Sonntag, 30. Dezember 2007
Einkauf
Als ich jetzt nach den Feiertagen von meinem Weihnachtsengerl in eines dieser Einkaufszentren geschleppt werde, „da ist es beheizt und schneit nicht - und jetzt ist alles so billig“, fragte ich vorher - natürlich ohne Sinn und Zweck, „was brauchst du denn?“ Zwei fremde Galaxien sehen sich an.
Ich weiß, wann es klug ist, zu kämpfen - und wann nicht. Am Freitag fuhren wir also am frühen Nachmittag in Richtung OEZ. EZ steht für Einkaufszentrum. O vermutlich für „Oh Gott, oh Gott“. Natürlich hatte außer uns niemand die Idee, gerade an diesen Tagen direkt nach Weihnachten ein EZ zu besuchen. Deswegen nahmen wir schon nach 30 Minuten Wartezeit in der Schlange vor der Einfahrt zum Parkhaus („da kann man direkt vor der Tür parken“) schwungvoll die Rampe nach ganz oben aufs Dach, das Parkdeck der Hoffnungslosen. Ich kam mir vor wie nach einem Spiel in der Allianz Arena mit lauter Zugroasten, die an der Schranke der Ausfahrt feststellen, dass man sich zum Öffnen der Schranke vorher eine Karte besorgt hätte haben sollen.
Aber wir hatten Pech, gerade fuhr ein - offensichtlich komplett geschaffter - Ehemann in strahlender Begleitung aus einer Lücke. Also rein und dem Unvermeidlichen in die hässliche Fratze geschaut. Die Augen meiner Frau leuchteten in heller Vorfreude.
Wenn wir im Marketing immer von „magnetisch für die Kunden werden“ schwadronieren, dann sollte sich jeder rauchende Theoretiker mal hier umschauen. Das Leben tobt. Der Rausch feiert Fruchtbarkeitsritus und die avisierte Zielgruppe macht jeden Verkäufer platt, sollte es einer wagen zwischen sie und ein Regal zu kommen. Deswegen gibt es auch keine Verkäufer wie ich feststelle. Es gibt zwei Kassenkräfte, die die zwei Kassen wie eine Tastatur bei der Weltmeisterschaft zum Glühen bringen, eine Maschinistin, die die glühenden Kassenteile ab und zu vereist und eine Umkleidekabinenkraft, die alle drei Minuten, die riesigen Kleiderballen zurück in den Verkaufsraum schafft, von denen die einkaufenden Amazonen glaubten, sie kämen in Größe 38, nur weil die Schaufensterpuppen aussehen als brächte man sie nicht über diese kalten Tage.
Nur von Magnetfeldlinien sehe ich nichts. Ich stelle jedoch ein paar andere Dinge fest. Erstens: Ich sollte Güter des täglichen Bedarf an Consumer verkaufen und nicht Investitionsgüter an Businesskunden, zweitens es braucht nicht viel, um magnetisch zu werden. Ein paar Fotos von verhungerten Mädchen in undefinierbaren Klamotten, etwas zu laute Musik, kein Personal und ein Pricing, das einen günstigen Preis suggeriert. Also etwa 9.99, 14.90 und 19.99 Euro. Die eingenähten Schildchen mit „Made in Bangladesh“ liest außer mir hier sowieso niemand. PISA grüsst. Dann noch ein paar grelle Schilder mit „Rabatt“ und „Sonderverkauf“ verteilt und los geht die wilde Fahrt. Außerdem stelle ich fest, dass sich ab und zu auch Leute über 30 in den Laden verlaufen, bis sie feststellen, dass es nichts über Größe XXM gibt und dass es selbst für wartende und letztlich zahlende Ehemänner keinerlei Gelegenheit gibt, nicht im Weg herum zu stehen, geschweige denn sich irgendwo hin zu setzen.
Als nach einer gefühlten dreiviertel Stunde mal wieder meine Frau vorbei geschoben wird, signalisiere ich ihr, dass ich draußen warte, da wo es warm ist und nicht schneit. Ob sie mich verstanden hat, kann ich nicht erahnen. Ich bin allerdings froh, ohne größere Blessuren aus dem Fegefeuer entkommen zu sein.
Als ich wieder etwas Luft bekomme, sehe ich mich um. Eine fremde Welt. Die Läden heißen „Cocos, Tally Weijl, Pimkie und Xanaka“. Und verkaufen alle irgendwie dasselbe. Mit denselben Fotos an der Wand wie mir scheint. Doch da! Ein Hoffnungsschimmer, ich sehe ein Geschäft, das mir vertraut vorkommt: Hofpfisterei.
Geschrieben von Kai Falkenberg
in Marketing Lektion
um
12:00
| Kommentare (0)
| Trackbacks (0)
Tags für diesen Artikel: b2b, b2c, consumer, einkauf, einkaufscenter, marke, Marketing Lektion, shopping, werbung, zielgruppe
(Seite 1 von 1, insgesamt 1 Einträge)
kommentare