Donnerstag, 23. November 2006
(Erinnerung) Chiemgau VI
Werner Koslowski, der Küchenchef vom Alpenhof in Frasdorf, entschuldigte sich bei uns: „Tschuldigung, Kinder, aber ich muss wieder in die Küche”. Er redete während er sich im Rückwärtsgang seiner Küche näherte. Er hat zweieinhalb F und eine Art, die man schlitzohrig nennen kann. Wenn nicht mehr.
„Sie hat schöne Augen”, hatte er gesagt und ihr dabei ans Kinn gefasst; einfach so, als wir schon beim Hinausgehen waren.
„Kommt doch noch mal wieder, ihr könnt euch auch ruhig mal an die Bar setzen”, rief er uns hinterher. „Sie kann auch mal alleine kommen”, hatte er noch gesagt und dabei gelacht.
Ich hatte auch gelacht und gedacht, dass mir das mit den schönen Augen schon lange vor ihm aufgefallen war.
„Ganz schön dreist”, hatte sie gesagt, „fasst mir einfach ans Kinn. Der hat an unserem Tisch auch schon dauernd so geglotzt.”
Ich nahm sie bei der Hand. „Der lässt bestimmt nichts anbrennen.”
„Sie hat schöne Augen”, hatte er gesagt und ihr dabei ans Kinn gefasst; einfach so, als wir schon beim Hinausgehen waren.
„Kommt doch noch mal wieder, ihr könnt euch auch ruhig mal an die Bar setzen”, rief er uns hinterher. „Sie kann auch mal alleine kommen”, hatte er noch gesagt und dabei gelacht.
Ich hatte auch gelacht und gedacht, dass mir das mit den schönen Augen schon lange vor ihm aufgefallen war.
„Ganz schön dreist”, hatte sie gesagt, „fasst mir einfach ans Kinn. Der hat an unserem Tisch auch schon dauernd so geglotzt.”
Ich nahm sie bei der Hand. „Der lässt bestimmt nichts anbrennen.”
Freitag, 17. November 2006
(Erinnerung) Chiemgau V
In Sachrang saß Frau Spiess vom Gasthof zur Post am Ende einer unendlich langen Diele. Sie saß hinter der Rezeption und telefonierte. In der Diele gleich links stand Ambassador, das Pferd vom Gasthof zur Post, das, so erklärte uns Frau Spiess, für gewöhnlich vor dem Gasthof steht und die Aufmerksamkeit Reisender auf sich zieht, was den Effekt hat, dass sich die Reisenden unwillkürlich vom Gasthof angezogen fühlen. Das Pferd war schwarz und gesattelt, aber unecht, und steht, wie gesagt, eigentlich vor dem Gasthof. Der Gasthof steht in Sachrang seit 1825, Dorfstraße No. 7. Die Straße, die an Sachrang vorbeiführt, kommt von Tirol herüber und verläuft entlang der Prien talwärts, erreicht dort Hohenaschau, passiert den Schlossberg mit dem Schloss Hohenaschau, erreicht den Chiemgau, von wo aus man nach München, nach Salzburg oder nach Norden weiterreist. Die Diele des Posthotels, wie Frau Spiess den Gasthof auch nennt, wärmt der große, weiße Kamin, auf den Ambassador blickt. Ambassador stammt aus dem Elsaß, wo er im Besitz eines Antiquitätenhändlers war. Der Kamin ist nicht antik. Er zieht auch noch nicht wie ein großer, weißer alter Kamin. Ambassador nimmt das gelassen.
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Wir waren den Fußweg von Hohenaschau heraufgekommen, an einem kühlen fünfzehnten Mai, ein Tag, an dem sich der Mensch ebenso nach der Sonne reckt, wie die Wiesenblume und das Kraut am Weg. Überhaupt ist es wert, über die Kräuter zu sprechen. Zum Beispiel über den Bärlauch, der unterwegs allgegenwärtig in der Nase war, und den wir abends auf unseren Tellern in einer Quarkcreme wiederfanden. Ebenso den Löwenzahn, der uns als Salatgarnitur an Penne in Mascarponemohn schmeckte. Hubertus, der Koch, erzählte uns von einer Stelle am Bach, von der er die Brunnenkresse sichelweise holt. Kaum zwanzig Schritte die Dorfstraße hinauf erzählte uns noch ein anderer vom Reichtum der örtlichen Botanik. Peter Hueber, der zwischen 1766 und 1843 in Sachrang lebte, weithin bekannt als der Müllner-Peter von Sachrang, ein Mann mit universellen Interessen und vielseitigen Talenten: Müller, Musiker und Heiltätiger an Mensch und Vieh. Er besaß keine medizinische Ausbildung. Sein Wissen beruhte auf Überlieferungen und eigenen Erfahrungen; seine Behandlungen auf der Kräutermedizin. In seinem Schreibbuch hat er beinahe einhundert Rezepturen notiert. Im Sachranger Heilkräutergarten haben wir die vielen Pflanzen gefunden, die schon zu Lebzeiten des Müllner-Peter im Priental auf Bergwiesen, in den Feldern, im Wald und in den Bauerngärten wuchsen. Eine Rezeptur Gebliet reinigente Spezies aus Peter Huebers Schreibbuch laß sich so: Franzosenkraut 4 loth, Sassafras 2 loth, China Wurzel, Sarsaparillen, jedes anderhalb loth, Meertrauben 3 loth, Süßholz 1 loth.
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Vor dem Essen tranken wir Sherry und Martini bianco auf Eis mit einer Scheibe Zitrone. Nach dem Essen rauchte sie eine französische Zigarette. Wir ließen uns auch die Zigarren zeigen, entschieden uns aber für einige Whiskys, nichts besonderes, aber sie taten gut, liefen scharf die Speiseröhre hinab und füllten den Magen mit Wärme und die Köpfe mit Bildern. Ob der Müllner-Peter je einen Fuß über die Schwelle des Posthotels gesetzt hat? Ein Menschenleben lang war das Haus Dorfstraße No. 7 Wohnhaus, wusste Frau Spiess zu berichten, hochherrschaftlicher Familiensitz des Freiherren von Cramer, bevor es um 1890 herum für Reisende geöffnet zum Gasthaus wurde. Wenn Peter Hueber das Haus betreten haben sollte, dann also nicht, um dort zu logieren. Aber er hat mit dem Freiherren und dessen Familie zu tun. In unserer Vorstellung kommt dafür nur der Zeitraum zwischen 1825 und 1843 in Betracht. Also die Jahre zwischen der Erbauung des Hauses und dem Tod des Müllner-Peters. Wir nehmen noch einen Schluck aus unseren Gläsern, als Peter Hueber an die Tür des Freiherren klopft. Er könnte von der Herrschaft als Lehrer gerufen worden sein. Als Musikleherer unterichtete er im Dorf. Es läge auch nahe, dass er in Person des Müllers Geschäftliches mit seinem Grundherren zu regeln hatte. Oder – was noch näher lag: der Grundherr mit ihm. Vielleicht waren es aber auch seine Kenntnisse als Laienarzt, von welchen man sich im Hause Cramer Hilfe versprach. Die Laienbehandlungen, wie der Müllner-Peter sie praktizierte, waren zwar schon 1808 verboten worden, aber weder die medizinische Versorgung noch der lange Arm des Gesetzes reichten vor zweihundert Jahren bis in die hintersten Winkel des Landes.
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Wir waren den Fußweg von Hohenaschau heraufgekommen, an einem kühlen fünfzehnten Mai, ein Tag, an dem sich der Mensch ebenso nach der Sonne reckt, wie die Wiesenblume und das Kraut am Weg. Überhaupt ist es wert, über die Kräuter zu sprechen. Zum Beispiel über den Bärlauch, der unterwegs allgegenwärtig in der Nase war, und den wir abends auf unseren Tellern in einer Quarkcreme wiederfanden. Ebenso den Löwenzahn, der uns als Salatgarnitur an Penne in Mascarponemohn schmeckte. Hubertus, der Koch, erzählte uns von einer Stelle am Bach, von der er die Brunnenkresse sichelweise holt. Kaum zwanzig Schritte die Dorfstraße hinauf erzählte uns noch ein anderer vom Reichtum der örtlichen Botanik. Peter Hueber, der zwischen 1766 und 1843 in Sachrang lebte, weithin bekannt als der Müllner-Peter von Sachrang, ein Mann mit universellen Interessen und vielseitigen Talenten: Müller, Musiker und Heiltätiger an Mensch und Vieh. Er besaß keine medizinische Ausbildung. Sein Wissen beruhte auf Überlieferungen und eigenen Erfahrungen; seine Behandlungen auf der Kräutermedizin. In seinem Schreibbuch hat er beinahe einhundert Rezepturen notiert. Im Sachranger Heilkräutergarten haben wir die vielen Pflanzen gefunden, die schon zu Lebzeiten des Müllner-Peter im Priental auf Bergwiesen, in den Feldern, im Wald und in den Bauerngärten wuchsen. Eine Rezeptur Gebliet reinigente Spezies aus Peter Huebers Schreibbuch laß sich so: Franzosenkraut 4 loth, Sassafras 2 loth, China Wurzel, Sarsaparillen, jedes anderhalb loth, Meertrauben 3 loth, Süßholz 1 loth.
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Vor dem Essen tranken wir Sherry und Martini bianco auf Eis mit einer Scheibe Zitrone. Nach dem Essen rauchte sie eine französische Zigarette. Wir ließen uns auch die Zigarren zeigen, entschieden uns aber für einige Whiskys, nichts besonderes, aber sie taten gut, liefen scharf die Speiseröhre hinab und füllten den Magen mit Wärme und die Köpfe mit Bildern. Ob der Müllner-Peter je einen Fuß über die Schwelle des Posthotels gesetzt hat? Ein Menschenleben lang war das Haus Dorfstraße No. 7 Wohnhaus, wusste Frau Spiess zu berichten, hochherrschaftlicher Familiensitz des Freiherren von Cramer, bevor es um 1890 herum für Reisende geöffnet zum Gasthaus wurde. Wenn Peter Hueber das Haus betreten haben sollte, dann also nicht, um dort zu logieren. Aber er hat mit dem Freiherren und dessen Familie zu tun. In unserer Vorstellung kommt dafür nur der Zeitraum zwischen 1825 und 1843 in Betracht. Also die Jahre zwischen der Erbauung des Hauses und dem Tod des Müllner-Peters. Wir nehmen noch einen Schluck aus unseren Gläsern, als Peter Hueber an die Tür des Freiherren klopft. Er könnte von der Herrschaft als Lehrer gerufen worden sein. Als Musikleherer unterichtete er im Dorf. Es läge auch nahe, dass er in Person des Müllers Geschäftliches mit seinem Grundherren zu regeln hatte. Oder – was noch näher lag: der Grundherr mit ihm. Vielleicht waren es aber auch seine Kenntnisse als Laienarzt, von welchen man sich im Hause Cramer Hilfe versprach. Die Laienbehandlungen, wie der Müllner-Peter sie praktizierte, waren zwar schon 1808 verboten worden, aber weder die medizinische Versorgung noch der lange Arm des Gesetzes reichten vor zweihundert Jahren bis in die hintersten Winkel des Landes.
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Donnerstag, 16. November 2006
zeichen 25: the newarkfashionshop, luxor
Mittwoch, 15. November 2006
weite welt 45: luxor tempel, luxor, aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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weite welt 45: west theben
weite welt 45: karnak tempel, luxor, aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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weite welt 44: karnak tempel, luxor, aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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weite welt 43: tal der koenige, west theben, aegypten
weite welt 42: karnak tempel, luxor,aegypten
weite welt 41: karnak tempel, luxor,aegypten
weite welt 40: karnak tempel, luxor,aegypten
weite welt 39: luxor aegypten
Montag, 13. November 2006
weite welt 38: karnak tempel 8, luxor aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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weite welt 37: karnak tempel 7, luxor aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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weite welt 36: karnak tempel 6, luxor aegypten
Geschrieben von Peter von Felbert
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