Montag, 29. Januar 2007
Ideen gießen
Ideen auf den Tisch. Jede Idee muss über kurz oder lang auf den Tisch der Tatsachen. Und liegen sie nun. Eine neben der anderen. Und jetzt wird es ganz menschlich. Fast humanistisch. Wenn ich nur darüber nachdenke, wird mir noch ganz warm ums Herz. In allen Konferenzräumen der Welt in Werbeagenturen spielt sich ein ähnliches Schauspiel ab. Da gibt es den Favoriten. Die Idee, die alle toll finden. Und da gibt es die ganz gute Idee. Die auch nicht so übel ist. Und die Idee, an der was dran ist. Man weiß nicht genau was. Aber irgend etwas hat diese Idee. Und anstatt mit der ersten Idee ins Renne zu gehen, wird jetzt Stunde um Stunde aufgewendet, alle tun ihre Meinung kund, wie man der schwächsten Idee auf die Sprünge helfen könnte. Wie man der eingegangenen Primel neues Leben einhauchen kann. Das habe ich nie verstanden. Warum nicht der positiven Energie der ersten Idee folgen und diese einfach Wirklichkeit werden lassen? Nein, 80% der Kosten, der Zeit, der Energie werden dafür vergeudet, einer Idee auf die Sprünge zu helfen, die nur einen Sprung schafft. Den in den Papierkorb. Aber so ein kaltes Herz hat der Kreative nicht. Da wird aufgepeppelt, noch mal ran gegangen, optimiert und probiert. Um am Ende, nämlich 24 Stunden vor der Präsentation, zu erkennen: Die ist scheiße. Was ist eigentlich mit der ersten Idee? Die war doch toll. Bis heute denke ich mit Grauen an diese Meetings zurück. Und ich habe mir geschworen, Ideen, die nichts taugen, werden wie Unkraut gezupft, und frisches Wasser und Pflege bekommt nur die Idee, die von Anfang an einem entgegen sprießt. Das tut so gut. Und niemand hindert mich daran. Wunderbar. Was für ein Glück habe ich, dieses Kapitel lange hinter mir gelassen zu haben. Die hat was, die Idee? Dass ich nicht lache. Die hat was, und zwar nichts. Basta.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Gießkannen)
Mittwoch, 24. Januar 2007
Ideenfilter & Ideenmischung
Jede Idee muss durch Filter und besteht aus einer optimalen Mischung. Im Laufe eines Lebens verändern sich die Filter und Mischungen. Vor allem, wenn man die Gehaltsleiter Schritt für Schritt nach oben steigt. Immer mehr Leute reden einem rein. Immer mehr Filter verändern das eigentliche Ergebnis. Bis zur Geschmackslosigkeit. Unglaublich, aber wahr, aber das Ergebis ist oftmals der kleinste gemeinsame Nenner. Zu viele Meinungen sind der Idee Farblosigkeit. Die Idee verliert, um so höher man steigt, an allem, was sie mal ausgezeichnet hat. Hinzu kommt die richtige Mischung. Ideen sind am Anfang oft eintönig und gefärbt. Von dem ausgehend, was man kann. Man beherrscht bei weitem noch nicht, alle weiteren Aspekte in einer Idee zu berücksichtigen, die letztendlich ebenso über ihre Wirkung entscheiden. Texter machen Texter-Ideen. Kunden machen Kunden-Ideen. Art Direktorinnen machen Art-Ideen. Erst mit der Zeit gelingt es, alle Disziplinen in einer Idee zu vereinen. Was aber die Idee der jeweilige Disziplin nicht zur vollen Entfaltung kommen lässt. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Die gute Idee hat Bedenken von allen Seiten. Denn dem einen ist sie nicht textlastig genug, dem anderen fehlt die Kundensicht und so weiter. So hat jede Idee ihr Freunde und ihre Feinde. Was nichts mit der Idee an sich zu tun hat. Sondern mit denjenigen, die diese beeinflussen. Wenn es einer wirklich schwer hat, dann die gute Idee. Weil der fehlt es oftmals an allen Ecken und Enden an Ecken und Enden.
(Foto: Peter von Felbert)
Montag, 22. Januar 2007
Ausdenken lassen
Wenn alles um uns schneller wird, dann auch das Denken. Somit türmt sich vor uns ein neues weiteres Hindernis auf. Wo es früher nur eine schreckliche Angewohnheit war, Menschen nicht ausreden zu lassen, schaffen wir es heute nicht mal mehr, andere ausdenken zu lassen. Wir fallen nicht mehr nur ins Wort, oder ergänzen die unausgesprochenen Sätze anderer. Nein, dasselbe machen wir auch mit Gedanken. Kein Zeit. Das muss alles schneller gehen. So haben Schnelldenker und Schnellredner einen großen Vorteil gegenüber allen anderen. Was aber in der Sache bei weitem kein Vorteil sein muss. Schnell ist nämlich keine Qualität. Sondern der richtige Gedanke braucht genau so lange, wie er benötigt, um richtig gedacht und formuliert zu werden. Mir fällt das in Meetings sehr oft auf. Dass ich bemerke, dass jemand einen nützlichen Gedanken denkt. Das kann ich erkennen. Im Gesichtsausdruck. Aber weil die nötige Geschwindigkeit fehlt und man der Auseinandersetzung ausweichen will, bleibt der Gedanke im Kasten. Das ist schlecht. Eine weitere schlechte Angewohnheit, die sich breit und breiter macht. Deshalb kann ich nur anregen: Lasst Menschen ausreden und ausdenken. Habt ein wenig Geduld. Manchmal ist man von einer genialen Lösung nur einen Geduldsmoment entfernt. Das ist nicht viel. Und es ist es wert, ihn einzuräumen. Die Zeit muss sein.
(Foto: Thomas Hintze, Motiv: Émile Zoal, Ort: Israel)
Roadway Management
Das Wissen, die Erfahrung, die Erkenntnis. Alles Wesentliche, was einen Job-Projektablauf betrifft, bleibt zu einem nicht unermesslichen Teil geistiges Eigentum dessen, der es gemacht hat. Somit wiegt der Verlust von Menschen während eines Jobs oder bei erneutem Verlauf schwerwiegender als der einer Festplatte. Das Wissensmanagement möchte diese Lücke schließen. Aber nur wenige tun das. Denn es erfordert eine wichtige Erkenntnis. Die, dass erworbene Fähigkeiten während einer Tätigkeit auch dem gehören, der einen dafür bezahlt, wenn man diese Tätigkeit ausübt. Aber diese Massen von Wissen verbleiben nicht in Unternehmen oder werden anderen nicht zugänglich gemacht. Ein ungeheures Kapital. Man stelle sich mal vor, dass der Streckenverlauf eines Jobs minutiös aufgezeichnet würde. Wieder und wieder. So dass jeder andere diesen Ablauf selbst verfolgen kann. Das ist so, als ob beim New York Marathon jeder selbst nach dem Weg fragen müsste. Es gäbe nicht die berühmte Linie. Die Natur ist uns da weit voraus. Und viele andere Disziplinen auch. In der Werbung mutet es geradezu lächerlich an, dass man bei jedem Werbemittel das Gefühl hat, fast bei Null anzufangen. Obwohl vieles zum x-ten mal gemacht wird. Aber niemand hat die exakte Wegstrecke, wie bei einem Rezept oder einem Marathon, aufgezeichnet. Nicht mal die Mondlandung könnte man aus heutiger Sicht rekonstruieren. Denn ein Großteil ist in den Köpfen derer, die dabei waren. Die digitale Technik macht uns es aber mehr als möglich, diese wichtigen Informationen festzuhalten. So dass alle immer wieder einfach derselben richtigen Wegstrecke folgen können. Jobs würden präsziser, einfacher und schneller verlaufen. Und was das Tollste daran wäre: Als Angentur würde man viel mehr Geld verdienen. Aber es setzt sich nicht durch. Der Mitarbeiter an sich bewertet seine Erfahrung als sein eigenes Eigentum. Und behütet dies wie den heiligen Gral. Was seltsam ist, wenn man sich die ganzen Urheberrechtsdebatten ansieht. Welches Urheberrecht hat denn ein Unternehmer an dem erworbenen Wissen seiner Mitarbeiter im übertragenen Sinne? Eigentlich keins. Somit geht das Wissen immer und immer wieder verloren, sobald ein Mitarbeiter, aus welchen Gründen auch immer, ausscheidet. Teuer. Sehr teuer.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Kletterwand Freeclimber)
Freitag, 19. Januar 2007
Timing
Das perfekte Timing ist alles. Und es ist das Ergebnis von zahlreichen Erfahrungen und daraus wertvoll abgeleiteten Erkenntnissen. Jeder Musiker weiß das. Jeder Koch. Alle, die kreative, komplexe Prozesse zu einem qualitativen Ergebnis führen wollen, dürfen und können, wissen: Timing ist alles. Alles muss auf den Punkt kommen. Warum sollte es also für alle kreativen Berufe und Berufungen gelten und für die Werbung nicht? Es gilt auch für die Werbung. Aber kaum einer hält sich daran. Wann kommen Werber ins Büro? Wann trudeln Werber gesetzmäßig zu einem Meeting ein? Wieviele Termine werden von Werbern, die diese selbst gemacht haben, auch gehalten? Ich weiß, wovon ich rede. Werber haben das Timing, also das zentrale Instrument für Qualität, noch nicht für sich entdeckt. Wenn ein Orchester sich so verhalten würde wie Werber, das wäre furchtbar. Die Hälfte wäre gerade mal zum Konzertanfang da. Einige würde nicht rechtzeitig aus der Pause zurück kommen. Einige wären mal wieder beleidigt und würden sich weigern mitzuspielen. Einige würden wieder so laut spielen, dass man nicht mehr wüsste, um welche Komposition es geht. Zudem würden noch während des Konzertes die Eintrittspreise plötzlich steigen. Und in der Regel würde man nicht das spielen, was angekündigt wäre, sondern was die erste Geige gerade glaubt, was besser passt. Das Chaos wäre kaum zu überbieten. Eine Ausnahme? Ein Zufall? Kaum! Man stelle sich mal vor, ein Rudel Werber würde in einem Restaurant arbeiten. Wahnsinn! Der Kellner würde ständig noch nachfragen: Entschuldigung, was haben sie bestellt? Die Karte würde ständig verändert. Das Küchenpersonal würde erst die Beilagen rausbringen und einige Zeit später erst das Fleisch. Und so weiter. Der Werber schießt sich vor allem ins eigene Knie, weil er das Timing ignoriert als das zentrale Wesen von Qualität. Andere wissen das. Sehr gut sogar.
(Foto:Peter von Felbert)
Donnerstag, 18. Januar 2007
Generationskonflikt
Ich möchte nicht über Menschen reden. Sondern über Produkte (im Folgenden "P" genannt) und Dienstleistungen (im Folgenden "D" genannt). Früher gab es 3 Generationen von P&Ds. Die alte, die noch schnell weg musste. Die aktuelle, die gerade im Regal gelandet ist. Und die neue, die schon im Anflug war. Dieses Gerangel um einen Platz in der Konsumwelt hatte 2 bis 3 Höhepunkte im Jahr. Dabei war die Anzahl der Anbieter und deren Produkte noch gerade zu überblicken. Heute hat sich dieses P&D Gerangel zu einem fetten P&D Generationskonflikt entwickelt. Und zwar in einem Ausmaß, von dem der Konsument zum Glück nichts mitbekommt. Aber das Reinstopfen und Rauspumpen in den und aus dem Markt bedarf immer gewaltigerer Instrumente. Der Konsument verpasst in der Regel bis zum Wiederkauf nicht 2 oder 3 Generationen einer P&D Gattung, nein, bis zu 30 oder 50. Sein letztes Produkt kommt im Prinzip aus der Steinzeit. Es löst nur Lachanfälle am POS (Point of Sales) aus. Man stelle sich mal ungefähr folgendes Bild vor: Da führen 50 Hersteller von Digitalkameras je 20 Produkte in den Markt ein. Die es jeweils in 5 Varianten gibt. Und das alle 3 Monate. Das sind alle 3 Monate 5.000 neue Digicams. Wenn man sich alle 3 Jahre eine neue kaufen muss, hat man 60.000 Produke verpasst. Die wiederum in ihrer Entwicklung gigantische Entwicklungssprünge gemacht haben. Wahnsinn. Längst habe ich das Gefühl, dass sich niemand mehr am Konsumenten orientiert, sondern dass die Hersteller ihre eigene Schlacht ausfechten. Und das Schlachtfeld ist der Handel. Das unglaublich Perverse daran ist, dass hinter jedem der P&Ds eine komplette Marketingstrategie steckt. Und ich muss sagen, ich bekomme keine mehr mit. Ich habe so gut wie keine Ahnung, wie die Produkte heißen. Wie heißen Peugeots jetzt am Ende? 6, 7, 8 oder schon 9? Gibt es den Ford Sierra noch oder den Capri? Heißen Sony Fernseher noch Trinitron? Dieser Generationenkonflikt und die begleitende Medienflut schmälert, was heißt schmälert, vernichtet die Möglichkeit, dass nur eines dieser P&Ds das Licht der Konsumwelt so erblickt, dass es eine realistische Chance hat. Jedes Kind würde jetzt denken, die Hersteller dieser P&Ds sagen sich: Scheiße, dann machen wir weniger und das besser und teurer. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wie ich als Kind beim Monopoly den Kreditrahmen einfach ins Unendliche erhöht habe, so schippen die tonnenweise mehr und schneller Generationen über den Handel aus. Machen doch alle so. Alle? Nein, außer den wenigen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind. Aber das ist sicher reiner Zufall.
(Foto: Peter von Felbert; Motiv: Braun Tonbandmaschine)
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