Freitag, 28. Juli 2006
Oscar Peterson höre ich gerade
Der Jazz ist groß und weit. Er hat so viele unterschiedliche Klangfarben, wie die Bilder von Paul Gaugin. Wenn nicht sogar mehr. Es gibt viel Jazz. Sehr viel. Schon sehr lange. Der Jazz spielt in allen Temperaturen, von cool bis hot. Der Jazz ist einfach und zum Glück nicht tot zu kriegen. Er lebt, weil er lebt. Was man nicht von jeder Musik zweifelsfrei behaupten kann.
Der Jazz ist das Einzige von Wert, was die USA kulturell aus sich selbst geschaffen hat.
Für mich ist Jazz ein fester Bestandteil meines Lebens. Weil ich damit aufgewachsen bin. Mein Vater war eine Zeit Jazztrompeter. Mein erste Platte (Single) hieß Hello Dolly mit Ella und Louis. Die habe ich rauf und runter gespielt, bis keine Rillen mehr da waren.
Der Jazz ist zu mir gekommen, ich wäre sicherlich nicht zum Jazz gekommen. Ich habe ihn nicht gesucht, er hat mich gefunden.
Der Jazz ist wie exzellenter Rotwein für meine Ohren. Der Jazz ist wie wohltuhende Sonne in meinen Ohren. Denn Jazz hören, ist wie einen guten Freund treffen. Einen sehr, sehr guten.
Ich kann nicht immer Jazz hören. Dann höre ich am liebsten nichts. Besser als der Jazz, ist nur die Stille. Also, keine Musik. Der Jazz vertont mein Leben. Wie die Musik in einem unglaublich schönen und hinreißender Film. In dem ich die Hauptrolle spiele. Manchmal wenigstens.
Manchmal lege ich Jazz auf in der stillen Hoffnung, dass die Personen, die dann zugegen sind, das selbe Gefühl mit mir teilen. Das ist so als ob man einen Film liebt und diesen schon 20zig mal gesehen hat. Diesen Film schaut man nun mit anderen Personen zum ersten mal gemeinsam an. Eigentlich schon verrückt, dass die den nicht schon kennen. Man freut sich auf jede Szene. Kennt die Dialoge. Die Kameraeinstellungen. Alles. Die Vorfreude ist so groß, dass man erwartungsvoll ständig in die Gesichter der anderen stiert um herauszubekommen, ob der Film diese ebenso bewegt.
Mit dem Jazz ist das ebenso. Das ist aber nur manchmal so. Meistens geht dann meine Frau zum CD Player und sagt: "Ich mach mal das Gedudel aus, das macht mich ganz verrückt!" Das sagt sie nicht weil sie es so meint. Meine große Liebe teilt meine musikalische Liebe mit mir. Sie kann das ertragen. Dulden. Bisweilen sogar genießen. Aber sie sieht weit vor mir, dass die Menschen darunter leiden. Unter Oscar Peterson, Errol Garner, Ella Fitzgerald...leiden. Unglaublich, aber wahr. Wie kann man darunter leiden? Kein Wunder, dass ich die stille Abneigung immer als Letzter erfahre.
Im laufe der Jahre habe ich mich daran gewöhnt. Dass die meisten Menschen erst sehr interessiert tun: Jazz! Oh, ja, finde ich eigentlich ganz toll. Aber wenn dann Miles Davis, Charlie Oarker oder Chet Baker nur einen Moment unharmonsich erscheinen - was sie natürlich nie sind, sondern sie machen nur einen wunderbaren Ausflug um wieder zurück zu kommen - dann verändert sich das Antlitz, als ob man auf etwas Bitteres gebissen hätte. An einer Stelle an der man es ganz und gar nicht erwartet hätte.
Dabei will ich niemanden, außer meiner Frau und meinen Kindern zum Jazz überreden. Auch nicht zum Nichtrauchen, oder Verzehren von bestimmten Weinen oder Nahrungsmitteln. Nicht mal von Urlaubszielen und Büchern. Geschweige von Fernsehsendungen. Nicht mal von einem Fussballverein. Denn wer Jazz hört, der verliert im Laufe der Jahr die nötige Energie um Leute umzustimmen. Und wendet sich lieber dem eigenen Genuß zu. Aber manchmal will ich meine Liebe gerne mit anderen teilen. Und vergesse, dass es nur meine Liebe ist.
Das ist wie mit Fenchel. Wenn das jemand nicht mag, dann kann man ihm das nicht jeden Tag auftischen, ganz nach dem Motto, das wirst du schon mögen. Sondern nur alle Jahre wieder in ganz unterschiedlichen Formen, neu auftischen. Denn Geschmack ändert sich. Und eventuell kommt demjenigen irgendwann über die Lippen: Lecker, was ist das? Ich habe Käse nicht immer gemocht.
Aber kein Mitleid mit Jazz höreren.
Die können im Auto hören, auf dem iPod, im Büro, zu Hause, beim Joggen. Und es findet sich immer genügend Zeit, dem Jazz aufspielen zu lassen. Der Jazz hörer ist nicht unglücklich wenn er keinen Jazz hören kann. Denn die Musik ist immer in seinem Kopf. Er ist nur unglücklich wenn er andere Musik hören muss. Da zieht er die Stille vor.
Das ist wei bei einem schlechten Wein, dann liebert ein kaltes Bier. Aber es verwundert mich, dass der Genuss von Jazz, vielen Menschen so unverständlich vor kommt. Für mich ist das so als ob man kein Eis mag, keinen Wein, kein Käse, keine Martin Scorsese Filme. Aber, solche Menschen gibt es. Und da sind auch viele ganz nette darunter. Wirklich. Glaub ich. Oder habe ich auf jeden Fall gehört. Oder?
Geschrieben von Christof Hintze
in Paradigmenwechsel
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07:02
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