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Montag, 29. Oktober 2007

Jäger & Sammler


Am Beispiel des Einkaufverhaltens. Das Männchen geht eines Morgens auf die Straße und stellt fest: Schnee! Bis zu den Knöcheln. Es watet im Schnee! Das Signal, ein zweites Paar weiße Socken zu den Sandalen anzuziehen und in den an gestammten Schuhladen zu fahren. Dort fixiert der große, weiße Jäger die zu dieser Jahreszeit aufgereihten Winterschuhe, greift nach kurzem Rundblick zielsicher einen Schuh heraus, probiert ihn mit angewiderter Miene, nimmt das zweite Stück mit zur Kasse, zahlt und geht. Diese Beute wird ihn sicher durch die nächsten zehn Winter tragen.

Anders das Weibchen: Die als Abfall aussortierten Werbebeilagen der Morgenzeitung des Männchens hat sie fasziniert studiert. Diese neue Teflonpfanne mit gemeißeltem Aluminiumgriff und gedrehtem Stahlboden hat ihr Herz sofort entflammt. Unter einem Vorwand lockt sie das Männchen ins nächst gelegene Einkaufscenter, weil es ja sowieso neue Winterschuhe bräuchte.

Doch dort, ahh! Plötzlich fällt ihr ein. Sie braucht unbedingt neue, weiße Turnschuhe. Die alten sind mindestens schon sechs Monate alt, wenn nicht noch mehr. Also, weiße Turnschuhe müssen es jetzt sein. Instinktiv spürt das Männchen die nahende Gefahr. Jetzt bloß ruhig bleiben. Es setzt sich also vorsichtig auf eine dieser Knöchel hohen Bänkchen und harrt demütig der kommenden Turbulenzen.

Kurz schöpft es noch Hoffnung, sind zwar weiße Turnschuhe zu Dutzenden aufgereiht. Doch für sein Auge sehen die alle absolut identisch aus. Weit gefehlt. Mit prüfenden Blicken nimmt das Weibchen jedes einzelne Exemplar herunter, dreht und wiegt. Probiert und trägt. Na? Will sie wissen, wie sehen die aus? - Wie ein weißer Turnschuh, wäre jetzt die suboptimale Antwort! Nicken und Grunzen ist die bessere Alternative.

Nach kürzester Zeit gleicht die Turnschuhabteilung einem Kinderfaschingsball in der Endphase. Kein Karton steht mehr auf seinem ursprünglichen Platz. Zwei in entfernte Ecken geflüchtete Verkäufer werden herbei zitiert, um von diesem und jenem Exemplar die passende Größe aus dem Lager zu holen. „Nur die Größen, die Sie hier sehen“, zieht jetzt nicht mehr. Hier waltet das Weibchen in seinem ursprünglichen Reich. Resigniert nehmen es die Verkäufer zur Kenntnis und schleppen eine passende Größe nach der anderen herbei. Weiße Turnschuhe, soweit das Auge reicht!

Das Drama nimmt seinen vorgesehenen Lauf. Doch, plötzlich! Ein „Der-ist-es-Schrei“ durchdringt die Kartonstapel. Tatsächlich. Triumphierend hält das Weibchen einen weißen Turnschuh in die Höhe, der sich für alle anwesenden Männchen in nichts von anderen weißen Turnschuhen unterscheidet. In nichts? Das wäre aber wirklich zu einfach.

Mit unglaublicher Sicherheit hat sie genau das einzige Exemplar unter Hunderten oder Tausenden, wenn nicht Dutzenden gefunden, zu dem es kein zweites Exemplar gibt. Aber genau dieser Schuh muss es sein! Dieser oder keiner!

Nachdem die beiden Verkäufer inzwischen sowieso allen Widerstand eingestellt haben, sortieren sie jetzt alle Schuhe affenartig schnell zusammen. Fast beschleicht den Beobachter der Verdacht, sie wollten das Weibchen loswerden, so emsig sind sie. Die Kartons werden geschwind befüllt und ordentlich gestapelt. Doch zuletzt bleibt genau dieser eine Schuh übrig. Der, der es sein muss.

Ein einsamer, weißer Turnschuh, Größe 39. Und jetzt? Sie sinniert über Ladendiebe, die ihren einen Schuh geklaut haben. Über die Menschheit, die in Kürze vor die Hunde geht, wenn jetzt schon einzelne Schuhe geklaut werden. Über die zehn Gebote. Ein Drama bahnt sich an.

Es naht der Abteilungsleiter. Der Deus ex Machina? Der Retter? Er macht einen Vorschlag. Nehmen Sie doch diesen Schuh, Größe 39 und einen Größe 38, probieren Sie. Vielleicht passen sie ja? Das Gesicht des Weibchens verfinstert sich zunehmend. Probieren Sie. Wenn sie passen, mache ich Ihnen den halben Preis. Na gut, probieren kann man ja. Zögernd probiert sie. 39 links, 38 rechts ein Paar tastende Schritte. Trippelnd. Zögernd. Aber der halbe Preis? Was meinst du, Schatz? rhetorisiert sie in Richtung des Männchens, das nur scheinbar entspannt auf dem Bänkchen kauert. Nicken und Grunzen kommt als einzig richtige Antwort.


Na ja, es geht sich eigentlich ganz gut. Also gut, meinetwegen. Gebongt. Die nehme ich. Erleichtert wird sie zur Kasse begleitet und noch erleichterter zum Ausgang. Ihre Euphorie über ihren gelungen Beutezug nutzt das erfahrene Männchen jetzt geschickt aus und dirigiert sie zurück zum Auto. Jetzt bloß kein falsches Wort. Als sie endlich wieder zuhause angekommen sind, fällt es ihr ein. Sie hat die Pfanne vergessen. Glatt! Hättest du mich nicht erinnern können? tadelt sie. Hätte ich, denkt das Männchen.

Geschrieben von Kai Falkenberg in Menschen um 09:45 | Kommentare (0) | Trackbacks (0)
Tags für diesen Artikel: Menschen
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