Sonntag, 16. November 2008
Minimalprinzip
Ich bin Kapitalist - wenn ich so darüber nachdenke, was ich sein könnte. Sozialist bin ich nicht, auch kein Kommunist oder Royalist oder gar Nihilist, denke ich. Nein, am ehesten also Kapitalist. Allerdings bin ich dabei auch Realist. Was heißt das? Ich schaue nicht nur, dass ich mit gegebenen Mitteln das Bestmögliche raushole. Das nennt man das „Maximalprinzip“.
Oder ich schaue nicht nur, dass ich ein gegebenes Ziel mit dem geringsten Mitteleinsatz erreichen kann. Das ist das „Minimalprinzip“. Wenn das Ziel dabei lautete, die Rendite solle 25% betragen, hieße das „Größenwahn“.
Realist bin ich dabei nämlich v.a. deswegen, weil ich das immanente Prinzip in den genannten Prinzipien berücksichtige. Das setzt nämlich voraus, der Mensch würde sich in diesen kapitalistischen Grundsätzen „vernünftig“ verhalten. Und genau das ist es, woran es derzeit bedauerlicherweise am meisten mangelt: Vernunft.
Oder ist es vernünftig, diejenigen vom Gewinn auszuschließen, die ihn erwirtschaften? Diejenigen in den Ruin zu treiben, die die Waren konsumieren sollen? Oder klingt es vernünftig, dass bei einer Bankenpleite die Ersparnisse der Anleger weg sind, die Schulden aber nicht? Ist es vernünftig, dass man mit Spekulation mehr zu verdienen können glaubt, als mit seinem Kerngeschäft? Ist es vernünftig, dass Löhne gezahlt werden, von denen der Empfänger nicht mehr leben kann- geschweige denn konsumieren kann? Und wäre es vernünftig, diejenigen übers Weiterkommen entscheiden zu lassen, die gerade vorgesungen haben?
Es ist nicht vernünftig, auf Dauer seine Gewinne privatisieren zu wollen und seine Verluste zu sozialisieren. Es ist auch nicht vernünftig, seine Steuern dank der Globalisierung nicht bezahlen zu wollen, aber im Krisenfall nach der heimatlichen Gemeinschaft zu rufen.
Wir lernen alle in der Kindheit, dass man den Ast, auf dem man sitzt, nicht absägt. Dass der Krug nur solange zum Brunnen geht, bis er bricht und dass man die Kuh nicht schlachtet, die goldene Eier legt. Nur wenn wir dann später die Gelegenheit haben, zu zeigen, was wir gelernt haben, denken wir, es wird schon gut gehen. Oft sägen wir dann nicht nur am Ast, auf dem wir sitzen, sondern gleich am ganzen Baum.
Warum das so ist? Ich denke, das hat ursächlich mit der Abwesenheit von Vernunft zu tun. Einfach weil es so scheint, dass man keine Verantwortung für sein Tun übernehmen müsse.
Aber wer hat denn das Ziel, das erreicht werden soll, ausgegeben? Wer hat das Bestmöglich zu Erreichende denn definiert? Vielleicht benennen wir die falschen Ziele und stellen irgendwann mit Schrecken fest, dass wir nur einem vergoldetem Kalb nach gelaufen sind.
Es scheint ja so einfach: Ich spekuliere ein bisschen mit fremden Eigentum. Wenn es gut geht, sind alle zufrieden. Und wenn nicht? Ja, dann müssen mir eben die Eigentümer helfen. Ich habe es ja nur gut gemeint. Ich wollte doch nur 25% erwirtschaften. Und, was soll’s, Leute? - Es war ja nicht
mein Baum!
Geschrieben von Kai Falkenberg
in 02 . Blickwinkel
um
22:22
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