Dienstag, 21. Oktober 2008
Willkommen im Land, in dem jeder die Flöhe husten hört
Was kann einem kollektiv pessimistischen Land Schöneres und Dankbareres passieren, als das, was die Finanzwelt da auf dem silbernen Tablett präsentiert. Die Nachrichten fliegen wie Tauben in den Mund.
Und da sitzen sie dann in den Redaktionen und in den Talkshows, Sondersendungen, Specials, Extras und Sonderausgaben und können ihren Pessimismus in epischer Breite wie einen Kuchenteig genüßlich ausrollen. Und diese Betroffenheit. Diese unglaubliche Betroffenheit. Diese Anklagen. Diese Plädoyers. Dieses Abrechnen. Dieses geballte Wissen. Dieses, Wege aus der Krise aufzeigen. Dieses unendliche Beschreiben des eigentlichen Problems. Dieses ewige Zusammenfassen und auf den Punkt kommen. Oder diese vielen, die noch mal an die Stelle zurück wollen, oder einen Gedanken aufgreifen und weiterführen. Dieses ungläubige endlose Kopfschütteln und Schulterzucken. Diese verschränkten Arme vor der Brust.
Dieses insgeheim, ich habe es ja immer gewusst. Das Richtigstellen. Das historische Heraufbeschwören. Dieses Schwarzmalen. Diese schweren Bedenken. Dieser dunkle Tunnel ohne Licht. Die Schuldigen immer und immer wieder benennen. Diese große Ungerechtigkeit. Die Empörung. Die Ungläubigkeit. Diese Fachmänner. Die Analytiker. Die Warnungen. Dieses unglaubliche schlechte Gewissen, das sich ausbreitet wie eine Schlechtwetterfront, die aufzieht. Die Ausweglosigkeit. Die Hilflosigkeit.
Auf allen Seiten. In allen Blättern. Auf allen Kanälen. Der Dax rauf und runter. Talfahrten. Hoffnungsschimmer zertreten.
Es ist die schönste Jahreszeit aller Zeiten für Pessimisten. Eine solche Vorlage von historischem Ausmaß muss man nutzen, darin muss man sich einfach suhlen. Und wie schön, wie dankbar, man kann den Amerikanern so wunderbar einen mitgeben. Haben wir es nicht immer schon alle gewusst, dass wir die besseren Amerikaner sind? Die Blüte der Pessimisten. Nach der Steinzeit, der Eiszeit, der Bronzezeit, der Eisenzeit, der Atomzeit und der Digitalzeit nun die Pessimistenzeit.
Darf ich mit einem berühmten Sprichwort diesen Monolog beenden: Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem aber auch gar nichts wächst.
Einen habe ich noch:
Treffen sich ein Optimist und ein Pessimist. Sagt der Pessimist, also mal ehrlich, schlimmer als das alles kann es nicht werden. Antwortet der Optimist: Und ob.
Und noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache. Wenn ich in den zurückliegenden Jahren nur einen einzigen Tag mit der Einstellung an das herangegangen wäre, was vor mir lag, wäre ich sicher sofort und mit Recht gescheitert. So geht das nicht. So wird das nichts. Aber es ist die Hoch-Zeit der Pessimisten, da muss der Optimist die Füße unterm Tisch ruhig halten und den Ball flach spielen. Denn niemand in dieser Landschaft möchte jetzt ernsthaft hören: Auch das geht vorüber. Das will keiner hören. Erst am Ende der Ausweglosigkeit wird es wieder die Aufgabe der Optimisten sein, das Ding wieder in die richtige Richtung zu drehen. Erst wenn die letzte Energie verpufft ist, dann braucht es neue und positive Energie. Und die kommt sicher nicht von denen, die ständig und überall die Flöhe husten hören. Ganz sicher nicht.
Geschrieben von Christof Hintze
in Fight-Club
um
13:01
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