Dienstag, 18. November 2008
Die Gedanken in meinen Kopf
Es sind oft zu viele. Sehr widersprüchliche. Und dann wiederum so klare. Dann sind da die ganz speziellen, die sich immer tiefer und tiefer in eine Materie vorbohren. Dann gibt es die allgemeinen, die eher oberflächlichen. Und immer und immer wieder die suchenden. Es gibt so unglaublich viele schöne und wundervolle Gedanken. Aber da sind auch die von der Art, die ich überhaupt nicht mag. Ich jongliere gerne in meinen, mit meinen Gedanken. Sehr gerne lasse ich Gedanken auch springen. Von einem zum anderen. Manchmal reise ich weit zurück. Nicht weniger oft versuche ich, weit nach vorne zu denken. Aber meistens denke ich im „Jetzt“. Ich will nichts verpassen und somit kreisen meine Gedanken zum überwiegenden Teil in der Gegenwart. Ich mache mir viele Gedanken, zu einigen Themen sicher viel zu viele. Ich weiß aber auch, dass es da Themen gibt, über die müsste ich mir wirklich mehr Gedanken machen. Sogar meine Ausreden zu diesen Themen machen mir Gedanken. Viele meiner Gedanken sind von der Neugierde getrieben. Nicht wenige auch von Ängsten. Aber auch Neid, Missgunst, Egoismus, Abneigung, Vorurteile, Bewerten und Vergleichen sind ein viel zu großer Teil meiner Gedanken. Viele meiner Gedanken sind hoffnungslos naiv. Das sind meine Lieblingsgedanken. Oft rette ich die Welt in meinen Gedanken, oder wenigstens ein Land, eine Stadt, eine Firma oder einen Menschen. Aber es kann auch ein Hund sein oder ein Goldfisch. In Gedanken kann man so viel Gutes tun, ohne einen Finger krumm zu machen. Und man kann in Gedanken auch mal richtig fies und böse sein. In Gedanken wie gesagt. Es tut so gut, sich in Gedanken mal auszuschütten, auszuheulen und auszutauschen, was man in Wirklichkeit so nicht tun würde. Und dann verfolge ich gerne Gedanken. Ich erkenne sie erst und dann gehe ich ihnen nach. Manchmal verliere ich die Spur, aber meistens ist mein Ehrgeiz dann doch so groß, dass ich dem Gedanken dann doch auch die Schliche komme. Viele Gedanken drehen sich um den Trieb. Sie wissen, welchen ich meine? Nach meinem Gefühl taucht mir dieser Gedanke zu oft und zu unverhofft auf. Aber was soll man machen. Man kann Gedanken nicht wie einen ungeliebten Gast vor der Tür stehen lassen. Gedanken, die kommen wollen, kommen immer durch die Vordertür rein. Denken kann man nur alleine in seinem Kopf. So sehr man auch in einer Runde sitzt und Gedanken austauscht, die Wirklichkeit der Gedanken spielt sich nur im eigenen Kopf ab. Obwohl auch der Gedanke reizvoll ist, mit dem Kopf des anderen denken zu können. Man würde so viel mehr verstehen. Obwohl das nicht gehen würde, denn man müsste ja mit seinen Gedanken in den jeweils anderen Gedanken denken. Und das scheint unmöglich. Und wenn man nur in den Gedanken des anderen denken würde, dann würde man sich genau über die Dinge keine Gedanken machen, über die man glaubt, sich Gedanken machen zu müssen. Oder sie sind so anders, dass es einem selbst nicht auffällt. Somit denkt jeder für sich. Und der Austausch von Gedanken spiegelt nur einen Bruchteil der wirklichen Gedanken wieder. Denn wer kann schon seine Gedanken formulieren und das auch noch in vollem Umfang unter Berücksichtigung der kompletten Klaviatur der Gefühlswelt. Gedanken kann man zwar losgelöst formulieren, aber sie entstehen aus sehr komplexen Zusammenhängen. Und die kann man nicht übermitteln. Der Mensch muss damit leben, dass die Welt nur in seinem eigenen Kopf in seinen eigenen Gedanken so ist, wie sie ist. Und dass dieser Umstand vom Rest der Gedankenwelt stark abweichend ist. Es scheint das Übel der Menschheit zu sein, dass wir Gedanken nicht zusammenfügen können, nicht addieren können, nicht ergänzen. Wir können nur unseren eigenen Gedanken folgen. Und das ist nicht viel, wenn man bedenkt, wie viele brillante Gedanken jetzt in anderen Köpfen gedacht werden, welche unser Bewusstsein nie erreichen werden. Das ist echt ein menschliches Manko. Wir haben sie, können diese aber nicht zu einem „Über-Bewußtsein“ zusammenfügen, damit aus allen Gedanken etwas so viel Größeres entsteht, etwas, das sich der Einzelne hätte nie vorstellen könne. Es gibt Samenbanken und Blutbanken, aber keine Gedankenbanken. Mit dem Tod eines jeden Menschen sterben vor allem eins – wichtige Gedanken. Die für immer weg sind. Das ist wirklich fatal.