Mittwoch, 11. Juni 2008
Zeit der Unverbindlichkeit
Ein Wort ist ein Wort. Auf mein Wort können Sie zählen. Hand drauf. Gesagt – getan. Worauf Sie sich verlassen können. Ach waren das schöne Zeiten. Nichts wurde relativiert, verschoben, verzögert und vergessen. Wir sind angekommen in einer Zeit der totalen Unverbindlichkeit. Alles könnte nur noch so sein, wie es scheint. Man verabredet sich ganz unverbindlich und kann dieses Treffen sausen lassen, ohne den anderen darüber zu informieren.
Man holt sich ganz unverbindlich Angebote rein und muss sich nie mehr dazu äußern, geschweige denn sich melden. Nichts erzielt mehr den Status von absoluter Sicherheit und Zuverlässigkeit. Alles ist und bleibt offen.
Woher kommt diese Welle der Unverbindlichkeit? Irgendwoher muss diese ja kommen. Die Menschen machen nichts von selbst, sondern aus einer Entwicklung heraus, weil sich das Bewusstsein geändert hat oder sie machen es einfach nach.
Man fühlt sich einfach nicht mehr verantwortlich und hat dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen. Ist das eine gute oder eine schlechte Entwicklung? Wenn sich keiner mehr verantwortlich fühlt, dann ist doch niemand mehr zuständig. Oder? Wer heute versucht, einen Termin zu machen, der trägt diesen mit derselben Unverbindlichkeit ein. Ich ertappe mich des öfteren dabei, dass ich Termine mehrfach belege. Weil ich locker davon ausgehen kann, dass sich ohnehin alle verschieben oder in Selbstgefallen auflösen.
Es liegt an der Parallelität der Ereignisse, denke ich. Wir kommen nicht daran vorbei, dass unsere Wahrnehmung zunehmend oberflächlicher wird. Denn wir haben ein Ohr beim Handy, ein Ohr beim Telefon, wir werfen ein Auge auf den Posteingang unseres Computers und dann lauschen wir auch noch nach dem Faxgerät, weil wir einen unterschriebenen Auftrag erwarten.
Gegen 11.00 Uhr müsste die Post kommen. Unsere Sinne sind nicht mehr bei einer Sache. Wir können die Dinge nicht mehr hintereinander ordnen, sondern sie verlaufen parallel. Und diese parallelen Ereignisse werden mehr und sie beschleunigen sich auch noch. Somit wird unsere Wahrnehmung immer oberflächlicher, was zur Folge hat, dass wir unverbindlicher werden.
Wenn ich am Computer sitze, wie gerade jetzt, und jemand mich anspricht, dann sage ich, nur um meine Ruhe zu haben, zu allem „Ja“ und „Amen“ Oder da meine Konzentration gerade auf diesem Blogbeitrag beruht, habe ich alles, was gesagt wurde, innerhalb kürzester Zeit schon wieder vergessen. Wenn ich morgens die Mails checke und einige schnell beantworte und meine Frau mir aufträgt, etwas zu besorgen, habe ich das innerhalb von zehn Minuten vergessen.
Wir sind nicht mehr an einem Ort. Wir sind nicht mehr bei einer Sache. Sondern wir sind im selben Moment an vielen Orten und an vielen Dingen gleichzeitig. Das muss unweigerlich zu dieser unerträglichen Unverbindlichkeit führen.
Geschrieben von Christof Hintze
in Wilde Thesen
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07:41
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Donnerstag, 5. Juni 2008
Einbildung
Einbildung ist bekanntlich auch eine Form von Bildung. Dies setzt natürlich voraus, dass man eine Wahrheit so verändert, dass diese in der eigenen Wirklichkeit ganz anders erscheint, als für alle anderen in Wahrheit zu erkennen ist. Und auch in Wirklichkeit.
Es war in Wahrheit ein Grottenkick. Mit Hilfe der Einbildung behauptet jemand nun einfach, es war in seiner Wahrheit ein gutes Fußballspiel. In Wirklichkeit bleibt es aber ein Grottenkick. Das haben ja alle gesehen, die es angeschaut haben. Somit kann die Einbildung die Wahrheit verändern, zum Guten und zum Schlechten.
Aber in Wirklichkeit bleibt es so, wie es ist. Doch die Wahrnehmung beeinflusst mit Hilfe der Einbildung die Wirklichkeit. Wenn Sie das verstanden haben, dann können sie auch verstehen, warum in Wirklichkeit Werbung oft so schlecht ist und in Wahrheit für diejenigen, die es zu verantworten haben, ganz anders aussieht.
Woher die große Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung von Wahrheit und Wirklichkeit? Einige wollen es einfach nicht wahrhaben. Und damit dies gelingt, setzen sie das Hilfsmittel der Einbildung ein. Unter dem Einfluss der Einbildung kann man alles so darstellen, wie man es sich wünscht, dass alle es in Wirklichkeit auch wahrnehmen sollen. Ohne dass dies so ist.
Denn die Einbildung ist schlau. Sonst wäre es ja keine Bildung. Diese tut sich nur bei Personen rückversichern, die der Einbildung folgen, aus welchen Gründen auch immer. Und die Einbildung ist nicht so dämlich, sich da rückzuversichern, wo jemand ihrer selbst auf die Spur kommen könnte.
Somit leben einige nicht ganz unwichtige Menschen einen Großteil ihres Lebens in der eigenen Einbildung, ohne mit der Wirklichkeit in Berührung zu kommen. Obwohl sich die Frage aufdrängt: Verdrängt die Einbildung, die eigentliche Bildung? Das wäre übel, würde aber vieles bis hin zu allem erklären.
Das ist so, als ob man etwas würzt. Und zwar so scharf würzt, dass vom eigentlichen Geschmack nichts mehr übrig bleibt. Somit hat Einbildung etwas von sehr vielen Chilischoten in einem und demselben Essen.
Die Auswüchse der Einbildung und möglichen Verdrängung von Bildung sind mit Verlaub gesagt – überall zu sehen. Die Einbildungspolitik steht somit auch der Bildungspolitik schwer im Weg. Unausweichlich würde ich mal salopp formulieren: Wenn man etwas gegen die Einbildung macht, macht man automatisch etwas für die Bildung. Will das überhaupt jemand - fragt man sich da. Man kann es kaum glauben bei der ganzen Einbildungspolitik.
Man könnte ja mal einen Anfang machen und z.B. Politikern das Werben mit dem eigenen Konterfei verbieten und nur das Zitieren und Argumentieren aus dem Programm erlauben. Das wäre ein großer Schritt gegen die Einbildung von Politikern. Und ein erster. Gut wären auch Pflicht-Angaben, wie bei Nahrungsmitteln: 1.62 cm, 93 Kilo, gefärbte Haare....
Foto: Peter von Felbert
Geschrieben von Christof Hintze
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um
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