Mittwoch, 31. März 2010
Nichts wird wieder so wie früher. Trotzdem. Oder erst recht.
Es verwundert mich mehrmals am Tag, wie oft Menschen mir das Gefühl vermitteln, sich nicht mit der Zukunft beschäftigen zu wollen. Und mir lieber verdeutlichen, dass sie darauf warten, dass alles wieder so wird wie früher. Es ist wie in einer Beziehung, die kurz vor dem Scheitern steht. Anstatt den Blick nach vorne zu richten, schwelgen beide in der Vergangenheit und verzweifeln, warum es nicht mehr so ist wie früher oder wieder so wird.
Fassungslos stehe ich diesem Ansinnen gegenüber. Zudem verspüre ich immer weniger Lust, diese Lust auf die Zukunft zu versprühen. Denn wenn man das zu oft macht, lebt man auch zu wenig im Jetzt. Und eigentlich ist nur eins wirklich Wirklichkeit, das Jetzt.
Aber wem schreibe ich das?
Dabei ist es klar wie Klossbrühe, dass nichts mehr so sein wird wie früher. Und um so länger man diesem Wunsch hinterher hängt, umso mehr verpasst man im Jetzt und um so weniger ist man auf die Zukunft vorbereitet. Aber wie überzeugt man Menschen, bei denen vor langer Zeit alles so toll lief. Die nur aus und in der Vergangenheit leben. Die noch heute von dieser Vergangenheit zehren. Eventuell – gar nicht.
Das ist wie bei Menschen, die zu viel Geld und zu viel Macht haben. Die sind auch immer überzeugt, die Wahrheit zu kennen. Die wissen immer, wie alles richtig geht. Das Verschieben von Realitäten scheint ein menschlicher Volkssport zu sein. Das Leben in anderen Wirklichkeiten ebenso. Aber nichts bewegt Menschen da raus. Nichts.
Es hat uns niemand beigebracht, wie man in der richtigen Zeit lebt. Nur wie man in der richtigen Zeit schreibt – Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Aber in welcher man lebt, das hat nie jemand thematisiert.
Ich treffe berufsbedingt ständig auf Menschen, deren Prägung einige Zeit zurückliegt. Das, was sie heute machen, haben sie vor mehr als 10, eher 20 Jahren gelernt. Vieles davon passt nicht mehr in die heutige Zeit. Na und. Der Mensch hat die unglaubliche Fähigkeit, mit dieser Einstellung die Dinge lieber vor die Wand zu fahren und dann sofort Schuldige auszumachen. Anstatt sich dieser schönsten und spannendsten Herausforderung des Lebens täglich zu stellen: Wie geht es weiter? Was kann ich tun? Was verändern? Was verbessern? Was sollte ich tun? Was lassen?
Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier und er hasst insgeheim nichts mehr als die Veränderung. Die macht ihm sogar Angst, obwohl sie trotzdem geschieht und zwar jeden Augenblick.
Donnerstag, 25. März 2010
Das wahnsinnige Rennen
Wer noch Arbeit hat, dem fällt in einem der wenigen stillen Momente auf, das ist alles der Wahnsinn. Morgens begrüßen einen 134 unbeantwortete Mails. 70% haben den Status besonders wichtig vom Absender verliehen bekommen. Am selben Tag erwarten einen 4 Meetings. Zudem muss noch die eigentliche Arbeit erledigt werden und einiges vorbereitet, überarbeitet und nachbereitet werden.
Auf dem Handy erblickt man 8 Anrufe in Abwesenheit. Zum Glück 6 anonym. Zwischendurch streckt jemand den Kopf zur Tür rein „Hast Du mal 2 Minuten Zeit?“. Eigentlich wollte man heute zeitig raus, mal mit den alten Herren kicken gehen. Oder mit dem Sohn ins Kino gehen. Oder mit der Frau. Aber eigentlich weiß man schon Morgens, dass man es Abends nicht schafft.
So kann man aber keinen Tag beginnen, in dem man denen, die man am liebsten hat, mit einer Absage begrüßt. Das wäre ein schlechter Einstand für den Tag. Somit lieber die Hoffnung keimen lassen, es könnte klappen.
Die Brille ist seit 2 Wochen kaputt, der Bügel fällt immer raus. Eigentlich müsste man dringend zum Optiker. Getränke müssten eingekauft werden und dann ruft auch noch ein Freund an. Jetzt ganz schlecht. Die Familie und die Freunde genießen tagsüber einen besonderen Status, die Unsichtbaren.
Plötzlich wieder Terminänderungen. Da fällt was aus. Da kommt gleich was rein. 211 unbeantwortete Mails. Das mache ich heute Abend, wenn alle im Bett sind. 22 Anrufe in Abwesenheit. Und ein paar wichtige Nummern darunter. Schnell abtelefonieren oder besser eine Mail schreiben.
Essen, ich wollte doch was essen. Ich habe doch eigentlich Hunger gehabt. Aber jetzt ist es schon zu spät, Essen fällt aus. Kaffee und Wasser müssen das bis heute Abend schaffen. Oh mein Gott, die Post, ich hatte die Postmappe ganz vergessen. Ist was dabei? Ich meine, was meine sofortige Aufmerksamkeit benötigt? Wann schreibe ich bloß die Präsentation? Wann habe ich mal 20 Minuten für mich, alles das zu erledigen, was ich früher in 8 Stunden mir ausdenken konnte?
Sogar das auf Toiltette gehen stört. Sogar dafür hat man nicht wirklich Zeit. Und dann die blöden Witze über Urlaub, Geld und Krankheit. Ständig geben einem alle das schlechte Gefühl, Krankheit wäre Absicht, um alle anderen zusätzlich zu belasten. Und mit dem Urlaub verhält es sich ähnlich. Dann tun sie immer so, als ob man Unsummen verdient und im Geld schwimmen würde. Blödsinn. Ach, ja Scheiße, die Steuernachzahlung.
Mist, geblitzt worden, nachts auf der dreispurigen leeren Autobahn, da stand 80 und ich wollte nur noch ins Bett und bin so 120 gefahren – Blitz – hatten sie mich. Nachts auf einer einsamen Autobahn. Das muss ich auch noch erledigen. Meine Frau ruft an wegen des Friseurtermins. Nächste Woche Dienstag um 12.00 Uhr – ja, ja, das bekomme ich schon hin. Und sie gibt mir die Planungen für das Wochenende durch. Mein Sohn hat ein Fußballturnier, 8:00 Uhr Treffen am Sportplatz.
Wann komme ich bloß dazu, die Präsentation zu schreiben? Ich mache das einfach am Sonntag. Sonntag muss ich einfach mal 2 Stunden für mich finden. Es ist schon wieder nach 18:00 Uhr. Fuck, mein Sohn ruft an. Wie ich das hasse.
Schon mal Mails löschen. Alles was cc ist, raus damit. Irgendwie habe ich den ganzen Tag etwas getan, aber nichts hat sich wirklich bewegt, nichts ging los, oder hörte auf. Nichts. Und vor mir wird alles immer mehr und immer schneller. Zu Hause habe ich jetzt auch schnelles Internet. Ich bin immer und überall erreichbar. Alles erreicht mich. Eigentlich müsste ich meinen Job machen. Aber es ist schon lange nicht mehr der Job, wo ich dachte, dass ich ihn erledigen muss.
Ich muss Politik zu allen Seiten machen. Ich muss clever sein. Vorausschauend. Mein Netzwerk pflegen. Immer im Augenwinkel beobachten, was um mich herum passiert. Gespräche führen. Loben. Kleine Gefälligkeiten. Aber auch mal dazwischen hauen. Im Prinzip habe ich eine wichtige Präsentation zu halten. Von der einiges wie immer abhängt. Aber ich komme nicht dazu. Das System lässt mich nicht dazukommen.
Time Management – dass ich nicht lache. Ich soll reduzieren, konzentrieren und nicht alles tolerieren. Weglassen, was nicht nötig ist. Nichts anpacken, was andere machen sollen. Ich muss mich einfach an das Gefühl gewöhnen, dass man die Arbeit nicht schafft. Dass man seinem Anspruch nicht gerecht wird. Dass man auf immer mehr verzichten muss. Das scheint der Normalzustand.
Ständig wundere ich mich darüber, was noch alles gelingt und klappt. Was man alles improvisiert und dann auch noch funktioniert. Ich glaube, der Weg im Business ist ein anderer, als alle gelernt haben. Alles hat sich längst überholt. Nichts von dem, was man an Werkzeugen mit auf den Weg bekommen hat, wendet man noch an.
Eigentlich sollten mich keine Mails erreichen. Und keine Anrufe. Dafür sollte es einen Service geben. Eine Filter aus echten Menschen. Man dürfte gar nicht mehr so an mich heran. Da draußen müssten Menschen die Dinge ausarbeiten, zu denen ich nicht mehr komme. Man müsste die ganze Technik anders nutzen und einsetzen. Und neue Jobs gestalten, die uns allen die Arbeit ermöglichen.
Und dass ich es geschafft hätte, mit meinem Sohn ins Kino zu kommen. Und auf dem Weg ein paar Blumen für meine Frau zu kaufen. In aller Ruhe 20 Minuten mit einem Freund zu telefonieren. Mich intensiv mit meinen wesentlichen und wichtigen Aufgaben zu beschäftigen. Dabei einen guten Kaffee trinken. Mittags gesund Essen zu gehen.
Eigentlich müsste alles anders sein, als es ist, um das zu erzielen, was wir uns vornehmen. Aber das Rennen geht weiter. Alle rennen. Immer schneller. Immer mehr. Keiner bleibt stehen und schreit laut: Stopp. Warum rennen wir eigentlich? Oder wie jemand mal erzählt, als der Jungbulle mit seinem Vater auf einem Hügel stand und da unten im Tal diese vielen schönen Kühe stehen sah. Und der Jungbulle freudig schrie: Vater, lass uns runter rennen und eine von ihnen ficken. Und der Vater entgegnete: Lass uns langsam herunter gehen und sie alle nehmen.
Warum rennen wir und schaffen so wenig? Wenn wir gehen und viel mehr erreichen könnten? Wir sind verrückt.
Bemerkung: Dieser Text ist keine Beschreibung meines Lebens. Sondern eine Beschreibung des Lebens von Menschen, die ich kenne. Das soll keine Ausrede sein, sondern ich wollte die Chance wahrnehmen, es mal öffentlich darzustellen.
Montag, 8. März 2010
Ein einfaches Beispiel: Brösel oder Backmischung?
Diversifikation. Das Problem. Vor nicht all zu langer Zeit haben alle gepredigt, den Markt, die Branche und das Produkt zu segmentieren. Somit gab es früher z.B. einen bzw. nur ein paar Joghurts im Kühlregal. Jetzt ist nicht mal mehr genügend Platz für die vielen Joghurts.
Ein Markt hat eine Größe. Ein Kuchen. Der Kuchen. Wenn dieser Markt einem gehört, dann hat der kein Interesse am segmentieren. Gehört der Markt aber vielen, dann wollen alle etwas von dem Stück Kuchen. Und somit werden die Stücke kleiner und kleiner. Bis nur noch Krümel bleiben.
Für viele innerhalb des Marktes zu viel zum sterben und zu wenig, um zu überleben. Der Weltmarktführer in Sachen Schrauben wechselt fast stündlich, denn dieser hat nicht mehr als 5% Marktanteil. Und dieser Anteil wird immer kleiner, weil die Segmentierung immer weiter voranschreitet.
Früher gab es Segmentierungen, die man noch nachvollziehen konnte, wie beim Fernsehen, da sollte es ein Sportfernsehen geben, ein Kinderfernsehen, ein Kulturfernsehen. Aber alle anderen Sender segmentieren nur einen bestehenden Markt und unterschieden sich dabei nicht einmal wirklich, dasselbe nur kleiner und auf viele mehr verteilt. Aber jeder möchte vom Kuchen, vom Marktanteil, so viel wie möglich abhaben.
Diese Strategie ist wie fast alles menschliche Denken – endlich. Und das Ende der Segmentierung steht wie großer unübersehbarer Monolith vor uns. Es gibt zu schnell, zu viel von allem. Somit ist nicht genug Kuchen für die Marktteilnehmer da, sondern nur noch Krümel. Das hat zur Folge, dass auch alle an einem Markt beteiligten vom Staub der Krümel leben müssen. Das geht nicht. Und dieses "das geht nicht", erleben wir überall.
Was als Freiheit und somit als freie Marktwirtschaft, als Kapitalismus, gut gedacht war, ist nun schlecht gemacht worden. Der Wettbewerb läßt schon lange nichts Neues mehr entstehen. Für etwas Neues ist kein Geld da und das Risiko ist zu groß. Dasselbe wird nicht mal mehr anders gemacht, sondern nur noch billiger und wenn überhaupt, nur anderes distribuiert.
Wir haben uns alle blenden lassen von Eroberungsmärkten und wollten die nahenden gesättigten Märkte nicht sehen und welche Folgen das für uns alle hat. Der Markt der Medien ist längst zu einem Monster geworden, der schon lange nicht mehr auf Nachrichten wartet, sondern diese lieber selber produziert.
Die Wirtschaft hat sich mit der Strategie der Segmentierung nicht an das Wichtigste gehalten – das Gesetz von Angebot und Nachfrage, sondern nur am Unwichtigsten orientiert, an den Marktanteilen. Man hat sich blenden lassen von einem Konsumverhalten, das ausschließlich so hoch war, weil es Eroberungsmärkte waren. Das ist so, als ob man von außerordentlicher Kochkunst ausgeht, wenn man hungrigen Kindern Brote schmiert. Der Bedarf war so groß, dass die Ausführung unwichtig war. Aber alle feierten sich und die Segmentierungen.
Und diese Segmentierung macht ein Gewinnbestreben für produzierendes Gewerbe fast unmöglich bis unmöglich. Also müssen die dazu übergehen, nicht mehr mit dem eigentlichen Produkt Geld zu verdienen, sondern mit anderen Aspekten. Somit ist der eigentliche relevante Nutzen nicht mehr tragfähig und es muss ein Mehrwert her.
Die größten Industrien verdienen ihr Geld schon lange nicht mehr mit dem Produkt und der Dienstleistung, welche da im Vordergrund steht. Somit ist das Modell der Segmentierung ein temporäres und ein dummes zugleich. Dasselbe nur anders, schneller und billiger zu machen ist nicht von Dauer. Vor allem nicht von Wertschöpfung gekrönt.
Somit werden diese Wirtschafts- und Unternehmensmodelle nun scheitern. Und aus dem Scheitern erwachsen aus Krümeln, die da zusammengeschlossen werden, wieder Kuchenstücke. Ob man an diesen wieder Geld verdienen kann, das steht noch im Raum. Denn in der Regel sind solche Märke in der Werthaltigkeit so vernichtet worden, dass auch neue Größe nichts mehr ausrichten kann.
Somit muss ein Ausweg aus der Segmentierung her. Es ist nicht hilfreich, wie in der Automobilbranche, die unter derselben Krankheit leidet, nun mit Geld versucht wird, genau diese Segmentierung aufrecht zu erhalten. Ein Sterben der Hersteller wäre für die Märkte und die Option, wieder Geld zu verdienen, wesentlich größer. Die logische und natürliche Gegenbewegung zur Segmentierung nun aufzuhalten, nur um Arbeitsplätze zu erhalten, verlängert das Sterben nur und macht es in der Wahrnehmung nur schmerzhafter.
Somit wäre es schlauer, sich von vielem zu verabschieden und der Wirtschaft mit auf den Weg zu geben, dass alles, was nicht Segmentierung ist, sonder eine Stand Alone Lösung, einen eigenen großen Kuchen anbietet. Eine Zeitlang zumindest, in der man schon wieder das nächste Fass aufmachen kann.
Es ist schlau, sich frühzeitig aus Märkten zu verabschieden, die anfangen zu bröseln. Und es ist schlau, in Märkte zu investieren, die wie eine eigene Backmischung des Weges kommen. Denn wie sage ich immer: Wenig von viel kann sehr viel sein oder zu wenig. Viel von wenig zu haben, kann zum selben Ergebnis führen. Was aber nie lügt, ist das, was unter dem Strich dabei rauskommt. Wenn das nur noch positiv zu gestalten ist, wenn man die Grenzen der Wirtschaftsmoral und -ethik längst überschritten hat und täglich weiter überschreiten muss, dann ist es wirklich Zeit zum umdenken. Das muss man sich und der Umwelt wirklich nicht antun. Diese Zeit und diese Energie kann man auch anders und besser investieren.
Somit stellt sich die Frage – bröseln Sie noch oder backen Sie schon?
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