Dienstag, 26. Juni 2007
Rudi mach’s gut
Und was hat er nicht alles geschafft: Er übernahm kurz vor 09/11 den dahin dümpelnden Mobilfunker Viag Interkom mit 3,3 Millionen Kunden und einem Umsatz von 1,3 Mrd. Euro als kleinsten der namhaften deutschen Mobilfunk - Anbieter. Nach New York fuhr der deutsche Markt eine fünfjährige Abwärtsspirale.
Und was machte Rudi Gröger? Er gab Gas, führte soziale Vorgaben für seine Mitarbeiter und sein Unternehmen ein und segmentierte seine Zielgruppen konsequent. Als die britische Mutter Anfang 2002 die Umbenennung in O2 beschloss, ging es erst richtig los. Jetzt machte es Otze! Aufklärungskampagnen für Kinder im Umgang mit Mobilfunk, Kindergärten und hauseigenes Fitnesscenter für die Mitarbeiter, Spenden und soziales Engagement, Nichtraucherkurse und Party, Party, Party. Über 80% der Mitarbeiter waren stolz für Rudi zu arbeiten.
Vom Konkurrenten E-Plus holte Gröger den charismatischen Franz Beckenbauer, der mit blauen Blubberblasen die Sympathiewerte steigerte. Die damals noch berühmte Anke Engelke, das deutsche Fräuleinwunder Veronica Ferres und die aufstrebende Operndiva Anna Netrebko folgten. Anfangs wurde dieser blaue Marktauftritt von den Experten als super-dämlich belächelt, die Wirkung jedoch nicht mehr.
Bis 2007 wurde Rudi zum Liebling der Münchner Schickeria, Ehrendoktor der Münchner TU, Manager des Jahres, bester Arbeitgeber, gefragter Berater in Politik und Wirtschaft. Jetzt hatte O2 fast 11 Mio. Kunden, über 3 Mrd. Umsatz und war drittgrößter deutscher Anbieter. Die Party war in vollem Gang. Und Rudi lächelte in jede Kamera. Hussa! Super!
Dann kam dieses erste Quartal 2007. Auf einmal brachen die Umsätze ein, die Neukunden blieben aus, die Margen waren weg. Plötzlich hörte man wieder deutlich das Zähneklappern der Shareholder. Trotz fünfmaligem Double musste Rudi ganz schnell den Magath machen.
Was lernen wir daraus? Schön spielen darf nur, wer auch Punkte einfährt. Stakeholder sind nur geduldet, wenn die Kurse steigen? Viele Kunden holt der Kleine nur, wenn der Oberfuzzi schwächelt? Der Gastgeber sollte nicht auch noch den Pausenclown geben?
Das jetzige, spanische Mutterhaus Telefónica jedenfalls hat schon einen rigiden Sparkurs angekündigt. Für einige Tausend Mitarbeiter wird die Musik dauerhaft Pause machen. Rudi wird auf eine Stabstelle abgeschoben, von der aus er sich neue Ufer suchen wird. Und aus Spanien schicken sie uns einen neuen Lopez, der diesmal Jaime Smith heißt. Alles Gute, liebe Blubberbläschen. Und ich hatte mich schon so darauf gefreut, die Bläschen nachts am Munich Tower blubbern zu sehen. Rudi, mach’s gut!
Mittwoch, 20. Juni 2007
10 Regeln für weniger Werbeaufwand und mehr Werbewirkung
1. Werbeagenturen werden für das Entwickeln und Umsetzen von Werbemitteln und Maßnahmen bezahlt. Stoppen Sie das. Drehen Sie den Spieß um und beteiligen Sie ihre Agentur am erzielten Erfolg. Zudem bieten Sie der Agentur an, das nicht verwendete Budget Halbe-Halbe aufzuteilen.
2. Zahlen Sie deutlich mehr für die Idee, das Konzept und die Strategie und weniger für die Umsetzung. Verdoppeln Sie die Stundensätze für Ideen und halbieren Sie die für die Umsetzung.
3. Führen Sie einen okölogischen Faktor ein. Der sich ökonomisch auswirkt. Ideen, welche die Umwelt weniger belasten, bringen eine Bonus-Zahlung. Idee, welche die Umwelt mehr belasten, bringen keinen Bonus.
4. Führen Sie einen Wirkungsgrad-Index, welcher ebenfalls eine Sonderzahlung in Aussicht stellt. Oder eben nicht. Ideen, von denen Sie sich eine hohe Werbewirkung bei geringen Budgetmitteln versprechen, werden mit einer üppigen Sonderzahlung honoriert. Welche nur eine Wirkung in Aussicht stellen bei hohen Budgetbelastungen bringen keine Sonderzahlung.
5. Erklären Sie Ihrer Agentur, dass sie die einmalige Chance erhält und in Zukunft wesentlich mehr Geld verdienen kann, wenn der Aufwand zählbar und spürbar veringert wird. Also, Ideen lohnen sich mehr denn je. Der GrossIncome der Agentur steigt mit der Qualität der Ideen und damit, wie wenig sie das belasten.
6. Schaffen Sie den Overhead Ihrer Agentur ab. Und zahlen Sie diesen auch in Zukunft nicht mehr. Sie benötigen nur einen kreativen Berater oder einen beratenden Kreativen. Mit dem machen Sie klar, was Sie wollen, brauchen und wo es lang geht. Somit bringen Sie Ihrer Agentur bei, dass die zukünftige Personalpolitik sich ändern muss. Weg vom Aufwand hin zu Lösungen.
7. Schaffen Sie sich und Ihrer Agentur kreativen Freiraum. Entwickeln Sie oder lassen Sie konstant, konsequent Ideen, Konzepte, Strategien und Ansätze entwickeln. Nicht erst, wenn eine Aufgabe sich stellt. Die Themen sind immer dieselben, deshalb lassen Sie immer noch Möglichkeiten suchen. Dann haben Sie diese, wenn Sie sie benötigen, sofort zu Hand.
8. Verdeutlichen Sie Ihrer Agentur, dass sie alles, was der Idee nicht dient, getrost weglassen kann. Dass sich alles Denken und Handeln ausschließlich auf die Qualität der Wirkung von Ideen zu konzentrieren kann. Keine aufwändigen Präsentationen. Keine aufwändigen Booklets. Nur die Idee.
9. Belohnen Sie Mut. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Agentur den Mut aufbringt, weit über das Ziel hinauszuschießen. Lassen Sie die Kreativen laufen. Und holen Sie das Konzept dann mit der Agentur gemeinsam auf die Ebene der Machbarkeit zurück.
10. Kommunizieren Sie regelmäßig und objektiv über die Wirkung der Werbemittel und Maßnahmen. Gehen Sie dabei nie der Suche nach einem Schuldigen nach, sondern immer der Suche nach neuen Lösungen.
Dienstag, 12. Juni 2007
Homöopathisches Marketing?
Wer kann sich noch daran erinnern, wann er das erste Mal etwas über Homöopathie gehört hat? Oder wann er das erste Mal ein homöopathisches Mittel genommen hat? Ob es gewirkt hat, ob es wirkt? In wie weit diese Art der Medizin neben der Schulmedizin ins eigene Leben eingezogen ist? Warum überhaupt? Die Werkzeuge und Mittel der Vergangenheit haben doch ganze Arbeit geleistet. Die fähigsten Fachkräfte haben für alles ein Mittel entwickelt. Warum eine so schwammige, schwer nachweisbare, veraltete und so untypische Medizin?
Die Proteste der Schulmedizin waren laut und heftig. Die Homöopathie wurde mit Vorliebe ins Lächerliche gezogen. Und dann auch Qigong, Shiatsu und die ganzen anderen seltsamen Behandlungsmethoden. Was für die einen Humbug war und ist, ist für viele zunehmend zu Lösung von Problemen geworden. Und diese Anwendungen rollen die Schulmedizin in vielen Bereichen von hinten auf. Ob man das will oder nicht. Ob man daran glaubt oder nicht. Das alles ist einer Entwicklung egal.
Diese Entwicklung im Denken und im Handeln kann man auch mit der sichtbaren Entwicklung in der Wirtschaft, in der ganzen Gesellschaft vergleichen. Die schulmäßigen Konzepte und Strategien verlieren zunehmend an Bedeutung. In vielen Bereichen macht sich in der Wirtschaft so etwas wie Homöopathie breit. Nicht, weil die Firmen so schlau sind. Nein, weil die Bedürfnisse sich verändern. Und die Firmen sich diesen Veränderungen anpassen müssen, wollen sie nicht an Status verlieren, oder ganz verschwinden.
Mit den Inhalten, Einstellungen und Wirkungsfeldern der modernen Wirtschaft kann nur kaum einer was anfangen. Das klingt für viele unverständlich, verweichlicht und ziellos. Gleichgewicht?! Was soll das? Was bringt das? Was kostet das? Energie! Ja, schön und gut. Aber welchen Einfluss hat Energie auf mein betriebswirtschaftliches Ergebnis? Die Übersetzung vieler gesellschaftlicher Bedürfnisse, die längst schon zum Ausdruck kommen, werden nur schwer von den Unternehmen als Chance wahrgenommen. Das Erkennen fällt schwer.
Somit ist der Weg für Human- und Balance-Marketing zwar unausweichlich. Aber das Beschreiten dieses Weges sollen andere erst mal erfolgreich vormachen. Dann würde man eventuell selbst folgen. So ist es wie immer, man überlässt bereitwillig die Innovationschance und den daraus entstehenden Vorsprung lieber anderen. Als selbst den ersten Schritt zu tun. Erst wenn die Schulmedizin völlig versagt, oder auf Symptome keine Antworten mehr hat, dann ist es zwar meist zu spät, aber wenigstens gab es eine späte Einsicht.
Quel malheur 1: Der Probealarm
Da ich in regelmäßigem und ständigem Kontakt zu anderen Agenturen stehe, was ich mir in meinem Vorleben eingehandelt habe, teilen diese mir natürlich auch ihre kritischen Bemerkungen, Tendenzen und Entwicklungen mit. Eine davon ist die "Verschleppung". In den letzten Jahren ist diese zunehmend schlimmer geworden.
Das Problem der Verschleppung wirkt sich wie folgt aus:
Der Kunde und/oder der Neukunde hat ein Problem auf dem Tisch. Ein schneller Griff zum Hörer und schon werden die Pferde wild gemacht. Auf Agenturseite wittert man das Geschäft und natürlich dem Kunden und/oder Neukunden schnell zur Seite stehen zu können. Alles wird in Bewegung gesetzt und binnen kürzester Zeit wird eine Lösung präsentiert. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Denkt der Normalsterbliche. Weit gefehlt.
Die hohe Schlagzahl aller wird abrupt gebremst. Und nun hört man Tage, Woche und länger nichts mehr von dem einstigen Problem. Diese Verschleppung demotiviert die Agentur brutal. Ständig raus aus den Federn und in 100 Fällen entpuppt sich der Alarm in 90 Fällen als blinder. Somit stumpft die Agentur zunehmend ab. Und kann unmöglich unterscheiden zwischen echtem und blindem Alarm.
Das ärgert den Kunden und/oder Neukunden. Denn der nützt diese freie Verfügung gerne und häufiger. Und wenn die Agentur nur noch müde abwinkt und entgegnet, jetzt machen wir erst mal einen Kostenvoranschlag und dann sehen wir weiter, bemerkt der Kunde, dass er seine Agentur trocken gefahren hat. Somit benötigt er die nächste. Und auch der hängt er die Wurst in Geruchs- aber nicht Griffweite und das Spiel beginnt von Neuem.
Das eigentliche Problem dabei ist nur, dass die Agenturen in ihrer eigentlichen Kernkompetenz immer schwächer werden, weil sie dort weniger gefordert werden. Und am Ende haben die Agenturen die Nase vorne, die wie ein Wachhund auf der Decke immer schön direkt neben dem Kunden wachen. Und deren einzige Qualität besteht darin, zu bellen.
Nur bekanntlich können Hunde, die bellen, nicht beißen. Somit bleibt die Werbung leider wirkungslos. Eine traurige Entwicklung. Somit kann ich nur im Namen meiner Kollegen die Kunden bitten, über diesen Umstand mit der Agentur ein offenes Gespräch zu führen und den weiteren Umgang mit Probealarm, blindem Alarm und echtem Alarm genau zu besprechen.
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