Montag, 28. April 2008
Abhängig
Manchmal fällt mir auf, wie abhängig man ist, wovon was abhängt. Die Zusammenhänge sind oft seltsam, aber man ist spürbar abhängig davon. Es sind die kleinen Abhängigkeiten, die einem versuchen ständig klar zu machen, wo lang es geht. Und vor allem wie.
Die meisten Abhängigkeiten bestehen aus Beziehungen von Dingen miteinander. Man stellt diese einfach her. Ob es diese Abhängigkeit wirklich gibt, könnte man in Frage stellen. Machen aber die wenigsten.
Ein Beispiel. Im Fußball glauben viele, dass wenn man selbst die besten Chancen vergibt, es zum unverdienten Gegentreffer kommt. Dann kommt es so. Dann ist die Abhängigkeit von vergebenen Chancen zum Gegentreffer hergestellt und bewahrheitet sich. Trifft es nicht zu, besteht die Abhängigkeit trotzdem. Es ist in diesem Fall nur gerade noch mal gut gegangen.
Interessant bei diesen Abhängigkeiten ist die Häufung, auf die sich offensichtlich alle berufen. Denn in der Regel gewinnt eine überlegene Mannschaft ein Spiel oder spielt zumindest unentschieden. Eine Minderzahl bestätigt diese Abhängigkeit. Da aber mit dieser Minderheit wesentlich mehr emotionale Verbindungen bestehen, werden diese wesentlich stärker gewichtet. Also von 20 Spielen gewinnt die unterlegene Mannschaft bei einer Vielzahl von besten vergebenen Chancen der überlegenen Chancen - 1. Und nicht wie man glaubt 17.
Somit bauen die meisten Abhängigkeiten auf einer falschen Verbindung auf. Noch schlimmer, diese wird auch noch um ein Vielfaches überbewertet. Somit leben wir in Zwängen, die es rational gesehen und bewertet so nicht gibt. Aber was soll man machen, wenn es sich so anfühlt?
Anfangen zu relativieren. Benennen sie die Abhängigkeiten. Betrachten sie diese. Bewerten sie diese möglichst objektiv und rational. Denn es sind genau diese Abhängigkeiten, die uns vom wesentlichen abhalten. Ständig stellen wir Verbindungen her, wo keine sind. Kommt die Person unpünktlich, dann... Regnet es an dem Tag, dann... Ruft sie heute nicht an, dann... Wenn ich vorher keinen Kaffee bekomme, dann... Wenn er sich bis Freitag nicht meldet, dann...
Unsere Köpfe sind voll von diesen falschen Beziehungen der Dinge zueinander, aber trotzdem werden diese Abhängigkeiten genährt, zumeist durch unsere sozialen Kontakte. Denn was sagen die: Kommt die Person unpünktlich, dann... Regnet es an dem Tag, dann... Ruft sie heute nicht an, dann... Wenn ich vorher keinen Kaffee bekomme, dann... Wenn er sich bis Freitag nicht meldet, dann...
Somit werden wir wie eine Flipperkugel im Spiel der falschen Abhängigkeiten gehalten. Und titschen von einer zur anderen. Was man nicht alles zueinander in Verbindung stellt. Wenn dann. Das musste ja so kommen. Das wird so kommen. Das kommt wie immer.
Zudem machen wir uns gerne abhängig von Dingen, die wir überhaupt nicht beeinflussen können, wie z.B. vom Wetter. Regnet es, wird es auch ein schlechter Tag. Scheint die Sonne, wird es ein guter. Ergebnisorientiert kann das unmöglich stimmen. Denn wir leben in einem Land, in dem es überproportional mehr regnet als in südlichen europäischen Ländern. Trotzdem war es um unsere Ökonomie historisch gesehen immer besser bestellt. Gäbe es eine Abhängigkeit vom schlechten Wetter, gehörten wir sicher zu den Armenhäusern Europas wenn nicht der Welt.
Und da, wo das Wetter schön ist, ist es um die Ökonomie historisch gesehen nicht so gut bestellt. Also wird auch hier ein falsche Abhängigkeit zugrunde gelegt. Und so geht es weiter und weiter. Der Mond. Die Sternzeichen. Alles soll uns sagen, wie der Hase läuft. Aber so läuft er nicht. Somit gilt es, sich im Laufe eines Lebens unabhängiger und unabhängiger von den falschen Abhängigkeiten zu machen. Denn um so weniger Entscheidungen, Stimmungen und andere Wesensmerkmale von Abhängigkeiten beeinflusst und bestimmt werden, um so mehr dienen sie dem eigentlichen Ziel. Der optimalen Lebensqualität.
Mittwoch, 23. April 2008
Das große Misstrauen
Mein eigentlicher und größter Kampf ist der gegen das Misstrauen. Das Misstrauen gegenüber Ideen, die nicht greifbar sind. Das Misstrauen gegenüber subjektiver Wahrnehmung, gegenüber weichen Faktoren, gegenüber dem Preis-/Leistungsverhältnis.
Die Menschen haben sich Misstrauen gegenüber jedem und allem angewöhnt. Eine ziemlich blöde Angewohnheit. Denn egal, was man sagt oder zeigt, sie gehen immer davon aus, dass die Idee nicht funktionieren könnte und auch deshalb natürlich viel zu teuer ist.
Wer mit einer solchen Einstellung an die Sache von Kreativen geht, darf sich nicht wundern, dass dabei nichts raus kommt. Hat zwar auch wenig gekostet, aber auch geringe Kosten bei völliger Wirkungslosigkeit sind viel zu viel. Somit steigt das Misstrauen weiter.
Manchmal komme ich mir vor wie ein Kommunikations-Drogendealer und meine Kunden wollen ständig das Dope runterhandeln, weil sie einfach behaupten, es sei eh gestreckt und da wäre nur Mist drin.
Das ist traurig und demütigend zugleich. Eine Weile dachte ich, es läge eventuell an meiner Person. Bei nichten, dem war nicht so. Denjenigen, denen ich meine Ideen anvertraut habe, haben diese noch schlechter an den Mann gebracht. Das Misstrauen war dort offensichtlich noch größer als bei mir.
Dann ging mir ein Licht auf. Alle, mich eingenommen, verhalten sich mittlerweile so. Wir sind zunehmend misstrauischer geworden. Das ist eine kollektive Entwicklung, die nicht ganz boden- und grundlos ist. Man wird wirklich das Gefühl nicht los, von allen Seite beschissen zu werden. Deshalb!
Somit begann ich vor ca. einem Jahr nicht an den Ideen zu arbeiten, an den Kosten, am Timing, an der Präsentation, sondern am fehlenden Vertrauen. Ich nahm mir das Misstrauen vor. Von allen Seiten bekam man es mit mir zu tun. Nichts, was mit Vertrauen zu tun hat, nahm ich mehr als selbstverständlich hin. Mein Feldzug gegen das Misstrauen. Mein Kreuzzug gegen das Misstrauen.
Meine Waffe war die Kommunikation und die Offenheit. Noch nie war ich so nah am Kunden, an den Jobs, an den Lieferanten, an allem. Ich war immer und überall dabei, wenn es ging. Alle Absprachen liefen über mich. Jede Mail war an mich direkt oder „cc“. Somit war ich im gesamten kreativen Prozess allgegenwärtig.
Der Aufwand ist immens, aber es lohnt sich. Langsam zwar, aber man spürt schon die Veränderung. Das Verhältnis zum Misstrauen verändert sich, weil die Qualität der Kommunikation sich zunehmend verbessert hat. Leider bleibt somit weniger Zeit für andere Dinge. Aber man muss eben Prioritäten setzen. Die Qualität meiner Freiheit wird maßgeblich davon beeinflusst, wie sehr ich anderen vertraue und die Anderen mir. Das wurde mir immer klarer.
Somit ist das Misstrauen zu verdrängen durch Präsenz, Kommunikation und Offenheit ein und bis auf weiteres mein Weg. Ach ja, noch was. Wer Misstrauen offen bekämpft, spürt schnell wie groß die Sehnsucht nach Vertrauen ist. Ein gutes und schönes Gefühl.
Dienstag, 1. April 2008
Wie viel Gefühl...
...darf man investieren? Wie dosiert man Gefühl? Was ist eine gute Einteilung von Gefühl? Wie geht man mit echten und unechten Gefühlen um? Was tun, wenn einen ein Gefühl übermannt? Oder wenn man nichts mehr fühlt?
Ich empfinde den Umgang mit Gefühlen als wesentlich komplizierter, als ich mir das selbst je gedacht oder zugestanden habe. Große Gefühle. Kleine Gefühle. Keine Gefühle. Plötzlich tauchen sie auf, in Momenten und Situationen, in denen man lieber mit weniger konfrontiert würde.
Oder es kommen gar keine auf in Situationen, in denen ich mir denke: So gefühllos kannst du jetzt doch nicht sein? Die Kontrolle über seine Gefühle ist sehr schwer. Mich überraschen Gefühle noch immer. Positiv wie negativ. Dabei versuche ich, genau zu entziffern, was ich fühle. Denn meine Gefühle sind meine Orientierung. Ich versuche, meinen Lebensweg entlang meiner Gefühle zu beschreiten.
Darum ist das Empfinden für mich so wichtig. Das kann ich aber nur, wenn meine Umwelt mich empfinden und spüren lässt. Vieles in und aus meiner Umwelt bewirkt genau das Gegenteil. Das gilt es zu bewältigen, zu umgehen, zu ignorieren, zu überwinden. Dem nachzugehen, dem meine innere Energie schon vorweg eilt. Ich muss nur folgen können, dürfen und wollen.
Das wäre nicht so schwer, wenn diese Art von Sensibilität seinen gebührenden Platz in unserer Gesellschaft hätte. Vor allem bei Männern. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Gefühle haben in vielen Situationen oft nichts zu suchen. Sind nicht angebracht. Und am falschen Platz. Gefühle zeigen, bedeutet Schwäche zeigen – noch für viele.
Mich bewegt deshalb oft der Gedanke: „Was fühlt derjenige da, jetzt oder dann. "Ich ertappe mich dann dabei, dass ich der sachlichen Situation nicht mehr folge, sondern mich längst auf die Suche nach den Gefühlen mache. Ich versuche zu lesen, zu erkennen, zu bemerken. Eigentlich interessieren mich die Gefühle meist mehr als die Informationen.
Es ist das, was hängen bleibt. Die Gefühle der Menschen. Oder meine. Oft versuche ich, mich an Gefühle zu erinnern, was mir nur schwer bis gar nicht gelingt. Dabei war ich mir so sicher, dass ich ein bestimmtes Gefühl immer wieder erleben könnte. Kann ich aber nicht. Die Intensität eines Gefühls ist einmalig. Unwiderruflich.
Das ist nicht schade, das ist gut so. Denn es verlangt auf dem weiteren Lebensweg nach intensiven Gefühlen. Leben. Erleben. Nur wenn wir intensiv fühlen, bemerken wir, dass wir leben.
In unserer Welt lassen wir andere für uns fühlen. Wir nehmen manchmal lieber Anteil an den Gefühlen anderer, als selbst welche zu erleben. Daraus ist eine ganze Gefühlsindustrie entstanden. Wir beobachten andere beim fühlen. Oder hören ihnen zu. Wir weichen unseren eigenen Gefühlen aus. Und schaffen uns eine Umwelt, um eigenen Gefühlen erst gar nicht zu begegnen. Das Gefühlsloch, was dadurch entsteht, wird durch die künstlichen Gefühle anderer gestopft.
Was sind das für Menschen, die ihren eigenen Gefühlen so gut ausweichen, wie es nur geht und sich nur noch über die Gefühle Dritter empfinden? Eine Gesellschaft, welche die persönlichen Gefühle so gut es geht ausschließt? Verbunden mit der vermuteten Gewissheit, das Richtige, das Korrekte, das Objektive zu tun. Sich nicht von seinen Gefühlen sondern von Fakten lenken zu lassen. Die nur an Zahlen erkennen können, wie etwas ist. Alt. Heiß. Teuer. Schnell. Lang... Aber nicht mehr fühlen können, wie es wirklich ist.
Wie fühlt sich Erfolg an? Echter gemeinsamer Erfolg. Und die vielen anderen wunderbaren Gefühle jenseits der Ratio von Zahlen. Die wirklich selbst empfundenen. Dieser Balsam für die Seele. Wenn man die Welt umarmen könnte. Wenn man seine Zufriedenheit vor Glück selbst nicht fassen kann. Wenn man vor Freude platzen könnte. Wenn man vor Liebe den Verstand verliert.
Eigentlich müsste es das höchste Privileg einer Wohlstandsgesellschaft sein, dass die Menschen in ihr sich ihren Gefühlen zuwenden dürfen. Und wir tun genau das Gegenteil. Es ist das eigentliche Ziel, das wir aus den Augen verloren haben. Eine Gemeinschaft, in der es allen gut geht, ist eine Gemeinschaft, in der sich alle gut fühlen. Nicht nur rechnerisch sondern auch wirklich.
Somit muss man konzertieren, dass diese Gesellschaft nicht nur keine Vision hat sondern auch ein erstrebenswertes Ziel aus den Augen verloren hat. Gefühlter Gemeinschaftssinn. Die WM 2006 in unserem Land hat die Spitze eines Gefühlseisberges zum Vorschein kommen lassen. Unterdrückte Gefühle, die im Alltag keinen Platz haben. Und dabei gehören sie genau dort hin und zeigen eine viel bessere Richtung auf.
Ich fühle zuerst, dass eine Idee gut ist. Erst später wird mir bewusst, dass diese auch unter rationalen Aspekten noch immer gut ist. Der große Verlust an Romantik zwischen den Geschlechtern ist ein Ausläufer einer reduzierten Gefühlswelt. Woher soll sie kommen? Wenn ein Tag daraus besteht, seine Gefühle nicht zu fühlen. Wir können eben keinen Gefühlsschalter umlegen. Wer sich für „Off“ entschieden hat, weil „On“ in seine Welt nicht passt, der wird auch da keinen Platz für Gefühle haben, wo diese die Grundlage für etwas wie Gemeinschaft oder Gemeinsamkeit bilden, sondern muss sich mit der reduzierten Form begnügen. Beziehungsunfähigkeit ist bedingt durch Gefühllosigkeit. Wir bauen keine Beziehungen mehr auf, um nicht fühlen zu müssen. Was uns nicht erreicht, kann uns nicht berühren. Vielen ist es lieber so und geht es besser so.
Eine solche Distanz zu Gefühlen überträgt sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Die nötige Distanz ist gefordert. Wer fühlt, verliert. Denn er lässt sich ja von seinen Gefühlen leiten. Das ist in der veröffentlichten Meinung nicht gut. Gefühle passen da eben nicht hin. Da muss man eiskalt sein.
Ich bin ein bekennender Gefühlsmensch. Noch schlimmer, ich suche Gefühle gerade zu. Ich lauer ihnen auf. Ich gehe ihnen nach. Denn kleinen und den großen Gefühlen. Ich kann gar nicht genug davon bekommen. Ich wälze mich in ihnen. Die Emotionen auf und ab fahren zu lassen, bereitet mir größtes Vergnügen. Die Begegnung mit neuen Gefühlen und guten bekannten ist mir eine große Freude. Erst zu fühlen und dann zu denken, ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich jongliere gerne mit einem Gefühl. Lass es auf mich zukommen und dränge es auch schon mal zurück.
Ein Gefühl heraufbeschwören, ein schlechtes überwinden. Wenn alle Menschen erst fühlen würden, bevor sie bewusst darüber nachdenken, wenn Sie sich erst ein Gefühl und kein Bild machen würden, dann wären wir der Vision und dem eigentlichen Ziel sicher näher. Der Gewissheit, dass unsere Gefühle viel mehr über das aussagen, wie es wirklich ist, als alle anderen rationalen Bewertungen.
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