sich zu nehmen. Welche, das bleibt oft unerkannt und im Dunkeln. Aber irgendetwas ist immer dran an so einem Vorwurf. Das ist wie Nudeln mit Tomatensoße essen und dabei ein weißes Hemd tragen. Da findet sich schon ein klitzekleiner roter Klecks.
Das Austauschen von Vorwürfen ist zu einer regelrechten Hoch-Un-Kultur aufgestiegen. Es gibt ganze Institutionen, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als anderen Vorwürfe zu machen. Und auf Vorwürfe mit modernsten Mitteln und Formulierungen zu reagieren. Es gibt eine regelrechte Vorwurfsindustrie, die von den täglichen, stündlichen, ach, was schreibe ich, von den minutigen Vorwürfen lebt.
Der Vorwurf hat, wie die Bedenken, den großen Vorteil, dass dieser aus der Luft gegriffen sein kann, darf und muss. Umso haltloser und unverfrorener der Vorwurf, umso bestechender seine Wirkung. Vorwürfe entstehen wie Gremlins, man muss nur einen gießen, dann entstehen aus dem Vorwurf viele neue wunderbare Vorwürfe.
Ruft man jemanden an, was hört man zuerst? Einen Vorwurf! Öffnet man einen Brief, oder lässt den Blick über eine Mail schweifen, was kann das Auge zuerst erkennen? Einen Vorwurf! Egal, wohin man sieht, wohin man hört oder wo man ist, was einem todsicher in rauhen Mengen immer begegnet, sind Vorwürfe.
Man stelle sich mal vor, man würde das 6. Gebot "Du sollst nicht töten" umformulieren in "Du sollt keine Vorwürfe machen, anderen nicht und dir selbst auch nicht." Denn das mit dem Töten, mal ehrlich, das schaue ich mir jetzt seit über 2000 Jahren an, dass klappt nicht. Obwohl man auch das mit dem Stehlen, oder Begehren austauschen könnte. Obwohl, eine vorwurfsfreie Welt ist ebenso undenkbar wie eine ohne Töten, somit könnte man es als 11. Gebot einfügen, aber vor "Du sollst nicht töten", also als neue Nummer 6 der Gebote, töten fällt dann auf Platz 7 zurück. Und insgesamt gibt es dann eben 11. Wie beim Werbegott, der hat doch auch 10 + 1 Gebote. Als ob er es gewusst hätte.
Mein Appell, mein Gebot der Zeit, mein Aufruf: Die absolut vorwurfsfreie Kommunikation allen und allem gegenüber. Geldstrafe gegen Vorwürfe verhängen. Einen Vorwurfskatalog erstellen, der alle Vorwürfe umfasst, die unter Geldstrafe stehen. Die erste vorwurfsfreie Gesellschaft werden. Was für eine brilliante Idee. Denkt mal darüber nach.
Dienstag, 17. April 2007
Wie weit?
Ich bzw. wir sind privat umgezogen. Das beschäftigt einen Menschen, auch mich. Zum einen ist ein Umzug mit Anstrengungen aller Art verbunden und dem gesellen sich noch eine Reihe von Gewaltakten hinzu. Bis hin zu finanziellen. Aber das einzige, was Mitmenschen interessiert, ist, wenn ich vom Umzug berichte: "Wie weit ist das weg von der Agentur?" oder: "Wie lange hast du es bis zur Agentur?" Am Anfang habe ich die Frage noch höflich beantwortet, aber als immer fortwährend dieselbe Antwort kam: Das ist ja ganz schön...! Dabei verstehe ich die Frage in dem Zusammenhang mit einem Umzug nicht. Meine Fragen lauten: "War es sehr anstrengend? Fühlt ihr euch wohl im neuen zu Hause? Wie habt ihr die ersten Nächte geschlafen?" Aber alles das will keiner wissen, sondern nur: Wie weit...?
Früher habe ich es 35 Minuten weit gehabt. Dann wurde ein neuer Zubringer gebaut, seit dem fahre ich in der Regel 50 Minuten bis zu einer Stunde. Bis zur Autobahn waren es nur 2 Minuten, weil wir sehr nah an der Autobahn wohnten. Was natürlich Anlass zur Kritik gab: "Das ist ja ganz schön nah an der Autobahn. Ist die sehr laut?" Nun, am neuen Wohnort, kann man von der Autobahn nichts mehr hören, weil diese 10 Minuten weg ist. Was wiederum zur Kritik führt. "Das ist ja ein ganz schönes Gegurke bis zur Autobahn." Auf der Autobahn verbringe ich nun im Schnitt 15 Minuten, weil die Autobahn immer frei ist. Aber es sind mehr Kilometer. Aber die Nettozeit, die absolute Zeit, die ich auf der Autobahn verbringe, ist nun 15 Minuten weniger. Aber das interessiert keinen, weil 55 Kilometer von Tür zur Tür natürlich nach mehr klingt als 36 Kilometer. Obwohl die 36 Kilometer länger dauern. Das ist aber ganz schön weit!
Der Weg durch die Stadt mit Parkplatzsuche ist unter 20 bis 40 Minuten nicht zu schaffen. Aber das interessiert keinen. Sondern was mir auffällt ist das unterschiedliche Lebenskonzept, jeder will dem anderen sein eigenes als das richtige verkaufen. Somit sind andere Konzepte natürlich nicht durchdacht. Und unverständlich. Aber niemand fragt nach den neuen Lebensumständen, der Lebensqualität. Fast niemand interessiert sich für mich bzw. uns. Sondern fast alle heucheln so ein Mitleid vor, wie weit wir jetzt vom wirklichen und richtigen Leben entfernt wohnen.
Somit ist das ein weiterer Beweis dafür, dass man nicht von anderen Menschen erwarten sollte, dass diese ein Interesse daran haben, dass man selbst noch besser zu seinem Glück findet. Sondern ganz im Gegenteil, jeder verkauft dem anderen seine Situation nur als das non plus ultra. So sind wir nun mal. Das ist mir auch bei Urlaubgeschichten aufgefallen. Wenn man anfängt, vom Urlaub zu erzählen, drehen sich die ersten Fragen meist um die Reisezeit und die Reiskosten. Fast nie fragt jemand: "Und, war's schön?" Als ob die Menschen befürchten, dass andere Lebenskonzepte auch glücklich machen könnten. Schade, dass viele so offensichtlich aneinander vorbeileben. Und so tun, als ob sie sich so nah wären.
Man müsste mal
Man hätte wissen können. Man sollte einfach. Kann jemand nicht mal? Man hat einfach nicht bedacht. Der dritte "Man", in der dritten Person. Da sitzen sie alle zusammen. Alle. Aber nur einer ist immer für alles verantwortlich. Nur einem kann man alles immer in die Schuhe schieben. Nur einer ist immer dran, Schuld und verantwortlich. Der unbekannte "man". Aber "man" ist nicht alleine, er hat einen Mitwisser, Mitmacher mit dem seltsamen Namen "Jemand". Jemand müsste da mal anrufen. Oder jemand sollte das mal runtertragen. Jemand hat dies oder das genommen. Also, dieser "Jemand" kann ganz schön einstecken. Was der alles getan und verbockt hat, geht auf keine Kuhhaut.
Wir stehlen uns aus der Verantwortung und der Pflicht und wir entziehen uns dem Handeln, was dem Denken auf dem Fuße folgen sollten, wenn wir alles an Menschen deligieren, die noch nie jemand gesehen hat. Die keiner kennt. Vor allem machen die das alles, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Sind nie krank und nie im Urlaub. Diese beiden unverwüstlichen Wegstecker kann man zwar immer und immer wieder ans Kreuz nageln, aber passieren wird doch nichts. Deshalb mein Tipp: Schmeißen Sie "Man" und " Jemand" sofort fristlos raus. Stellen sie die beiden umgehend frei. Und ersetzen diese durch "Ich" und "Du" bzw. "Sie/ Ihr". Sie werden sehen, es passieren Zeiten und Wunder, was dann alles plötzlich geht.
Montag, 16. April 2007
Vorhersehung
Alles sind Indizien, die Aufschluss über die Persönlichkeit und den Charakter von Menschen geben. Es kann zur Obsession ausarten, wenn man dauernd versucht, der Vorhersehung zuvorzukommen. Das ist fast so schlimm, wie ein Hypochonder zu sein. Wenn nicht sogar noch schlimmer. Es gibt Menschen, die mögen ihren eigenen Körpergeruch nicht, deshalb überparfümieren die sich. Das ist Ausdruck des Selbstwertgefühls. Jemanden nicht riechen können ist schon schade, aber sich selbst nicht riechen können ist ein ernstes Problem. Dann können viele Menschen nicht mehr in die Augen schauen. Sie haben die Befürchtung, man könnte etwas aus diesen lesen. Deshalb tragen diese Menschen unentwegt Sonnebrillen. Und so geht es weiter. Alle Äußerlichkeiten und Sinneswahrnehmungen an einem Menschen und seinem Umfeld sind Zeugen. Zeugen davon, welchen Geistes die Person ist. Wenn ich in einem fremden Büro bin, schaue ich, was an den Wänden hängt, auf dem Schreibtisch steht. Welcher Bildschirmhintergrund, ich schaue auf alles, um mir ein Bild zu machen.
Ebenso schaue ich auf die Bücher, die HiFi-Anlage, die CDs, auf die DVDs. Welche Kochbücher. Welches Geschirr. Es gibt nichts, was nicht einen entscheidenen Hinweis auf einen Menschen geben könnte. Schuhe. Türschilder. Welche Lampen an der Decke. Die Weingläser. Bilder an den Wänden. Alles ist Teil einer Person. Und sagt: Das bin ich, so bin ich. Oder so wäre ich gern, so soll ich gesehen werden. Beides für den geübten Betrachter kein Problem. Die Handschrift. Das Lachen. Wie jemand sich verabschiedet. Alles Hinweise auf den Menschen in dem Menschen.
Ich mache das so gerne, weil ich die Menschen erreichen will. Berühren. Anstoßen. Das kann ich nur, wenn ich zu diesen vordringe. Oft belastet mich mein Wissen über Menschen, ich weiß dann für meine Verhältnisses einfach zu viel. Das will ich nicht, dass ist peinlich. Meine Neugierde treibt mich oft zu weit, zu tief in Persönlichkeiten vor. Aber was soll man machen, wenn man süchtig nach Merkmalen ist? Wie Muscheln am Strand sammeln. Das Mosaik der menschlichen Merkmale ist endlos groß. Deshalb werde ich auch nicht müde, ihnen auf die Schliche zu kommen. Jede Begnung ist eine Entdeckungsreise in Sachen Menschlichkeit. Eigentlich müsste mich ich jedesmal dafür bedanken, weitere Mosaikteilchen erhalten zu haben.
Bild: Peter von Felbert
Strategie
Viele tun so, als ob sie die Strategie geradezu erfunden haben. Dabei ist die Strategie immer nur die Reaktion auf einen Vorgang. Wie reagieren nur. Wir glauben zu agieren. Aber in der Regel reagieren wir nur. Haben wir ein Hungergefühl, dann reagieren wir mit essen. Bei Durst mit trinken. Bei Geldmangel mit arbeiten. Es erfordert ein gehöriges Maß an Demut, für sich festzustellen, dass man eigentlich nur reagiert. Somit stellt das, was ist, genau das dar, auf das wir bereit waren zu reagieren. Großer Hunger, großer Durst? Oder große Wünsche, große Ansprüche, große Komplexe? Der Wunsch, dem Wunsch zuvorzukommen und agieren zu können, der erfüllt sich sehr selten. Aktion - Reaktion. Das war's. Zu mehr sind wir nicht im Stande und nicht fähig. Was uns offensichtlich und signifikant unterscheidet ist das Ausmaß der Aktion, die uns zu einer dem angesessen Reaktion antreibt. Wenn beim Schach keiner die Eröffnung spielen würde, würde auch keiner darauf reagieren können. Somit scheint auch beim Schach die beste Strategie zu sein, immer wieder am besten zu reagieren. Wie oft saß ich selbst da und dachte, meinem Kopf entspringt eine eigenständige Strategie. Um dann festzustellen, durch welche Aktion diese ausgelöst wurden. Man überlegt nicht ständig neue oder andere Strategien, wenn nichts vorgefallen ist. Somit sind wir zur Prävention gänzlich ungeeignet. Wir sind nur zur Reaktion fähig. Das muss einem klar sein.
Bild: Peter von Felbert
Sonntag, 15. April 2007
Blomberg rauf und runter
Die Berge rufen wieder. Wunderbar. Nicht mehr zu überhören waren die letzten Tage die unwiderstehlichen Rufe der Berge. Man konnte das förmlich spüren. Komm rauf, damit du runter sehen kannst. Also, wir konnten nicht mehr anders. Das Wanderjahr fängt ja unglaublich an. Verspricht eine riesen Saison zu werden. Schauen wir mal.
Sensation! Einzigartige Doppelfluggeräteluftaufnahme aus meiner Serie der weltberühmten Luftaufnahmen
Freitag der 13 April 2007. 15.52 Uhr. Alpenvorland. Was für ein Glücksmoment. Zwei auf einen Schlag. Segelflieger und Paraglider in einem Bild. Sagenhaft und sensationell. Das hat das Zeug zu einem Foto mit unermesslichem Sammlerwert. Oder?
Das muss man gesehen haben? Für alle mit einer schlechten Bildschirmauflösung, Sehschwäche und verdrecktem Bildschirm:
Freitag, 13. April 2007
Erotik
Wie wichtig Erotik für uns in unserem Leben ist, erleben wir ständig an uns selbst. Wieviele Blicke oder Gefühle streifen uns im Laufe eines Tages? Viele. Überall posieren diese schönen Menschen um uns herum. Sogar die eine Tagesschausprecherin, ich möchte jetzt nicht sagen welche, fällt mir auf. Erotik ist wie ein schöner, warmer Wind, der plötzlich durch uns durch zu wehen scheint. Trotzdem hat Erotik nicht viel Platz in unserem Leben. Die Zeit, der Raum ist knapp bemessen. Was ein Indiz dafür sein kann, dass Erotik immer mehr mit Sexualität verwechelt wird. Sogar in der Werbung. Wo es noch früher prickeln sollte, muss heute schon etwas in einen gefahren sein. Es wäre schade, wenn wir den Sinn für die Erotik verlieren würden. Denn wir verlieren den Sinn für das Schöne.
Aber es entspricht unserer Zeit, dass wir weitesgehend versuchen, Beziehungen ohne Erotik nur mit Sex aufrecht zu erhalten. Was natürlich auf Dauer zum Scheitern verurteilt ist. Man kann auch nicht die Sympathie von Kunden für sich gewinnen, ohne mit ihnen in Kontakt zu treten, zu kommunizieren. Wir müssen etwas von uns preisgeben, in der Hoffnung, dass dies auf Gegenliebe stößt. Ist es nicht von uns, dann könnte diese Gegenliebe irreführend sein. Die Glaubwürdigkeit der Gefühle steht schon lange auf dem Spiel. Die Werbung, die Politik und eigentlich auch alle anderen Institutionen haben den Bogen weit überspannt. Was dazu führen muss, dass derselbe Bogen an Treffsicherheit verlieren muss. Was er sichtbar tut. Die Institutionen treffen ihre Zielgruppen nicht mehr ins Herz, sondern schlagen diese nur noch vor den Kopf. Und wundern sich, dass die erhoffte Gegenliebe ausbleibt. Somit ist die Erotik zwischen uns Menschen das, was die Sympathie für die Werbung ist. Keine Beziehung ohne Erotik. Kein Deal ohne Sympathie.
Bild: Peter von Felbert
Adressvergewaltigung
Keine Frage, dass die Qualität der Adressen, die man inne hat, maßgeblich die Qualität des Outputs beeinflusst. Wissen tut das jeder, glauben kann das kaum einer. Quantität spielt hierbei keine Rolle, sondern nur die Qualität bringt den erwünschten Erfolg mit sich. Trotzdem gehen Unternehmen vor allem mit den Adressen um, dass einem schlecht wird. Eines der wichtigsten Kapitale in einem Unternehmen verschimmelt, verdunstet, bläht sich auf, versiegt, versickert und verendet.
Und jedes Mal soll alles anders werden. Jedes Mal nimmt man sich vor: Jetzt pflegen wir unseren wichtigsten Schatz. Und jedes mal passiert außer großer Ankündigungen und Versprechen nichts. Die Investments, die geleistet werden, laufen zudem in die völlig falsche Richtung. Alte Adressen werden achtlos liegengelassen und neue werden eingekauft. Oder man macht mit den alten weiter, so gut es geht.
Es schenit so, dass wir geistig an Mengen-Kapazitäten stoßen, die wir nicht mehr erfassen und deshalb erkennen können. Die Massen von Dokumenten, E-Mails, Bildern und auch Adressen überfordern unser Vorstellungsvermögen. Die Mengen vergrößern sich und das auch noch schneller. Aber qualitative Aspekte gehen dabei völlig den Bach runter.
Bild: Peter von Felbert
kommentare