Dienstag, 4. Dezember 2007
Das Ereignisprinzip - mit dem Unterbewusstsein auf dem Holzweg
Der Mensch sucht immer nach Systemen. Alles muss eine Verbindung und einen Sinn ergeben. Nichts ist einfach nur so. Immer verknüpft er Zusammenhänge.
Ein Beispiel. Ich stehe mit meinem Auto an einer Ausfahrt. Ich kann rechts und links so gut wie nichts sehen. Somit muss ich mich langsam vortasten. Mein Gefühl sagt mir, umso länger ich warte und kein Auto kommt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nun eins kommt.
Die Befürchtung steigt mit dem warten an. Wäre ich zügig losgefahren, wäre meine Befürchtung, es könnte zu einem Zusammenstoß kommen, wesentlich geringer. Statistisch gesehen ist das Blödsinn. Denn das Zufallsprinzip berechnet Vorfälle linear. Somit können an dieser Kreuzung genau aus dem von mir beschriebenen Grund zehn Unfälle passiert sein. Nur wann diese stattgefunden haben, weiß ich nicht.
Somit können es vor vier Jahren acht Unfälle in zwei Tagen gewesen sein. Oder der letzte war vor acht Jahren. Oder zwei erst gestern. Was macht mein Unterbewusstsein? Es stellt eine falsche Verbindung her, denn mathematisch gesehen, müssen beide PKWs zum exakt gleichen Zeitpunkt so zusammenkommen, dass ein Unfall unvermeintlich ist.
Warum steigt also meine Angst mit der längeren Wartezeit, wenn diese das Prinzip Zufall überhaupt nicht beeinflusst? Unser Unterbewusstsein stellt eine unlogische Verbindung, Verkettung der negativen Art her.
Sind wir lange nicht krank, befürchten wir, wenn wir krank werden, sehr krank zu werden. Haben wir Pech, gehen wir davon aus, das nächste Ereignis wird von ähnlicher wenn nicht sogar schlimmerer Ausprägung sein. Warum?
Wer kennt das nicht beim Glücksspiel. Schlechte Würfel sagen einem klar, das geht sicher so weiter, wird wenn überhaupt noch schlimmer. Dasselbe gilt natürlich auch anders herum. Hat man Würfelglück, geht man ganz selbstverständlich davon aus, dass dieses Glück einem mindestens treu bleibt, wenn nicht sich sogar steigern lässt.
Somit setzen wir mental im positiven wie im negativen Ereignisse linear fort, immer verbunden mit einer eventuellen Steigerung im positiven wie im negativen Fall. Wir stellen Verbindungen her und glauben, uns den Fortgang vorstellen zu können. Wir sind uns sicher, es muss in dieser Richtung weiterlaufen, obwohl es für das nächste folgende Ereignis ohne Einfluss bleibt. Ist es die Fortsetzung, fühlen wir uns sogar bestärkt. Ist es die Unterbrechung, beginnen wir eine neue falsche Verbindung herzustellen.
Dabei hat diese Vorahnung nichts mit der Realität zu tun. Die Ereignisse sind völlig unabhängig voneinander. Daher auch das Sprichwort: Was nur gut anfängt, wird schlimm enden. Was schlimm anfängt, wird grausam enden. Man kann dieses Phänomen überall betrachten. Verliert eine Mannschaft, so gehen alle davon aus, dass diese weiterhin verlieren wird. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Auch so ein Quatsch.
Alles ist immer offen. Alles kann immer anders sein. Somit empfinden wir nicht nach der Realität sondern nach einer unlogischen Emotion oder einer falschen Überlegung. Was unweigerlich dazu führt, dass wir uns auf Grund dieses Phänomens auch dementsprechend falsch verhalten und falsch entscheiden. In der festen Annahme, dass wir das nächste Ereignis in seiner Ausprägung vorausbestimmen können, verhalten wir uns auch dementsprechend. Wir begegnen somit überwiegend dem nächsten Ereignis nicht neutral sondern tendenziell, was den Ausgang nicht unerheblich beeinflusst. Wir sind so gut wie nicht fähig und bereit, eine „Nullstellung“ einzunehmen oder eine Objektivität und Neutralität walten zu lassen. Wir sind geistig gesteuert und geprägt von unseren falschen Vorahnungen.
Somit begegnen wir der Realität voreingenommen. Wir haben eine falsche Einstellung. In den meisten Fällen.
Überträgt man das auf Unternehmen, so stellt man fest, dass hier identisch agiert wird.
Falsche Verbindungen führen zu falschen Überlegungen und Entscheidungen. Im negativen wird in der Regel immer überreagiert und im positiven setzt man mit einer großen Selbstverständlichkeit voraus, dass es genau so weiter geht. Immer besser.
Es geht also darum, die Fähigkeit zu entwickeln, Ereignisse neutral und objektiv betrachten zu lernen. Diese zuerst isoliert zu betrachten. Das Ereignis erst als Einzelfall zu begreifen. Und dann, wenn es nötig und sinnvoll erscheint, diese in Verbindung oder andere logische Zusammenhänge zu stellen.
Ein einfaches Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt zu spät zur Arbeit. Bedeutet dies etwa, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unpünktlicher Mensch ist? Oder dass dies der Anfang davon ist, dass er häufig zu spät kommt? Was die Moral der ganzen Mannschaft untergräbt? Ist das der Anfang von einem Problem?
Würde man das "zu spät kommen" isoliert betrachten, dann würde man zu dem Mitarbeiter gehen und einfach fragen: Was war los? Und er würde einem eine Antwort geben. Diese lässt dann darauf schließen, ob es wirklich eine Ausnahme darstellt oder nicht. Oder der Mitarbeiter würde von selbst eine plausible Erklärung liefern und damit ist das Ereignis abgeschlossen.
Aber genau das tritt in den meisten Fällen nicht ein. Sondern hier beginnt im kleinen, was dann zu einem großen – falschen – Problem führen kann. Das zeigt, wie wichtig die Kommunikation ist, wie wichtig eine isolierte Betrachtung eines Ereignisses ist.
Wir multiplizieren sogar fälschlicherweise Vorahnungen in ihrer Ausprägung. In unserer Vorstellung fällt nicht nur ein Flugzeug vom Himmel, sondern ab diesem Ereignis fallen ständig welche vom Himmel.
Dieses Phänomen machen sich ganze Industrien und Branchen zu eigen. Sie wissen genau, welche Bedürfniskette losgetreten wird, wenn der entsprechende Vorfall eintritt. Und bedienen diese.
Geschrieben von Christof Hintze
in Wilde Thesen
um
12:10
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