Mittwoch, 18. April 2007
Eine gigantische Vorwurfsmaschine
Ein nicht geringer Teil oder Anteil bzw. eventuell ein Großteil der geschäftlichen und manchmal auch der privaten zwischenmenschlichen, aber auch immer wieder an ganz und gar nicht menschliche Aspekte, wie Geräte oder Umstände aller Art gerichtete Kommunikation besteht ausschließlich aus Vorwürfen.
Man kann sagen, eine regelrechte, von gigantischem Ausmaß, ständige wachsende Vorwurfsmaschine rollt über uns hinweg. Und reißt uns alle mit. Wer ohne Vorwürfe ist, möge mit dem ersten Kommentar nach mir schmeißen. Eigentlich hat man das Gefühl, dass nichts richtig ist. Dass man es den Menschen aber auch gar nicht Recht machen kann. Egal, was man macht, sagt oder behauptet, zurück bekommt man mit absoluter und großer wahrscheinlichen Sicherheit einen Vorwurf.
Den man dann schon fast erwartet hat. Diesen schmettert man dann gekonnt zurück. Entweder mit einen noch größeren Vorwurf, oder in dem man den ankommenden Vorwurf barsch mit voller Wucht zurückkatapultiert. Das geht dann so eine Weile hin und her, her und hin. Bis man meist völlig vergessen hat, was eigentlich der Auslöser war, oder was vor dem Vorwurf stand .
Einen Vorwurf anzunehmen, heißt zugleich auch die Schuld auf sich zu nehmen. Welche, das bleibt oft unerkannt und im Dunkeln. Aber irgendetwas ist immer dran an so einem Vorwurf. Das ist wie Nudeln mit Tomatensoße essen und dabei ein weißes Hemd tragen. Da findet sich schon ein klitzekleiner roter Klecks.
Das Austauschen von Vorwürfen ist zu einer regelrechten Hoch-Un-Kultur aufgestiegen. Es gibt ganze Institutionen, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als anderen Vorwürfe zu machen. Und auf Vorwürfe mit modernsten Mitteln und Formulierungen zu reagieren. Es gibt eine regelrechte Vorwurfsindustrie, die von den täglichen, stündlichen, ach, was schreibe ich, von den minutigen Vorwürfen lebt.
Der Vorwurf hat, wie die Bedenken, den großen Vorteil, dass dieser aus der Luft gegriffen sein kann, darf und muss. Umso haltloser und unverfrorener der Vorwurf, umso bestechender seine Wirkung. Vorwürfe entstehen wie Gremlins, man muss nur einen gießen, dann entstehen aus dem Vorwurf viele neue wunderbare Vorwürfe.
Ruft man jemanden an, was hört man zuerst? Einen Vorwurf! Öffnet man einen Brief, oder lässt den Blick über eine Mail schweifen, was kann das Auge zuerst erkennen? Einen Vorwurf! Egal, wohin man sieht, wohin man hört oder wo man ist, was einem todsicher in rauhen Mengen immer begegnet, sind Vorwürfe.
Man stelle sich mal vor, man würde das 6. Gebot "Du sollst nicht töten" umformulieren in "Du sollt keine Vorwürfe machen, anderen nicht und dir selbst auch nicht." Denn das mit dem Töten, mal ehrlich, das schaue ich mir jetzt seit über 2000 Jahren an, dass klappt nicht. Obwohl man auch das mit dem Stehlen, oder Begehren austauschen könnte. Obwohl, eine vorwurfsfreie Welt ist ebenso undenkbar wie eine ohne Töten, somit könnte man es als 11. Gebot einfügen, aber vor "Du sollst nicht töten", also als neue Nummer 6 der Gebote, töten fällt dann auf Platz 7 zurück. Und insgesamt gibt es dann eben 11. Wie beim Werbegott, der hat doch auch 10 + 1 Gebote. Als ob er es gewusst hätte.
Mein Appell, mein Gebot der Zeit, mein Aufruf: Die absolut vorwurfsfreie Kommunikation allen und allem gegenüber. Geldstrafe gegen Vorwürfe verhängen. Einen Vorwurfskatalog erstellen, der alle Vorwürfe umfasst, die unter Geldstrafe stehen. Die erste vorwurfsfreie Gesellschaft werden. Was für eine brilliante Idee. Denkt mal darüber nach.