Donnerstag, 11. Januar 2007
Aus nächster Ferne
Die Mole, ohne Sonne und ohne Touristen, hat dem Abend und der Ruhe Platz gemacht, den Feuerwerkern, den Anglern, den Äteren, dem Aussichtsuchenden; der Patrona della cittá, der mamorweißen, die meerwärts blickt. Ein anderer, der meerwärts blickt, zählt die vor der Mole ankernden Segler, spürt den sonnengewärmten Stein unter den Füßen, sieht den Sohn, der unterhalb auf den Felsen sitzend die Füße ins Wasser hält, und hier schon seinen Lieblingsplatz gefunden hat. Italien, befindet er am Nachmittag, sieht gar nicht aus wie Italien. Er sagt: Havanna, wegen der Palmen; und auch die Häuser sähen so aus.
Ein Stück weit im Städtchen gibt es einen Verleih für Motorroller, wo die Signora die verbliebenen Roller aber allesamt für fahruntüchtig erklärt, jedoch Abhilfe verspricht: domani matina, vielleicht; domani sera, bestimmt; und dann Montag, Dienstag, Mittwoch, die ganze Woche – no problemo. Ein Motorroller für zwei, ja sicher, kein Problem.
Heute ist Samstag und das Linienschiff an der Mole kündigt die letzte Fahrt nach Portofino an; letzte Fahrt: ultimo viaggio a Portofino; oggi ventiquattro ora. Bis dahin ist noch Zeit; Bummelzeit, Essenszeit, Trinkenszeit, Ruhezeit.
Dem Sohn gefällt Italien. So viele Motorroller! Viel mehr, als in Holland. (Wieso Holland?) Sie befahren die Hauptstraße um den Lido herum. Laut, frech, schnell. Sie stehen vor Ampeln, vor der Bar, der Tabbacheria, stehen auf Plätzen, am Straßenrand, im Halteverbot, im Mittelpunkt. Aprilla, Vespa, Gilera – Que bella musica! Italien ist irgendwie verrückt, meint der Sohn. Wenn man es verrückt findet, denkt er, hat man es schon ein bisschen verstanden.
Die Vorbereitungen für das nächtliche Feuerwerk sind abgeschlossen. Die beiden Carabinieri besprechen sich mit den Feuerwerkern. Die Mole wird abgesperrt. Das Volk muss den Ort verlassen, wird freundlich zum Gehen gebeten. Auch, wenn er die einzelnen Worte nicht versteht, kann es kein Missverständnis geben; eindeutiges Mienenspiel, ausdrucksvolle Gestik; der Blick ist stadtwärts gerichtet.
Die Polizia Communale versucht dem Verkehr Herr zu werden. Sie dirigieren, wie große Komponisten, die Roller, die Motorräder, die PKW, die Busse; das ganze Blechorchester der Umgebung. Sie kommen von allen Seiten, wie Eisenspäne von einem riesenhaften Magneten angezogen.
Er dagegen ist schon um fünf Uhr morgens wach. Was kann man tun im fahrenden Zug? Schreiben zum Beispiel oder den Sohn zudecken, der sich mal wieder freigestrampelt hat.
Ich wollte eigentlich grad etwas Unsinn schreiben, doch das ist mir nun zu ... profan. Nach allem Italien und italienischen Essen und warmen Stein unterm Fuß.
Der 26. Juli war ein Dienstag. Ich weiß noch, was ich da gemacht habe.
(Ich bin gerade verunsichert, ob das wirklich der Dienstag war, der 26.)