Dienstag, 23. Januar 2007
Über die Angst vor dem Fehler
Mein erster CD (Creativ Direktor) hat ganz am Anfang einen Schlüsselsatz zu mir gesagt. Es ist lange her, es war so um 1989. Ohne diesen Satz hätte ich nie den Mut aufgebracht zu schreiben: "Du musst gut schreiben, für richtiges Schreiben gibt es Lektoren." Dieser Satz hat mir mit einem Schlag klar gemacht, dass ich keine Angst haben muss vor Fehlern, denn es leben Menschen davon, dass Menschen wie ich Fehler machen. Die verdienen ihr Geld damit. So dachte ich mir, an mir werden einige sehr, sehr viel Geld verdienen. Dieses Statement hat geradezu glücklich gemacht. Denn würde ich fehlerfrei schreiben, hätten diese netten Menschen keinen Job. Somit sind Fehler, somit auch meine Fehler, Teil des Systems, das mir die Kraft gibt, mich auf das Wesentliche konzentrieren zu dürfen. Im Laufe der Jahre habe ich dann erfahren, was andere so abliefern und was berühmte Schriftsteller ihren glücklichen Lektoren zumuten. Wunderbar. Eine sehr schöne Symbiose. Meine Angst vor dem Fehler war wie verflogen. Und es kommt noch besser. Die meisten Lektoren sind Lektorinnen. Und sie liebten meine Texte, denn an denen konnten sie zeigen, was sie drauf hatten. Die Lektorinnen in der Agentur damals rangelten sich regelrecht um meine Texte. Im Zuge der Zeit treffe ich natürlich immer wieder Menschen, welche die Nase rümpfen, wenn sie meine Fehler sehen. Die Erklärung, dass ich Legastheniker bin, ändert an dem Rümpfen nichts. Macht es eigentlich nur noch schlimmer. Das hat mich immer irritiert. Warum Menschen nicht den Inhalt meines Schreibens wirken lassen und sich problemlos vorstellen können, dass man diesen auch bis auf das letzte Komma richtig schreiben kann. Sondern ganz im Gegenteil, kaum haben sie die ersten paar Worte überflogen, fangen sie an zu korrigieren und können so dem Inhalt unmöglich folgen. Mein Vater sagte mal, dass es im Auge weh tut, wenn man Fehler sieht. Man ist so programmiert auf Richtigkeit, dass viele nicht anders können. Zudem liefere ich natürlich eine wunderbare Angriffsfläche für alle, die sich gerne erhöhen wollen, oder die mich gerne so dominieren wollen. Denn sie geben mir das Gefühl von Lehrer und Schüler. Wenn ich die gesamte Zeit betrachte, kann ich nur sagen: Scheiß drauf. Ich kann die Menschen nicht ändern. Aber ich kann immer weiter schreiben. Ob und wem das gefällt oder nicht. Und wenn es mich nicht gäbe, gäbe es in Deutschland ca. 10.000 weitere arbeitslose Lektoren und Lektorinnen. Deshalb kann ich auf die Angst Fehler zu machen nur entgegnen: Diese ist unbegründet und wird nur zur unkontrollierten Angst, weil Menschen Deine Fehler benutzen, um Dir ein schlechtes Gewissen zu machen, sich über Dich zu erheben und vor allem eins - von ihren eigenen Fehlern abzulenken, die man bei weitem nicht so einfach korrigieren kann wie einen Kommafehler. Deshalb entziehe Dich, wenn Du kannst, Menschen, die dir fortlaufend nur Deine Fehler aufs Brot schmieren. Es gibt auch die anderen. Und unter deines Gleichen ist das Arbeiten und das Leben gleich viel wunderbarer.
(Foto: Peter von Felbert, Motiv: Christof beim schreiben)
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