Sonntag, 11. Mai 2008
Teil 1. Das Spiel. La partie. [Das Buch]
Vorwort:
Das Gleiche ist nicht Dasselbe. Das ist man sicher. Eine deutsche Biographie über die Kollektivschuld? Nein! Eher über die kollektive Unschuld? Das muss jeder selbst entscheiden. Man wird sehen. Eine Erzählung, die nicht bedrückend und anklagend sein will, sondern erfreulich offen, erfrischend und unterhaltsam sein möchte. Die aus dem Inneren erzählt, was draussen vor sich geht. Die den langsamen Weg der schüchternen Annäherung erzählen möchte. Die seltsame Auseinandersetzung mit der Schuld die zugleich auch eine Unschuld ist. Und welche Blüten diese so treibt. Die Schuld und/oder Unschuld. Die Unwissenheit über die Schuldfragen. Die Naivität im Umgang mit der Unschuld. So eine Art Romeo und Julia auf Länderebene. Eine francophile Familie in Deutschland. Eine francophile Familie in Frankreich. Der Ernst des Lebens, die beiden Seiten, sehr einseitig betrachtet. Ein Rückblick in die Begegnung zweier Kulturen, zweier Nachbarn, zweier Erzfeinde, zweier Geschichten die nicht enden wollen und immer weiter fortgeschrieben werden. Ein Rückblick, der zugleich einen Einblick über den Status gewährt und einen Ausblick zulässt. Zwei die sich am Ende lieben müssen. Sicherlich auch werden. Wenn genügend Gras über die Sache gewachsen ist. Wie die eigene Lebensgeschichte beweist. Damit es ein europäisches Happy-End auf der ganzen Linie gibt. Sonst wäre alles umsonst gewesen. Helmut und Giscard. Helmut 2 und Francois. Die EU. Der G7 Gipfel. Völler in Frankreich. Alles wäre umsonst gewesen. Aus der einfachen Sicht des Spiels, dass nicht nur ein Spiel sein kann. Aus der einfachen Sicht eines Lebens. Aus der einfachen Sicht der Gegensätze, Beobachtungen und der daraus resultierenden Biographie. Deutschland : Frankreich. Und warum Gegensätze sich doch vielleicht anziehen. Warum Anziehendes sich so abstoßen kann. Deutschland will und braucht so dringend deine uneingeschränkte Liebe - Frankreich. So sehr. Stoß uns nicht zurück. Bitte zier dich nicht so. Stell dich nicht so an. Vergebe uns. Liebe uns. Denn wir wollen dich so gerne lieben. Denn, wenn Du uns lieben kannst, dann sind wir endlich befreit. Befreit von einer Schuld, die uns nicht loslässt. Denn wenn Du uns liebst, dann ist unsere Unschuld besiegelt. Nach nichts mehr sehnen wir uns. Also, das Spiel kann beginnen.
Das Buch:
Boule ist ein Spiel. Es ist doch nur ein Spiel würden einige – leichtfertig - mutmaßen. Weitestgehend, bis gänzlich kämen diese unwissenden Äußerungen sicherlich nicht von Franzosen. Pas du tout. Auf diese unbedachte Äußerung würde man einem Franzosen nur ein „Boche!“ entlocken. Das Kosewort der Franzosen für die barbarischen Deutschen. Die Bedeutung ist nicht ganz klar, sie liegt höflich ausgedrückt bei „Dickschädel“. Aber sie geht auch noch weiter, viel weiter. Boule ist ohne Zweifel ein französisches Spiel. Keine Ahnenforschung wird einen anderen Ursprung, als einen französischen, entdecken. Nicht wie Backgammon, dass schon 7.000 Jahre vor den Zockern in den Cafés im sandigen Ägypten ganze Dynastien eventuell ruiniert hat. Keine Höhlenmalerei in Australien, die kleine Männer mit Kugeln um sich werfend zeigen. Nichts. Geboren, gewachsen, gespielt und gestorben in Frankreich. Der Todestag muss somit der aller letzte der Zivilisation sein. Oder ein missglückter französischer Atomversuch. Oh, la, la. Das jüngst Boulegericht so zusagen. Boule ist ein Nationalsport. Habe ich aus Versehen „ein“ gesagt? Falsch! Ich meinte natürlich „der“ Nationalsport. Wenn Frankreich eine unbemannte Raumkapsel ins all schießen würde, auf dem Weg in ferne Galaxien, mit den wichtigsten weltlichen Botschaften für das Universum. Dann lägen da hundertprozentig 3 nagelneue Sätze polierter „Obut Match plus“ Kugeln drin. Das Spiel das man ohne weiteres nicht wirklich zu den klassischen Sportarten zählen kann. Darf? Soll? Muss? Diese Formulierung ist zugegebenermaßen grenzwertig. Aber es geht nun mal nicht anders. Was man unter anderem daran erkennt, dass man noch nie eine Begegnung im Fernsehen hat verfolgen können. Nicht mal die Boule Weltmeisterschaften flimmern über Eurosport. Und in diesem Restsportweltverwertungskanal, da kann man sogar Snooker, Criket, Pokern, Mister Universum und Monstertrucks sehen. Aber eine Boulekugel rollte da noch nie durchs 4 zu 3 geschweige 13 zu 9 Bild. Nicht mal in Mono. Sogar auf Arte oder 3 SAT könnte man ja mal eine Kultursendung „Boule“ erwarten. Nichts. Gar nichts. Curling kann man da stundenlang bewundern, Kegeln und Bowling. Aber ein kleines rotes Schweinchen, habe ich da noch nie im Dreck liegen sehen. Um eine anerkannte Sportart zu sein, dazu gehört für Viele schon, neben Sponsoren und Medientauglichkeit, weit aus mehr. Jedes noch so kleine und unscheinbare Dorf in Frankreich hat seinen Bouleplatz. Natürlich mitten im Herzen des Dorfes gelegen.
Wo sonst? Bouleplätze sind weiter verbreitet, viel weiter als ein bespielbarer Fußballplatz, in Frankreich. Die Summe der Kirchen und die der Boulplätze sind sicherlich gleich groß. Wenn nicht, gibt es bestimmt noch mehr Bouleplätze als Kirchen. Die geografisch ideale Lage eines Bouleplatzes ist nicht unbedingt von den Boden- oder Lichtverhältnissen abhängig. Der ideale Bouleplatz ist in direkter Umgebung zu alkoholischen Kaltgetränken gelegen und einer Toilette. Denn Boule dauert lange. Und wer viel trinkt, der muss auch mal austreten. Um das Spiel nicht länger zu unterbrechen als nötig, muss die Toilette in unmittelbar Nähe auf zu finden sein. Somit ist die biogeografische Lage für die ideale Lage eines Bouleplatzes ausschlaggebend. Zentral muss er sein. Für alle schnell und leicht zu erreichen. Um den Heimweg, im Schlaf hinter sich bringen zu können. Wie Golf oder Schach, sagt man Boul aber nach, das es kein richtiger Sport sei. Man tut sich schwer, dass als einen Sport anzusehen. Ein Sport mit häufiger dicken und eher älteren Menschen, scheint nun mal in der Akzeptanz kein typischer Sport zu sein. Sport ohne schwitzen, treten, Verletzungen, grätschen, anbrüllen, Ausdauer, Kraft und endloses Mühen. Keine Trikots. Das ist für viele kein Sport. Nicht mal Doping hat bei Boul einen Sinn. Es gibt auch keine Boule Stadien mit VIP Lounge. Ganz Frankreich sieht das mit der Sportdefinition sicherlich ganz anders. So wie die Franzosen im Gegensatz zum Rest der Welt, vieles ganz anders sehen. So wie die Amerikaner den Jazz haben, haben die Franzosen ihr Boul. Wir deutschen haben keinen Jazz und kein Boul. Was aber nicht weiter schlimm ist. Wir haben dafür andere Dinge. Und können den Jazz und das Boule ja theoretisch importieren. Was zwar nicht dasselbe ist, aber was soll man machen. Es ist also nachweislich kein Nationalsport, sondern eine Nationalkultur. Bei der jeder mitmachen kann, wird und muss. Ob es wohl Franzosen gibt die zeitlebens nie eine Boulekugel in ihren Händen gehalten haben? Bestimmt wird das Boulspiel eines Tages als Weltkulturerbe deklariert. Gibt es einen Amerikaner der nie eine Jazz-Note gehört hat? Wohl kaum! Oder zumindest mir unvorstellbar. Das wäre ja so, als ob ein Deutscher bis zu seinem Ableben, nie ein erfrischendes Bier bei brütender Hitze wie einen kühlen Gebirgsbach seine ausgetrocknete Kehle hinunter gestürzt hätte. Oder Zeit seines Lebens nie einen
Fußball mit seinen Fußspitzen berühren würde. Boule ist eigentlich ein ganz einfaches Spiel. Wie Jazz-Noten ebenfalls, eigentlich sehr einfach sind. Die Betonung liegt auf „eigentlich!“ Man wirft eine größere Kugel in die Nähe einer kleineren Kugel. Das war’s. Aber einfach ist auf den ersten Blick vieles. Etwas völlig anderes ist das, was der Mensch aus „einfach“ alles macht. Gerade Dinge die mit dem Attribut „einfach“ bezeichnet werden, sind oft hoch komplex. Und anders herum. Alles was man anderen als hochkomplex verkaufen will, ist meist diletantisch einfach. Was also mit der simplen Beschreibung – Einfach – beginnt, endet im völligen komplizierten, viel- und tiefschichtigen Gegenteil. Das klingt nicht nur paradox, es ist es auch. Wenn man in einer fremden Stadt jemanden nach dem Weg fragt. Und der beginnt seine Erklärung mit den Worten:“ Ach, das ist ganz einfach...“ Dann weiß der geübte Frager doch sofort, dass es jetzt brutal kompliziert wird. Und man am zigsten, „dann einfach Rechts und dann einfach Links, da einfach drüber und da einfach drunter“, schon 20 Kreuzungen zuvor geistig ausgestiegen ist. Weil man der einfachen Beschreibung bei bestem Willen nicht folgen konnte. Aber man wegen der guten Erziehung bis zum Ende „der wohl einfachsten Wegbeschreibung der Welt“ dem Gefragten zuliebe ausharrt. Sich so alle zwei Straßen weiter erneut durch fragt. Bis man es ans Ziel geschafft hat. Dieses arglose und dabei so entlarvende „einfach“ wird nur noch von einer unbedacht und viel zu häufig geäußerten Äußerung übertroffen, dem „kein Problem!“ Wenn Handwerker, oder wen man auch immer mit etwas beauftragt, sagt: „Kein Problem!“ dann weiß man, dass man ganz tief in der Scheiße steckt. Kein Problem heißt in der wörtlichen Übersetzung nämlich: „Davon hast du keinen blassen Schimmer und ich nehme dich jetzt aus wie eine Weihnachtsganz und du kannst nichts dagegen tun!“ Auch für Boule gilt, im Prinzip ist es ein ganz einfaches Spiel. Das lernt jeder „kein Problem!“ Wissen sie warum alle vom ersten Golftraining überglücklich zurückkommen. Weil der Trainer allen und jedem bescheinigt, dass er ein Naturtalent sei. Das würde er sogar einem Hund mit auf den Weg geben, wenn der einen Golfschläger in den Pfoten halten könnte. Wer will das nicht gerne hören? Nur so verdient sich der Golflehrer eine goldene Nase und auf dem Golfplatz hauen ein „Paar“ mehr Grobmotoriker maulwurfsgroße Hügel aus dem edlen Rasen.
Im sicheren Bewusstsein, sie hätten Talent und Begabung zugleich. Beim Boule geht das nicht so einfach. Denn man sieht selbst und die Mitspieler sehen es ebenfalls und obendrein das herumstehende Publikum sieht alles sowieso. Nämlich, dass der Grossteil der Kugeln nicht das macht was man eigentlich wollte, oder tun müsste. Noch schlimmer, sie liegen in einer Entfernung zum eigentlichen Ziel, dass man glauben könnte, da spielt jemand ein anderes Spiel. Vielleicht gibt es deshalb keine reichen Boulelehrer, wie es reiche Golflehrer wie Golfbälle im Teich gibt. Oder gibt es überhaupt Boulelehrer? Ich habe noch nie einen gesehen. Geschweige denn, von einem gehört. Vielleicht ist das ja eine Marktlücke? Boulekurse. So mit blitzblanken Kugeln. Gruppen Training. Und Einzeltraining. Legeübungen und Schussübungen. Konzentrationsübungen. Technische Übungen. Theorie darf auch nicht fehlen. Regeln, Regeln und noch mal Regel pauken. Mentales Training. Komische Vorstellung. Kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Aber die WC Ente, den Zauberwürfel, das Tamagotchi und das EPS System konnte ich mir auch nicht vorstellen. Boulelehrer will ich mir auch nicht wirklich vorstellen. Man lernt es vom Vater, oder vom Opa in Frankreich. In Deutschland von einem völlig frankophilen und überdrehten Platzhirschen. Der jedem Neuen das Spiel aufzwingen muss. So eine Art Träger des Boule- Virus. Der jeden in seiner nähe infizieren muss. Wie so plötzliche Nichtraucher, die einem Tag ein Tag aus erklären, um wie viel ihr Leben jetzt besser ist ohne Zigarette. So erklären die Platzhirschen um wie vieles ihr Leben besser ist, seit dem sie Boule spielen. Meine Vorstellungen vom Boule sind vor langer Zeit ins Rollen gekommen. Boule ist mir das erste Mal richtig mit 10 Jahren, natürlich in Frankreich, persönlich begegnet. Wo auch sonst? Man kann nicht in Frankreich gewesen sein, ohne das Spiel bemerkt zu haben. Das ist so unmöglich wie drei Wochen durch Paris laufen und nie den Eifelturm gesehen zu haben. Oder 4 Wochen Urlaub und nie ein Stück Baguette abgebrochen zu haben. Sicherlich habe ich es zuvor schon mal gesehen. In Paris, oder anderswo in Frankreich. Denn wir waren zuvor schon zwei Mal im Frankreichurlaub. Auf Entschädigungstournee. Wir waren so eine Art frühe Kelly Familie, ebenso laut und auf Wiedergutmachungsreise quer durch Frankreich.
Aber wir sind bei weitem nicht so groß raus gekommen, lag vielleicht an den Haaren, zudem weil wir nur einen Urlaub pro Sommer hatten. Es erscheint mir daher rückblickend als ausgeschlossen, dass in den Urlauben zuvor, da nie irgendwo eine Boulekugel herum gelegen haben soll. Unterm Eifelturm? Sicher! Aber ich habe ihm, dem Spiel, bis dahin noch nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen können. Da waren andere Eindrücke, die es galt zu verarbeiten. So habe ich in Paris als kleiner Junge miterleben müssen, wie die alten Jugendstil Markthallen abgerissen wurde. Sie mussten weichen für ein modernes Einkaufszentrum – Les Halles. Bausünden der 70er also auch in Frankreich. Schon damals kam mir das als ein weit größerer Verlust vor, als ein Gewinn für die Stadt. Mein Gefühl hat sich bis Heute bestätigt und bewahrheitet. Das einzige Stück Paris, so wie ich es in meiner Kindheit erleben durfte, finde ich Heute nur noch in St. Germain-des-Prés. Oder auf der Rückseite des Montmatre. Alles Andere ist mir fremd. Die Autobahngebühren – Péage – sind mir bis Heute als unverschämt in Erinnerung. Warum Geld für Strassen bezahlen? In Deutschland war das alles umsonst. Hier wiederum muss ich mit Blick auf die Straßenqualitäten und die Raststätten einen Irrtum einräumen. Für das Geld bekommt man in Frankreich mehr Mobilität auf hohem Niveau geboten. Was in Deutschland im Laufe der Jahre immer maroder wurde. Was haben wir uns über die Schlaglöcher in der ehemaligen DDR echauffiert. Und jetzt sehen unsere Strassen aus wie die damals im Osten. Somit scheint die Péage ihr Geld wert zu sein. Keine Staus, traumhafter Asphalt und exzellente Tankstellen. Über die Péage ging es auch zu meiner ersten intensiven Begegnung mit dem Boulespiel. Das geschah wie gesagt erst in Vieux Beaucoup am Atlantik im Sommer 1976. Das ist ein kleiner Ort. Die wenigsten kennen ihn. Deshalb lohnt es auch nicht ihn näher zu beschreiben. Sonst klingt das so wie in diesen Radiosendungen: „Woher kommen sie?“ Aus Etterschlag!. Wo ist Etterschlag? Bei Grafrath! Wo ist Grafrath? Das liegt direkt bei Inning. Ach ja und wo liegt Inning? An der A 96. Was ist die A 96. Die Autobahn nach Lindau! So, so. Also liegt Etterschlag zwischen Lindau und München. So kann man es auch beschreiben. Ähnlich erging es Vieux Beaucoup. Deshalb, lass ich es.
Wir waren im Sommerurlaub. Drei Wochen. Deutsche Familie. In Frankreich. In Ferienhaus. Ich, der Jüngste. Meine 4 Geschwister und meine Eltern natürlich. Mit dem Auto über Paris, Portier, an Bordeaux vorbei Richtung Dax und dann ab ans Meer. Ich weiß nicht mehr wer das Meer zu erst entdeckt hat. Aber ich weiß das ein beliebtes Spiel im Auto war: „Wer sieht zuerst das Meer?“ Und hinter jeder Kurve schrie einer „da!“ mit dem Ergebnis das es nur der Himmel am Horizont war, ein See war, oder ein Feld. So ging dies über Stunden. Und die Zeit verging wie im Flug. In 2 Tagen waren wir da. Aus 14 Grad Nieselregen in 28 Grad Sommerhitze. Ich erinnere mich noch gern an den Geruch und das warme Gefühl, wenn man an den Tankstellen im Süden aus dem Auto kletterte. Und man sich immer mehr der Klamotten entledigte. Immer mehr Sand unter den Füssen hatte. Orangina statt Capri Sonne. Das war der überzeugende Beweis, dass die weit verregnete Heimat hinter einem lag. Und jede Menge Urlaubsabenteuer vor einem. Die letzten Boten des Meeres waren die Korkeichen. Und natürlich die Dünen. Wir sind zu siebt in einem Auto gereist. Mit Sack und Pack. Ohne Sicherheitsgurte. Ohne Nackenstützen. Ohne Navigationssystem. Ohne Seitenaufprallschutz. Und der Begriff Airbag war auf lange Sicht noch nicht einmal erfunden. Das einzige Sicherheitsmerkmal, das einen zur damaligen Zeit begleitete, war der Vater. Der sich völlig und ausschließlich darauf konzentrierte, uns alle heil hin und ganz wieder zurück zu bekommen. Aus heutiger Sicht ein wahres Wunder, dass wir überhaupt angekommen sind. Mir wurde immer schlecht beim Autofahren. Kein Wunder, bei solchen Reisebedingungen. Ich glaube, es war ein Peugeot 505. Grün. Mit Schaltung hinter dem Lenkrad. Oder so was Ähnliches. Zu der Zeit konnte ich Autos noch nicht so auseinander halten wie Heute. Obwohl es Heute auch immer schwerer wird. Es waren noch „nur Autos“ für mich. Große und kleine. Rote, gelbe und grüne. Meine Eltern kann man getrost als francophil bezeichnen. Eine damals weit verbreitete Krankheit in deutschen Haushalten. Eigentlich mehr ein Syndrom oder ein Trauma. Aber ich bin zu wenig Arzt, um eine genaue Diagnose zu erstellen.
Offensichtlich infiziert von der jüngeren deutschen Geschichte, gab es unübersehbar den inneren Wunsch auf so eine Art Wiedergutmachung. Entschuldigung. Freundschaft. Gute Nachbarschaft. So, als ob man einem Freund eine Beule ins Auto gefahren hätte. Ihm das nicht eingestehen kann. Und einem seitdem das schlechte Gewissen plagt. Das so dermaßen plagt, dass man ständig auf Wiedergutmachung aus ist. Man neigt dazu den Anderen zu übervorteilen. Ihm in allem zu nachsichtig zu sein. Die Schuld entschuldigt alles. Somit neigt das Opfer manchmal dazu zu übertreiben. Oftmals reicht eine aufrichtige Entschuldigung. Somit reichte damals fast ganz Deutschland seinen angrenzenden Ländern die schuldigen Hände. Von wegen, man kann seine Hände nicht Deutschland. Sogar im Land von Persil, Priel und Palmoliv bleiben Reste der Schuld unter den Nägeln auf ewig zurück. Mir, also meiner Familie, brannte speziell Frankreich unter den Nägeln. Somit gerät jede Frankreichreise, zu einer Pilgerfahrt. Auf den Spuren einer Wiedergutmachung für etwas, was ich nicht miterlebt habe. Meine Eltern nicht verschuldet haben. Aber so ist das nun mal bei Krankheiten. Die sucht mach sich ja nicht aus, sondern die bekommt man gratis. Übertragen so zusagen. Diese Art der einseitig wohlwollenden Begegnungen wurde den Amerikanern und Russen nicht zu Teil. Da habe ich keine Hand von unserer Seite gesehen. Cola war verpönt. Alles amerikanische, sogar Ketchup war nicht wirklich willkommen. Aber ganz ohne ging es auch nicht. Bis auf eine Sache. Der Jazz. Aber der wird wohl Thema meines zweiten Buches sein müssen. Das hat er sich verdient. Somit näherte man sich der nachbarschaftlichen Annäherung unter anderem im Urlaub an. Einmal den Fuß der Schuld auf Frankreichs Mutterboden gesetzt, fängt das Syndrom jetzt erst mal richtig an, sich ordentlich Platz im Gedankengut zu verschaffen. So ein ordentliches, unbegründetes und unklares Schuldgefühl muss auch genährt und versorgt werden. Sonst droht es zu verkümmern. Aber die Allianz der Befreier hat da ganze Arbeit geleistet. Sicherlich ungewollt. Denn wer will schon Generationen mit etwas belasten, dessen Ursprung die nicht mal mehr ersehen oder verstehen können.
Man kann das mit Uli Höness vergleichen. Der hat mal zu seiner aktiven Zeit als Fußballer, den entscheidenden Elfmeter im Endspiel einer Europameisterschaft nicht verschossen, das wäre gelinde ausgedrückt, sondern fulminant im Nachthimmel versenkt. Das man getrost noch Heute davon ausgehen kann, dass sich dieser Ball in einer geostationären Umlaufbahn im Tempo der Erddrehung über unser aller Häupter bis zum jüngsten Gericht mit bewegt. Das spürt auch Uli Höness. Dieser Ball ist wie der Nordstern. Er ist immer da. Auch wenn Wolken davor sind. So weiß Ulli, dahinter leuchtet er. Der Elfmeterball. Mit diesem Schuldgefühl, der selbst verschuldeten und versauten Europameisterschaft ist er seitdem auf Wiedergutmachungstour in Sachen deutscher Fußball. Was zur Folge hat, dass die Bayern fast alles gewinnen. Und der Verein wohl der am besten geführte ist. Und wenn jemand denkt, Mensch Uli nun reicht es aber. Nein, dass Ding fliegt bis zum letzten Atemzug über die Querlatte von Uli hinweg. Da kann man mal sehen, was so ein kleiner Fehltritt für große Auswirkungen hat. Nun nehme man sich mal den größten Fehltritt bis jetzt seit Menschen Gedenken. Das Dritte Reich. Jetzt lässt sich langsam erahnen, wie viele Ulis in Deutschland leben. Und wie viele auf Wiedergutmachung bedacht sind. Ich habe damit kein Problem mehr. Denn ich habe so Frankreich von einer Seite kennen gelernt, das zu einer Seite in mir geworden ist. Keine Belastung, keine Schuld, sondern ein positiver Auftrag der Menschlichkeit begeleitet mich, als Deutscher. Das ist doch was. Deshalb macht es mich auch besonders stolz, dass wir uns beim Irak Krieg rausgehalten haben. Und die Franzosen an unserer Seite. Alle sind den Superdemokraten und extrem freiheitlichen förmlich in den Allerwertesten gekrochen. Und haben eine Allianz der Ignoranz gegründet. Wir haben einfach „nein“ gesagt. Besser unser Kanzler zu dieser Zeit. Nicht alle waren dieser Überzeugung, aber zum Glück diejenigen die etwas zu sagen hatten. Noch besser, die etwas zu entscheiden hatten. Die Allianz bekommt jetzt jeden Tag ihre Freiheitskämpfer in Einzelteilen und Plastiksäcken im Laderaum von Flugzeugen zurückgeschickt. Was für viele unbedacht nur ein Krieg war, ist nun zu dem Krieg geworden. Wecken sie mal um drei Uhr früh Uli Höness auf und schreien sie ihm ins Gesicht: Elfmeter. Was glauben sie, was dem da zu erst in den Sinn kommt.
Mit diesem „nein, sind wir unserer eigentlichen „Schuldrolle“ voll und ganz gerecht geworden. Der Rolle der positiven humanitären Verantwortung für immer. Eine schöne Rolle. Finde ich viel besser als die des Aggressors, des Mitläufers oder vielen anderer Rollen. Und wir haben unsere humanitäre Position gegen jeden Widerstand verteidigt. Die Freundschaft stand auf dem Spiel. Wir drohten aus der Gemeinschaft verstoßen zu werden. Heute sitzen da eine Reihe von Verantwortlichen, die alle in einer stillen Stunde denken: „Hätte ich mich da besser raus gehalten.“ Somit hat mein Leben als Deutscher Ausländer im Ausland einen besonderen Sinn. Als wenn ein Spanier nach Schottland fährt. Oder ein Schwede nach Griechenland. Türken und Griechen könnten noch wissen, was ich meine. Religionen unter einanderauch. Aber Deutschland hat es einfach mal so gleich zweimal in einem Jahrhundert mit dem Rest der Welt aufgenommen. Darum schwingt bei Deutschland, Deutsch, Schwarz Rot Gold und der Hymne immer etwas Barbarisches mit. Weil es unter diesen Eindrücken auch barbarisch war. Es ist gerade mal 60 Jahre her. 54 Millionen Tote. 20 Millionen Russen. 7 Jahre Krieg. 6 Millionen Juden. Und keiner von denen ist eines natürlichen Todes gestorben. Die Hölle auf Erden. Der Teufel sprach deutsch und hörte Wagner. Seine Handlanger verbrannten Bücher und verfolgten alle anderen bis in den Tod. Und wir Heute wissen über diesen hinaus. Jeder einzelne Tod ist mit persönlichem, unmenschlichem Schmerz verbunden. Jeder Tod ist mal zehn mit unmenschlicher Trauer verbunden. Und das alles gerade mal 60 Jahre her. Da leben noch überlebende Opfer. Die in deutsch bis auf des bitterste gedemütigt wurden. Da schleichen noch Täter. Die das Ausmaß immer noch herunter spielen. Da scheint es doch nur logisch, dass allein der Klang der deutschen Sprache, eine pavlowsche Reaktion auslöst. Darum schreit man als Deutscher nicht so laut im Ausland. Aus Respekt vor den Überlebenden. Ich zucke immer wieder zusammen, wenn im Fußballstadion, die Fankurve „Sieg – Sieg“ lauthals skandiert. Wenn fette Deutsche, ungepflegte Männer mit Sonnenbrand am Strand, mit Bierfahne sich unüberhörbar aufführen.
Deutsch im Ausland ist für mich immer noch von Zurückhaltung, Demut und Freundlichkeit geprägt. Es ist eine schöne Verpflichtung der angenehmere Ausländer zu sein. Als, unterbewusst zu wissen, dass man gehasst wird. Alles Aspekte die ein Teil dieses katastrophalen Trauerzuges deutscher Geschichte wurden. Man rülpst ja auch nicht am Tisch. Und die Gründe dafür, dies nicht zu tun, sind bei weitem nicht so überzeugend. Trotzdem, regen sich viele darüber auf. Die Verantwortung „deutsch“ mit Freude an zu nehmen. Ja, sich verantwortlich zeigen, dass fällt vielen schwer. Aber sich nachher nicht entschuldigen können, wenn die Verantwortung völlig aus den Fugen geraten ist, noch umso schwerer. Man war ja nicht verantwortlich. So das muss reichen. Als wenn jemand unter Alkoholeinfluss einen Autounfall baut, bei dem Menschen zu Tode kommen und derjenige einfach die eigene Verantwortung dem Alkohol auferlegt. Denn der war Schuld daran. Nüchtern wäre das nicht passiert. So leicht macht es sich der Mensch eben gerne. Alles wollen, aber keine Verantwortung tragen. Nur für den Fall, das es gut geht. Der kollektive Siegestaumel, der ist zulässig. Wir werden Weltmeister. Aber die haben das getan. Schon paradox. Aber so ist er nun mal der Mensch. Und wir Deutschen können es besser machen. Wir können diesem menschlichen Problem begegnen. Was für eine einmalige Chance. Aber man ist jetzt nicht mehr verantwortlich. So einfach wollen es ich viele machen. Das ist kein deutsches Problem. Das ist ein Problem des Menschen. Leben light. Man kann nicht so tun, als ob dem nicht so wäre. Andere haben ein ähnliches Problem vor der Brust. Obwohl wir Deutsche das natürlich nie sagen dürfen. Denn wir haben lebenslänglich Fingerzeigverbot. Amerikaner und Indianer. Oh, jetzt habe ich es gesagt. Australier und Aboriginees. Mensch, schon wieder. Chinesen und Buddhisten. Da wieder. Westliche Welt und Afrika. Mein Gott. Vietnamesen und Amerikaner und die Franzosen. Ist es mir schon wieder rausgerutscht. Franzosen und Algerien. Oh! Jugoslawien und der Kosovo. Schon wieder. Viele haben ihren eigenen Teil vom Schuldgefühl-Syndrom abbekommen. Ob sie es wahr haben wollen oder nicht.
Die meisten verweisen dann immer auf die Deutschen. Das ist lächerlich wie im Krankenhaus. Da findet man auch immer jemanden, dem es schlechter geht. Jeder geht damit um, wie er damit glaubt umgehen zu müssen. Deshalb ist es schon richtig. Das man erst mal vor der eigenen Stube fegen sollte. Bis man andere auf ihren eigenen Dreck hinweist. Aber wir fegen und fegen, haben mittlerweile eine blitzblanke Bude, aber das Recht mal die Staubkörner der anderen ins Auge zu fassen. Dieses Recht haben wir auf immer verwirkt. So ist das nun mal. Deshalb schon mal Entschuldigung dafür, das ich es trotzdem getan habe. Fußballspiele gegen Deutschland waren gerade für Holland und andere Länder, wie für uns immer mehr, als nur, ausschließlich Fußballspiele. Es ist immer auch eine Abrechnung. Für unsere Gegner war es auch immer der Wunsch nach Genugtuung. Dem wir dummerweise selten nachgekommen sind. Wir wären weiter, viel weiter wenn wir nie Weltmeister geworden wären und nie Europameister im Fußball. Zum wichtigen Integrationsgefühl Europa hätte das ungeahnte viel beigetragen. Aber wir haben mal wieder falsche Ziele verfolgt. Bis Heute. Ach würden uns alle lieb haben, wenn wir in jeder Vorrunde seit 1954 mit 8:2 rausfliegen würden. Wie beim Wressling hätte man das alles türken sollen. Deutschland immer hoffnungsvoll immer mit einem guten Anfang, aber am Ende siegen immer die Anderen. Wie schön wäre das zu häufig zitierte Zitat von Gerry Linaker: Fußball ist 11 gegen 11 und am Ende lachen alle über die Deutschen, wenn sie mal wieder raus geflogen sind.“ Aber leider kam alles anders. Wir mit unserem Ehrgeiz. Wir haben gewonnen. Und jetzt steigen wir auch noch in unsere Autos und fahren nach Frankreich. Um uns für das alles zu entschuldigen. Und das auch noch bei einem ehemaligen Erzfeind. Auch so ein Wort, dessen Sinn ich bis Heute nicht verstehe. Oder anders gesagt nicht bereit bin zu akzeptieren. Unsere Annäherung bestand darin, sich die andere Kultur zu verinnerlichen. Und seine eigene Identität hinten an zu stellen, zu verleugnen und so gut es ging zu verstecken. Das Ziel, zeitweise einer der ihren unter ihnen zu sein. So wenig Deutsch wie möglich zu sein war das oberste Gebot.
Keine Fahnen. Und bloß keine Hymne. Deutschland verstecke dich, hieß das Spiel. Franzose ärgere dich nicht. Das Seltsame an dieser Verstellung und Einstellung fiel mir schon früh auf, wenn man sich zum Beispiel Menschen aus anderen Ländern vorstellte. Dann sprach man seinen eigenen Namen nie in Deutsch aus. Sondern so wie er in der Fremdsprache wohl klingen müsste. Franzosen würden keinen Gedanken daran verschwenden wie Jean, Paul oder Phillip sich in Deutsch anhört. Aber aus Christof wurde eine klanglich französische Vorspeise gemacht. Oder es klang mehr wie ein Ort in der Normandie. Als nach meinem Vornamen – „kriiissdouph“. Und weil Franzosen kein „h“ aussprechen können, hat man freiwillig beim Nachnamen den ersten Buchstaben weggelassen und den Rest endlos in die Höhe und Länge gezogen: „ iiinnzäää! Das sollte dann Hintze bedeuten. Auch der Versuch akzentfrei eine Fremdsprache zu beherrschen, war ein angeborener Tick. Hat jemand mal Franzosen englisch reden hören? Das fällt einem erst einen Tag später auf, dass dies englisch hätte sein können. Wir aber haben der exakten Aussprache gefrönt. Wie andere den präzisen Ton einem Instrument entlocken. Man trank Rosé, trug zu dieser Zeit Blau-Weiß gestreifte Pullover oder T-Shirts. Im fremden Land traute man sich auch eine Baskenmütze aufzusetzen. In Deutschland wäre das wohl des Guten zu viel gewesen. Man aß Schnecken, Muscheln und Froschschenkel. Käse bis zur Ohnmacht. Hörte Joe Dassin und Yves Montand. Im Fernsehen sah man Filme von Truffaut, oder mit Jean Gabin. Über Tati durfte man sich offiziell lauthals totlachen. Frankreich war eine Art Lebenskultur die man am Bein hatte, die man mitten in Deutschland auslebte. Damit zeigt man etwas. Man dokumentierte etwas Wesentliches. Die Krönung war der familiäre Besitz eines französischen Autos. Die damals wirklich noch Schrott waren. Talbot Simca, die sind weggerostet wie Eiswürfel in der Cola geschmolzen sind. Der oder das Cola? Diese Diskussion weigere ich mich zu führen. Ich habe deshalb zeitlebens „eine Cola“ bestellt. Und die „Cola“ gemeint. Citroen, Renault oder, wer konnte, ein Peugeot. Sogar der Peugeot Händler in Deutschland war schon irgendwie spürbar französisches Hoheitsgebiet.
Ein Botschaftsgelände für Frankophile. Wie ein Kurzurlaub in die Ardennen. Wie Philatelisten sich die Nase an jedem Briefmarkenladen platt drückten, so erging es Familien beim französischen Autohändler. Die Ente. Der Peugeot 205. Der R5. Alles Kult. Entstanden auf dem breiten Rücken eines kollektiven Schuldgefühles. Da kann man aus heutiger Auto sicht nur froh sein, dass die Italiener so lange mit ihrem Dutsche rechts Schritt gehalten haben. Sonst wären wir alle Alpha Sud gefahren. Wer sich noch erinnert. Das einzige Auto, das noch schneller rostete als es die chemische Reaktion überhaupt für möglich hielt. Habe ich da nicht vorhin meinen Alpha Sud geparkt? Weg war er. Im Autohimmel. Weiter klare und eindeutige Indizien für den Befall von Frankophilie waren regelmäßig Baguette im Brotkorb. Ich hatte sogar eine französische Brieffreundin. Okay, die Formulierung klingt etwas hochtrabend. Es war mehr ein Nachkarren, nach einem Mädchen, bei dem ich nicht zum Zuge gekommen bin. Die Tochter eines französischen Generals. Isabelle Labonde hieß sie. Sie war Austauschschülerin in Deutschland und sehr hübsch. In einer anderen Familie untergebracht. Aber ich habe mich an sie ran gemacht. Ich hasste Briefe schreiben, aber ich hatte keine andere Chance den Kontakt anderweitig aufrecht zu halten. Ich wollte Frankreich lieben. Und ich wollte das Frankreich mich liebt. Der Unterschied zwischen Sex und Liebe war mir noch nicht geläufig. Telefonieren mit Isabelle wäre undenkbar gewesen. Zu teuer. So haben wir uns schüchterne inhaltsleere Briefe hin und her geschickt. Alles gipfelte dann in einem gemeinsamen Urlaub auf einer französischen Insel bei und mit ihrer ganzen und großen Familie. Franzosen haben im Gegensatz zu uns Deutschen große Familien. Und wenn ich groß sage, dann meine ich 4-Mal so groß wie sie jetzt denken. Wir Deutschen haben dagegen Familchen. Da kamen welche aus Australien angereist. Jeden Sommer. Zu Weihnachten und zu sonstigen wichtigen und unwichtigeren Anlässen. Wenn die Familie rief, folgt ein halbes Land. Die Familie eines Generals. Mehr muss ich eigentlich nicht mehr sagen. Ich bin mit dem Leben davon gekommen, sonst könnte ich diese Zeilen nicht schreiben. Aber ich bin offensichtlich in keinster Weise zum Schuss gekommen. Aus 3 Wochen wurden nur 10 Tage und ich wurde zurück geschickt.
Risikominimierung aus Sicht des Generals. Denn Isabelle kam mir bedrohlich nahe. Das war des guten dann doch zu viel. Die Entwicklung war ohnehin hoffnungslos und unbefriedigend für mich. Da zog ich den kontrollierten noch unverwundeten Rückzug vor. Alles entwickelte sich anders als erwartet. Vor allem als erhofft. Es war rückblickend aber gut so. Denn Isabelle war im Dunstkreis ihrer Familie ein ganz anderer Mensch - Französin. Alles knistern zwischen uns wurde ständig von ihrer Familie flächendeckend gelöscht. Und da sie nicht enterbt und verstoßen werden wollte, löschte sie meistens mit. Ein Deutscher im urlaub im Hause eines französischen Generals. Dass war dann doch zu viel. Der hätte eher ein Bein, statt seine Tochter hergegeben. Bloß kein Deutscher hieß es zu dieser Zeit noch immer in Frankreich. Auf einem Niveau wie man in Deutschland befand, bloß kein Gastarbeiter. Das gefiel mir nicht. Wir haben nie mehr von einander Kenntnis genommen. Obwohl eine Isabelle aus Frankreich noch eine sehr kurze, aber sehr schöne Rolle in meinem Leben spielen sollte. Die mir auf einen Schlag den Unterschied zwischen Liebe und Sex für immer klar machen würde. Vielleicht war Frankreich noch nicht reif für mich, weil ich noch nicht Reif genug war? Gerade deswegen lag es nur nahe, dass natürlich jeder als zweite Fremdsprache in der Schule französisch wählte. Frankreich, das war nun mal das Land der Liebe. Das Land, das man lieben lernen sollte und musste. Ohne Gewissheit, dass diese Liebe jemals erwidert würde. Bis dahin. Wir waren Deutsche. Das hörte man und das sah man. In Frankreich reichte das aus, um abrupt Stille an einem belebten Ort einkehren zu lassen. Restaurant Besitzer mit leeren Tischen im Rücken erklärtem einen, dass kein Tisch mehr frei wäre – pardon! Im Supermarche folgten einem Mitarbeiter auf Schritt und Tritt. Diese Demütigungen, Ausgrenzungen und Zurückweisungen hat man aber mit großem Verständnis auf sich genommen. Warum verstand ich erst später. Frankreich ist und bleibt eine Liebe die vielleicht nie auf Gegenseitigkeit beruhen wird. Frankreich ist und bleibt beleidigt. Der Schmerz und das Leid, das wir Deutschen über das land gebracht haben ist einfach noch zu groß.
Die Wunden sind nicht mal vernarbt. Es ist auch erst 60 Jahre her. Die Zeitzeugen leben noch unter uns. Deren Hass wurde weiter und weiter gereicht. Wie eine Pechfackel. Diese brennt zwar weiter ab, aber bis sie erlischt, das kann noch dauern. Wie lange? Das ist doch egal. Mit der sicheren Hoffnung und dem festen Glauben, dass diese seelische Krankheit heilbar ist, ist Zeit ein unwesentlicher Faktor. Das ist so, als ob man Krebs hat, die Heilung ist entscheidend, das wann ist völlig nebensächlich. Fragen sie mal einen Krebskranken, der wird ihnen das bestätigen. Das Aufrechnen in Zeit ist dumm. Denn wer wirkliches Leid ertragen musste, der weiß dass das Sprichwort, die Zeit heilt alle Wunden, wirklich dämlich ist. Das tut sie nicht, das soll sie auch nicht. Es gibt Schmerzen für die Ewigkeit. In diesem unseren Fall sind diese sogar wichtig. Denn sie bewahren die wichtige Wachsamkeit. Das so etwas nicht mehr passieren kann. Frankreich kann noch nicht vergeben, noch nicht verzeihen. Noch nicht. Der tiefste Stachel im Fleisch von Frankreich ist die Tatsache, sich nach dem 2-Weltkrieg nicht selbst befreit zu haben. Die Ressistance wirkt da inszeniert um einigermaßen eine Richtigstellung für die eigene geschönte Wahrheit hin zu bekommen. Deutschland besetzt, ausgebombt, entwaffnet, kapituliert, demoliert und demontiert. Trotzdem im Eiltempo auferstanden aus Ruinen. Zur in den Schoß der Weltgemeinschaft. 1954 schon Fussball Weltmeister und kurze Zeit später wirtschaftlich rechts an Frankreich ohne zu blinken vorüber gezogen ist. Die D-Mark. Aber es bleibt für viele trotzdem eine unerfüllte Liebe. Eine die bekanntlich besonders reizt. Die Sehnsucht danach ist größer, als die Wunden, die vernarben werden. Unser frankophiles Leben war eigentlich schön. Bis auf die unglaublich fetten Soßen mit endlos viel Sahne drin. Auch die creme fraich Arie, empfand ich als zu dickflüssig. Was daran fraiches sein sollte? Ach ja Senf kam natürlich aus Dijon. Nun aber schnell zurück nach Vieux Beaucoup am Atlantik im Sommer 1976. Einige Tage habe ich die alten Männer beim Boulespiel beobachtet. Gucken, werfen, messen, freuen, ärgern, schießen, werfen, prüfen, putzen, abmessen, lachen, diskutieren, rauchen und wieder und wieder werfen.
In sängender Hitze, harre ich am staubigen Bouleplatz im Ortszentrum aus. Der kleine blonde Deutsche, ohne eine Miene zu verziehen. Gut eingecremt von Muttern. Sonst wäre ich wie eine Wunderkerze einfach verglüht. Immer mit einem interessierten Lächeln im Blick. So als ob man in der Warteschlange beim Bäcker der dicklichen Verkäuferin ständig signalisieren will, ich bin als nächster dran. Ich. Hallo ich komme jetzt gleich dran. Das ist gar nicht so einfach. So einen Blicke auf sich ziehender Blick, der natürlich ohne jegliche Intimitäten nicht falsch verstanden werden soll. So stand ich da wie ein Wackeldackel. Bei guten Würfen wippte mein Kopf von oben nach unten. Wie ein Trainer, der das hat kommen sehen. Bei verunglückten Würfen, ein leichtes Schütteln. Der gleiche Trainer, der auch das hat kommen sehen. Und auch immer die Ohren weit offen. Um Wortfetzen zu verinnerlichen: bien joue, merde, o la la, une, deux, trois, boule, pueton, par tous, a toi. Meine Eltern haben mich dort natürlich gerne eine Zeit verweilen lassen. Die hatten dann mal ihre Ruhe und den kleinsten von der Backe. Bei fünf Kindern eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen kann. In regelmäßigen Abständen kam ohnehin immer ein Familienmitglied, um nach dem rechten zu sehen. Die standen dann kurz bei mir. Stellten dann völlig uninteressiert ein paar Interessierte Fragen. Die ich dann natürlich alle beantworten konnte. Ich kann mittlerweile einigermaßen die Spielregeln. Die Spieler Charaktere. Die Wurfszenarien und Techniken. Die Namen der meisten Spieler und was man sonst noch so um das Spiel vom Spiel erfährt, wenn man ihm alle seine Aufmerksamkeit widmete. Immer versuchte ich, die Blicke der Boulespieler zu kreuzen. Einen Blick aufzufangen und für mich einzufangen. Meine Geschwister suchten Muscheln am Strand und ich erhaschte Blicke von Boulespielern. Hatte ich einen eingefangen, war mein Erfolgserlebnis mir im Gesicht abzulesen. Kann man Frankreich oder Franzosen näher kommen, näher als beim Boule spielen? Ich denke nicht. Ich für meinen Fall fühlte mich sehr nahe. Der Weg zu unserem Ferienhaus war nicht weit. Einfach die Straße zurück in Richtung Strand. Am Minigolfplatz vorbei. Bei einbrechender Dunkelheit war meine Zeit abgelaufen und ich musste rasch den Heimweg antreten. Begleitet wurde dieser zu meist von einem meiner Geschwister und tief fliegenden Fledermäusen.
Es lag nie auch nur der Anschein einer Gefahr im Verzug. Was soll schon passieren, wenn ein blonder, deutscher 10-jähriger am Rande eines Bouleplatzes steht? Das Spiel, es hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Obwohl ich aus heutiger Sicht nicht mehr sicher bin, ob es das Spiel war, oder alles was sich drum herum abspielen sollte. Hat auch hier die Umwelt mich mehr geformt, als mir klar ist? Zufall, Schicksal und Glück waren man wieder am Werke? Denn welche Entscheidung kontrollieren wir wirklich? Welche sind von der Umwelt völlig willkürlich geprägt? Natürlich behauptet der Mensch gerne mit Berufung seines Verstandes, was er alles logisch entscheidet. Aber ich hatte schon immer das Gefühl, das es mit der menschlichen Logik nicht weit her ist. Das alles was wir machen, sicher nicht im Kopf entschieden wird, sondern eher aus dem Bauch heraus. Und dann eher dünn vom Kopf erklärt wird. Denn ich bezweifle, dass es ein Boule-Gen gibt. Das plötzlich ausgelöst wird. Die Natur ist wirklich ein einfaches Spiel. Das wäre der Natur viel zu kompliziert. Reinkarnation kann ich natürlich nicht kategorisch ausschließen. Ich ein wiedergeborener Jean Paul aus Brest in der Bretagne? Vor dem Hintergrund, dass alle meine Vorfahren aus dem Osten kommen. Die kennen Kugeln nur vom russisch Roulett. Oder ähnlichem. Alles am Boule hat mich fasziniert. Die gelben stinkenden Zigaretten im Mundwinkel. Gitanes Maisblatt. Die waren offensichtlich so ungesund, dass man den Krebs mit dem bloßen Auge auf dem Tabak hätte sicherlich krabbeln und erkennen können. Diese Stoffschlappen an den Füßen. Die am Hacken runter getreten waren, weil sie einem sonst die Verse aufscheuerten. Die Eisenkugeln. Die unterschiedlichen Markierungen auf den Kugeln. Eine Rille. Zwei Rillen. Kreise. Die ganz glatten. Die Präzision. Das Schweinchen. Damals noch holzfarben. Der Lappen in der hand. Das Polieren der Kugeln zwischen den Würfen. Die Konzentration. Das Diskutieren. Das Nachmessen. Das Anrollen und weg schießen. Das seinem Mitspieler den idealen Punkt anzeigen. Alles war eins. Alles war Frankreich. Es war wie ein Frankreich-Konzentrat von Persil. In diesem Mikrokosmos war die ganze Idee von Frankreich vereint.
So wie in einem Regentropfen die ganze Idee des Meeres enthalten ist. Reduziert auf die Größe und das Gewicht einer Eisenkugel. Vor allem fiel mir dieser eine alte Mann mit den weißen Haaren auf. Jedem, der einen Moment den Spielern zusah, fiel er unweigerlich auf. Gott, hatte der viele Haare am ganzen Körper auch auf demRücken. Ein Umstand, der mich viele Jahre später selbst ereilen sollte. Der alte Mann war schon ganz klein, weil er so krumm war. Früher war er sicher 10 bis 15 Zentimeter größer. Aber jetzt schien er zu schrumpfen. Mit seiner weißen Seglermütze. Und einer ledrigen dunkelbraunen Haut. Die mir wie unser dunkelbraunes IKEA Ledersofa vorkam. Damals wusste ich noch nicht, was Alter wirklich bedeutet. Für mich war mein großer 6 Jahre älterer Bruder alt. Meine Eltern steinalt. Also stand da eine Art Druide vor mir. Mit einem langen weißen Bart hätte er sich nahtlos in meine Asterix und Obelix Vorstellung eingefügt. 200 Jahre alt oder noch ein bisschen älter. Der einen Magneten an einer Schnur hatte, die praktischerweise bis zum Boden reichte, um die Kugeln wie von Zauberhand vom Boden aufzuheben. Direkt ins Tuch. Wo sie dann kurz poliert wurden, um wieder im trockenen, staubigen Dreck in unmittelbarer Nähe des Schweinchens zu landen. Der nie nachmessen musste, weil er entweder unübersehbar immer näher als alle anderen war. Oder andere sich für ihn bückten. Ihm wurde jeglicher Respekt entgegen gebracht. Er war der grand senior, auf dem Platz. Das spürte man. Wenn er im Wurfkreis stand, war das immer ein besonderer Moment. Ein Umgang mit alten Menschen, der mir in Deutschland fremd war. Das sah man so alte Menschen nicht. Oder nur selten, an der Kasse im SPAR. Wenn sie wieder den Zettel von der Wursttheke verloren hatten und meine Mutter davon völlig genervt war. Was mir auch an dem alten Mann auffiel, und mir zuerst unerklärlich war, war das auf seinem linken Unterarm, auf der Innenseite, eine Nummer geschrieben stand. Die könnte er da mit Kugelschreiber hingeschrieben haben? Dachte ich mir aus. Ich ließ die Kugelschreiber-Theorie aber schnell wieder fallen. Denn der hielt doch nicht länger als einen Tag auf der haut. Außer man würde sich an dieser Stelle nie mehr waschen. Was unwahrscheinlich war. Erwachsene waschen sich ständig. Vor allem, wenn sie den ganzen Tag im Staub stehen.
Zudem konnte er unmöglich jeden Tag an exakt derselben Stelle so genau die Nummer wieder notiert haben. Aber sie war jeden Tag da. Vielleicht ist das seine Telefonnummer oder sein Geburtstag? Menschen in dem Alter vergessen doch so viel. Eine praktische Idee, dachte ich mir. Eine Nummer? Tätowierungen kannte ich natürlich auch. Aber wer tätowiert sich eine Nummer auf den Arm? Das ergibt doch keinen Sinn. Herzen, Messer, Frauennamen. Aber eine Nummer? Man stelle sich mal vor, es wäre seine Telefonnummer und die würde sich ändern. Ich hatte mir in meinem kurzen Leben schon verschiedene merken müssen. Wie viele wären das erst, wenn man steinalt ist. Der Arm müsste voller Nummern sein. Als ich meinem Vater davon erzählte und nach der Nummer fragte, wurde mir schnell klar, dass die Nummer eine gänzlich andere Bedeutung hatte. Mein Vater erklärte mir dann sehr umständlich, was das für eine Nummer war. Bis dahin war mir die Existenz von Konzentrationslagern nicht bekannt. Ganz verstanden habe ich das damals nicht auf Anhieb. Nur so viel, dass wir deutschen viele Menschen in Unterbringungen festgehalten haben, gegen ihren willen, in denen es den Insassen sehr schlecht ging. So schlecht, dass viele verstarben. Von Krematorien hatte mein Vater zu diesem Zeitpunkt noch nichts erzählt. Von 6 Millionen Juden auch nichts. Er wollte sich auf das Wesentliche konzentrieren, auf die Erklärung zur Nummer. Und weil das so viele in diesen Konzentrationslagern waren, hat man der Ordnung halber alle durchnummeriert. Wie gesagt, was sich hinter dieser einfachen Erklärung wirklich verbarg, verstand ich erst einige Jahre später, als ich den Film“ Deutschland im Nebel“ sah. Ein Schock. Seit dem habe ich nie mehr die Nummer auf diesem Arm aus dem Kopf bekommen. Er war da. Er hat es überlebt. Er kam zurück. Aber plötzlich lag trotzdem ein kleines Schuldgefühl auf meinen jungen deutschen Schultern. So als ob einen eine leichte Müdigkeit befallen hätte. Man musste ständig daran denken nicht einzunicken. Diese Schuld war immer da, wie ein neuer Schatten an meiner Seite. Nicht groß, nicht lang, aber ich konnte ihn spüren. Der Respekt vor dem alten Mann und dem Spiel stieg exponential weiter an.
Ich war kurz davor mir ein Autogramm zu holen. So weit ging meine Verehrung. Sicherlich auch stark angetrieben von dem leidlichen Schuldgefühl, das mich ab dann lange Zeit begleiten sollte. Und wenn ich ehrlich bin noch heute ein Teil meiner eigenen Wahrnehmung ist. Ich empfinde diese aber nicht mehr als belastend, sondern eher als eine Herausforderung. Einen Auftrag. Wie einem Rückstand in einem Fussballspiel hinterher laufen zu müssen. Immer mit dem festen Willen, Ziel und Glauben einholen zu können. Am Ende das Spiel für mich zu entscheiden. Er bemerkte meine übertriebene Aufmerksamkeit natürlich. So wie ich ihn angestarrt habe, ließ sich das nicht vermeiden. Außer er wäre blind gewesen, was beim Boulespiel aber mehr als unüblich ist. Er sprach mich immer regelmäßiger beim Vorbeigehen in deutschen Bruchstücken an. Ich empfand diese als witzig, er auch. Dachte ich zumindest. „jawohl!“ alles klar?“ warf er mir zu und ich lachte, um ihm meine Sympathie zu verdeutlichen. Wenn der Mut mich übermannte, antwortet ich in französischen Bruchstücken, die ich auf dem Platz aufgeschnappt hatte, zurück: oui, bien joui, merci, bonjour. Nach 4 langen, heißen Sommertagen, ohne Schatten, kam er dann auf mich zu und reichte mir seine Boulekugeln. Die Zeit schien still zu stehen. Keine Zeitzeugen meiner Familie in der Nähe. Ein kleiner nicht unwesentlicher Schlüsselmoment in meinem Leben. „Du auch? Fragte er“ ich wurde knall rot, dann blass, dann wieder knallrot. Hitzewallungen und Schüttelfrost. „jjaa!Jjjjaa!Quiiii-ouiiii“ stotterte ich. Die ganze Welt schien nur auf mich zu blicken. Wie in einer 1 millionenfachen Vergrößerung unter einem Elektronenmikroskop stand ich da. Ab dem Zeitpunkt brachten mir alle alten Franzosen auf diesem Bouleplatz jeden Tag meines Resturlaubs so 10 bis 20 Minuten Boule spielen bei. Und Boule leben. Was zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Das Spiel versteht man schnell. Es ist ja, wie gesagt, eine einfaches Spiel. Man muss die große Kugel nur nah an die kleine werfen. Aber die Atitüden des Spieles. Die Bewegungsgeschwindigkeit. Wie man seiner Kugel nachsieht. Wie nah man seinem Mitspieler kommt. Wie man sich den Boden ansieht. Wie man sich auf dem Platz verhält.
Alles das lernte ich natürlich auch. Da war nichts von Fußball Stimmung. Man fällt sich nicht in die Arme, wenn man einen guten Wurf gemacht hatte. Sondern man machte umso besser der Wurf war, ein umso selbstkritischeres Gesicht. Und wenn einem mal die Kugel entgleitet, macht man sich besser schnell über sich selbst lustig. Bevor es andere taten. Es war immer die kostbarste und schönste Zeit meines Urlaubstages. Ich wartete bis alle Begegnungen gespielt schienen und wieder meine Minuten dran waren. Seine Frau. Also die Frau von Pepe, so hieß der alte Mann, sprach fließend deutsch. Ich glaube sie war sogar Deutsche. Sie war sehr nett. Meine Eltern waren sehr glücklich, dass ich so nett aufgenommen wurde. Man merkte ihnen förmlich an, dass sie den frankophilen Therapieerfolg wohlwollend in sich aufsaugten. Aber sie behielten immer eine Distanz. Als ob sie ein schreckhaftes Eichhörnchen am Wegrand nicht verjagen wollten. Denn keines ihrer anderen Kinder war so tief in das Herz Frankreichs vorgestoßen wie ich. Ich habe Pepe natürlich nie auf die Nummer auf seinem Arm angesprochen. Nie. Aber hingesehen, habe ich ständig. Sie waren alle sehr nett zu mir. Was ich Zeitlebens nicht vergessen habe. Denn mit diesem Moment hat mir Pepe gewollt oder ungewollt etwas mit auf meinen Lebensweg gegeben. Er hat mir was in meinen Rucksack der Erkentnisse gesteckt. Wie Schokolade in die Schuhe an Nikolaus. Was ich erst viel später in seiner ganzen Auswirkung erkennen sollte: das Spiel. Die Toleranz. Die Gerechtigkeit. Die Gemeinschaft. Der Spaß. Die Gelassenheit. Das Gönnen. Bei soviel Leid, das er sicherlich erlitten hatte. Was ich natürlich auch erst viel später erahnen konnte. Hat er den kleinen Deutschen mitgenommen, zu sich genommen, an seine Seite genommen, wie ein Opa. In eine andere Welt – Frankreich. Seine schützende Aura zog einen magischen Kreis um mich. Ich war jeden Tag für Minuten einer von ihnen. Sicher und unantastbar. Unter dem persönlichen Schutz von Pepe. Der Mensch kann also verzeihen ohne dabei vergessen zu müssen. Nicht alle. Nicht viele. Aber Pepe konnte das. Es wäre ein Leichtes gewesen, an mir vorbei zu sehen. Obwohl er die Nummer am Arm trug, all die anderen Boulespieler nicht.
Nur gut, dass ich die Chance hatte, es in diesem Jahr zu lernen. Denn schon ein Jahr später weilte Pepe nicht mehr unter uns. Ich weiß es, weil wir ein Jahr darauf für ein zweites und letztes Mal mit der gesamten Familie an diesen Ort zurückkehrten. Der ohne Pepe, auch die sämtliche Toleranz des Vorjahres völlig verloren hatte. Ich wurde ignoriert und gemieden. Dann doch der Deutsche eben. Keiner bot mir mehr seine Kugeln an. Keiner wollte mit mir spielen. Als ob ich eine ansteckende Krankheit hätte. Der Junge aus dem Sumpf des Tätervolkes. So wurde ich gemieden. Das hat mich tief getroffen. Weil damit auch das Andenken an Pepe schaden genommen hat. Frankreich hat von Pepe nicht gelernt. So spielte ich dann wohl oder übel mit meinen Geschwistern am Ferienhaus. Im Sand. Die aber hatten den tieferen Sinn des Spiels nicht verinnerlicht. Die sahen damals ein Spiel. Nur als ein Spiel. Die spürten nicht die Kultur. Wie auch. Sondern sie spielten das Ganze auf ihre ganz eigene Art. Das war weniger Boule, mehr Kugeln werfen. Ich war nie mehr am Dorfplatz gesehen. Es gab keinen Grund für mich weiterhin demütigen zu lassen. Wie diese Kellner im Restaurant, nach denen man ständig Ausschau hält, denen man unablässig zuwinkt, die aber, den ich guck länger an dir vorbei und noch länger durch dich durch Blick, drauf haben. Aber wie die Kellner mir heute nicht mehr das Essen vermiesen können, so konnten mir die Boulespieler das Spiel, das Pepe mir mitgegeben hatte, nicht mehr nehmen. Es saß viel tiefer, als die Dummheit der Menschen, die mir entgegen sprang. Es wäre auch keinem aufgefallen. Sie waren wieder unter sich. Sie konnten wieder ihren gelernten Dogmen aufrechterhalten und ihre überlieferten Vorurteile aufpolieren wie die Kugeln. Das Spiel mit meinen Geschwistern aber brachte nicht den Spaß, die Verbundenheit, die durch meine Vorfreude und Erfahrungen eines Sommers zurück in mir loderte. Es war nicht mehr französisch. Es hatte auf einen Schlag an Gelassenheit verloren. Übertriebener Ehrgeiz gesellte sich dazu. Ständig wurde es laut und es wurde noch häufiger gestritten. Ganz im Gegenteil, ohne Pepe, war es als ob man meiner Lust am Boule die Kerzen ausgeblasen hätte.
Meine Eltern bemerkten meine Enttäuschung. Reagierten spontan und kauften mir meine ersten glänzenden Boulekugeln. Aber trotzdem war meine Leidenschaft bis auf weiteres abgekühlt. Es war eben nicht mehr dasselbe, sondern nur so etwas Ähnliches. Als Kind war ich sehr enttäuscht und tief berührt. Wie sich innerhalb von einem Jahr das Blatt wenden konnte. Wenden zu einem menschlich so schlechten. Die ganze Autofahrt freute ich mich auf Pepe. Aber Pepe hatte mir trotzdem meine Lektion mit auf den Lebensweg gegeben. Obwohl er das sicher nicht beabsichtigt hatte. Das Spiel musste erstmal einige Zeit ohne mich auskommen. Nach dem Ausflug in die Geschichte meiner Verbindung zum Spiel nun zum eigentlichen Spiel zurück. Man spielt es gewöhnlich mit 3 Kugeln. Aus Eisen. Die einen Durchmesser von um die 74 mm haben. Es gibt auch größere und kleinere. Je nach Handgröße, Wurftechnik und Spieleigenschaften muss man sich für welche entscheiden und fest daran glauben, es seien die richtigen. Ist man dazu noch nicht in der Lage, dann sollte man sich auch noch keine kaufen, sondern sich welche leihen. Bis man in der Lage ist, sich welche zu kaufen. Zudem haben diese Kugeln unterschiedliche Gewichte. So um die 710 Gramm. Es gibt aber auch schwerere und leichtere. Auch hier kommt die erwähnte Entscheidungsfähigkeit ins Spiel, vor dem eigentlichen Spiel. Zudem haben die Kugeln unterschiedliche Eigenschaften in Bezug auf den Härtegrad. Auch hier wird irgendwann eine Entscheidung notwendig sein. Es gibt härtere und weichere. Die weichen rosten schneller. Bekommen schneller Macken. Die harten rollen mehr, springen mehr und versinken schneller. Aber rosten nicht so schnell. Die weichen rollen weniger und titschen nicht so bei hartem Boden. Jeder Boulespieler schwört auf seine Kugeln. Denn die waren in der Regel teuer. Und die Entscheidung für die richtigen Kugelsätze hat sich sicherlich in die Länge gezogen. Die Kugelsätze ruhen in einer schönen Holzkiste oder in einem Kunstlederbeutel. Zu dem gibt es ein Cochon, auf deutsch „Schweinchen“Holzkugel. Früher war die holzfarbend. Heute ist diese grell gelb, grell grün oder grell rot. Wie mit den Tennisbällen.
Die waren auch mal nur cremefarben. Damals. Damals erinnere ich mich es war nun 1981, machte ich meine Klassenfahrt an die Cotes Azur. Genau gesagt nach St. Raphael. Das liegt bei Toulon. Alle 10 Schulklassen machen eine Abschlussfahrt. So auch die 10.4 der Gesamtschule Köln Chorweiler. Heute heißt sie Heinrich Böll Gesamtschule. Schon ein Jahr später waren wir nur noch die Hälfte in der Klasse. Die einen marschierten weiter Richtung Abitur. Die anderen in die Lehre oder zum Bund. Wir hatten die Wahl. Meine Wahl war klar und eindeutig auf Frankreich gefallen. Andere reisten nach London und Italien. Wir waren sehr viele Schüler, ich denke mal so um die 600 müssen es gewesen sein. Aus mehreren Schulen. Am Mittelmeer war ich zuvor noch nie. Deshalb fiel mir die Entscheidung leicht. Ich erwähne das, weil ich hier erneut auf Frankreich getroffen bin, in der Sehnsucht, Frankreich würde meine Liebe erwidern. In wunderbarer Form und ebenso ansehnlichen Kurven mit demselben Namen der mir schon Jahre zuvor begegnet ist - Isabelle. Sie war die Attraktive und unerreichbare Freundin des Hotelbesitzers. Der ein Mercedes Cabrio fuhr und in allen Belangen cooler war als wir. Zigaretten ohne Filter, Ricard ohne Cola und Auto ohne Dach. Er behütet sie wie einen Schatz. Und sie machte keinerlei Anzeichen, dass sie für irgendjemand erreichbar wäre. Sie fuhr regelmäßig sein Cabrio. Langweilte sich eigentlich den ganzen Tag. Räkelte und cremte sich auffällig langsam und intensiv vor unser aller Augen am Strand ein. Sobald der Rücken dran war, fragte sie immer ein anderes Mädchen am Strand. Keine Chance. Die Hälfte von uns musste sofort in die Bauchlage wechseln. Weil man sonst die anatomischen Auswirkungen hätte eindeutig erkennen können. Andere huschten schnell ins kalte Wasser. Man hätte uns Jünglinge sicher sabbern hören, wenn der sonstige Lärm nicht so laut gewesen wäre. Nach dem Eincremen, legte sie sich auf den Bauch und öffnete das Oberteil. Um nahtlos braun zu werden. Alle versuchten wir uns ihre Brüste vorzustellen. Einen Anblick zu erhaschen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren wir auf den Playboy als einzige Aufsichtsvorlage angewiesen. Die paar sonstigen Begegnungen haben keine Spuren hinterlassen.
Und alle hofften auf eine unüberlegte Bewegung von ihr. Die den Blick nur für ein tausendstel frei geben würde. Aber den Gefallen tat sie uns nicht. Sie war unglaublich hübsch. Nein sie war mehr, sie war außerordentlich schön. Alle haben sich die Augen nach ihr verdreht. Vor allem die Lehrer. Denn sie war schon 22 Jahre. Ich war gerade mal 17 geworden. 5 Jahre älter. Das war damals eine Ewigkeit. Ich bin offensichtlich spät aus der Pubertät gekommen. Ich bin auch spät rein gekommen. Pickel im Gesicht waren nicht mein Ding. Davon blieb ich weitestgehend verschont. Mädchen hatten bis zu meinem 16 Lebensjahr keine wesentliche, besser gesagt zentral, Rolle gespielt. Also keine Sexualität als Mittelpunkt des Seins. Außer Flaschendrehen und knutschen, war nicht viel passiert. Mal gefummelt. Aber mehr diletantisch. Mehr, um bei den anderen Jungs nicht als Spätzünder da zu stehen. Ich mochte Mädchen, aber außer hin und wieder durch die Vibrationen bei der Busfahrt am morgen, hatte mein Geschlechtsteil noch nicht die völlige Steuerung meines Willens übernommen. Willst du mit mir gehen? Blues tanzen auf „if you leave me now“ von Chicago. Händchenhalten. Liebesschwüre. Das war das Niveau, auf dem ich mich bis dato befand. Andere waren schon voll im Geschäft. Die erzählten ständig die gleichen Geschichten. Was sie wie mit welchen Mädchen wann und wo getan haben. Die standen dann alle Jungs wie Mädels, in der Pause auf dem Jungenklo und rauchten. Ich spielte draußen Fussball. Die lasen unentwegt Bravo. Ich fuhr Skateboard. Die hörten baycity roller, abba, sweet und so was. Ich hörte jazz und die beatles. Und wenn nicht, dann ging ich zum Fußball spielen. Oder auf die Domplatte zum Skateboard fahren. Oder machte andere Sachen. Aber Frankreich sollte mir in diesem Punkt ein weiteres Mal den weg weisen. Nach dem Boule bekam ich von Isabelle die wichtige Lektion in körperlicher Begierde. Sicherlich viel zuviel für meinen damaligen Status. Aber das kann man sich im Leben manchmal eben nicht aussuchen. Das erste Mal Fahrradfahren sah auch nicht so toll aus. Weiß nur keiner mehr. Beim Auto war das ähnlich. Warum sollte es beim Sex dann anders sein. Das körperliche Resultat dieser Lektion war, dass mir Tage lang mein bestes Stück schmerzte. Sicherlich ein Beweis meiner Ungeschicktheit und Unwissenheit. Denn Isabelle und ich haben uns 8 Stunden geliebt.
Falsch, sie hat mich 8 Stunden dazu angehalten, sie zu lieben. Und ich habe versucht, ihren Anweisungen und Wünschen zu folgen. Was mir mehr oder weniger gelungen ist. Dabei dachte ich immer auch an Isabelle die Erste. Die Brieffreundin von damals. Meinem ersten kläglich gescheiterten Versuch, dass Frankreich mich doch bitte lieben möge. Das Schicksal hatte sich offensichtlich beim ersten Mal geirrt. An der falschen Isabelle geklingelt. Was sicherlich am Namen lag. Der Zufall hat alle Hände voll zu tun, da kann man sich mal beim Namen irren. Aber Isabelle 1 und Isabelle 2 waren was völlig anderes. Das hätte dem Schicksal gleich auffallen müssen. Ich haderte nicht mit meinem Schicksal, sondern war über den Ausgang natürlich sehr glücklich. Alles passierte in einer Nacht. Denn zum einen reisten wir drei Tage später ab. Und zum anderen war nur in dieser einen Nacht, ihr Wachhund nach Nizza gereist. Ich musste sie einfach danach fragen. Denn ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich mit der Ungewißheit hätte leben müssen, hätte sie oder hätte sie nicht? In der felsenfesten Annahme und eben solcher Überzeugung, dass sie mein Bitten nach willenlosem und kopflosem Sex mit einem Jungster natürlich nicht erwidern würde, in dieser festen Annahme habe ich sie einfach gefragt. Auf französisch. Ein damals berühmter Disco Schlager kam mir da ganz gelegen. Eigentlich habe ich wie gesagt mindestens mit einer Ohrfeige gerechnet. Das ist fast so sicher wie am P1 in München nicht rein zu kommen. Man startet einen erbärmlichen Versuch, der einfach zum scheitern verurteilt ist. Sie lächelte aber nur, ihr un- verbindliches freundliches Gesicht veränderte sich merkwürdig und antworte „oui“. Und plötzlich war alles an dieser Situation und an ihr sehr verbindlich. Damit war meine bis dahin mühsam aufgebaute Weltordnung völlig durch einander. Wie die Dias im Diarad meines Vaters. Falsche Urlaube und verdrehte Bilder. Wir gingen sofort auf ihr Zimmer. Wir gingen nicht über Los, zogen keine 4.000 Mark. Die Entscheidung war gefallen, das Urteil wurde sofort vollstreckt. Es machte mir denAnschein, als ob sie keine Zeit verlieren wollte. Ich wollte hier und da noch ein wenig auf Zeit spielen.
Was mir aber nicht wirklich gelang. Ich hatte keine Ahnung von Sex. Ich hatte gerade mal einen schlechten Super 8 Sexfilm bei einem Freund gesehen. Bei dem ich anatomisch nicht folgen konnte. Der auch eher zur Übelkeit anregte. Es war klar, dass sie meine Unerfahrenheit heraus bekommen würde. Deshalb gestand ich ihr das ohne Umschweife ein. Und war dabei schon das erste mal gekommen. Bei dem Versuch meine Hose zu öffnen und herunter zu ziehen, habe ich schon den ersten Schuss verpulvert. Kurzschluss. Schlimmer konnte es nicht werden. Was die Sache für sie noch schmackhafter zu machen schien. Sie entwickelte einen Ehrgeiz. Einen fast sportlichen Ehrgeiz, das letzte aus mir heraus zu holen. In einer Nacht habe ich alle Praktiken durchlebt. Denen ich bis heute keine weiter hinzufügen musste. Alles wonach Frauen sich nach ihrer Meinung nach wirklich sehnen. Alles habe ich mitgemacht, so gut es ging. In der Morgendämmerung haben wir die letzte Lektion hinter uns gebracht. Sie hatte einen südamerikanischen Einschlag. Sie roch so gut. Ihre Haut war geölt und roch nach Kokosnuss. Sie hatte gewellte dunkle lange Haare. Sie war der Typ „Carmen“. Und sie schmeckte süßlich. Überall. Sie hat Recht behalten. Alle Lektionen haben bis heute Bestand. Frankreich hat mich also doch geliebt. Mehr als das, Frankreich hat mich entjungfert. Ihre dunkle Haut. Das dunkelblaue Kleid mit den gelben Tupfern. Die gepflegte Wäsche. Den Wert dieser Zusammenkunft sollte ich auch erst viel später als wesentliche Erkenntnis einordnen können. Denn auch Isabelle die II hat etwas in meinen Rucksack fürs Leben gesteckt: „Du musst sagen was du willst. Du musst wollen was du willst. Und du musst es dann auch tun.“ ach ja, zurück zum Spiel. Boul. Einige lassen sich neben den üblichen Mustern, ihren Namen auf die Kugel gravieren. Nicht auf das Schweinchen, sondern auf die Eisenkugeln. Wegen der Familienzugehörigkeit. Wenn da im Laufe eines Spieles so viele eng bei einander liegen. Kann man seine eigenen oft nur schwer erkennen. Alle nennen das spiel Boule, aber es heißt Petanque. Darum nennen es alle Boule. Das Ziel des Spieles ist es, möglichst viele Boule näher an dem Schweinchen zu haben als ein Gegner.
So weit so gut. Wie gesagt, ein einfaches Spiel. Der Gegner kann eine Person sein. Dann spielt man tête a tête - Kopf gegen Kopf. Nicht um Kopf und Kragen, so kommt es einem aber manchmal vor. Oder ein Team aus zwei Spielern, gegen ein Team aus ebenfalls zwei Spielern. Dann spielt man eine doublette. Oder drei gegen drei. Dann heißt es tripplette. Bei der tripplette hat jeder nur noch zwei Kugeln. Weil mehr als 12 kugeln sind des Schweinchens Tod. So zu sagen, zu viel des guten. Das Schweinchen muss 6 bis 10 Meter weit entfernt auf einem bespielbaren Untergrund geworfen werden. Wenn alle Spieler bzw. Mannschaften einverstanden sind mit der Lage des Schweinchens dann gehts schon fast los. Das einfache spiel. Man wirft das Schweinchen immer vom ort seiner letzten Position aus. Man kann also nicht einfach hingehen wohin man will. Außer zum Glas Wein, oder aufs Örtchen. Der erste Werfer seiner Mannschaft, zieht elegant mit der schuhspitze, man darf nicht barfuss spielen, einen runden Abwurfkreis. Auch nicht unbekleidet darf man Boule spielen. Sicherlich ein Grund, warum an FKK Stränden das Spiel nicht an zu treffen ist. Beim Federball ist das möglicherweise erlaubt. Die Vorstellung nackt Boule zu spielen, ist auch abwegig. Den wenig junge Menschen vor allem des weiblichen Geschlechtes üben dieses Spiel aus. Somit ist es eher unappetitlich, wenn ein Rudel reiferer Männer, mit Haaren aus allen Körperöffnungen und auf allen Körperteilen, Zigaretten im Mundwinkel, Eisenkugeln in den Dreck werfen. Sich dabei ständig bücken, nachmessen und ständig die Kugeln polieren. Auch bei sengender Hitze muss man ein T-Shirt tragen und kurze Hosen und feste Schuhe. Zurück zum Abwurfkreis, der im Durchmesser nicht mehr als 30 Zentimeter groß sein darf. Für Menschen mit Schuhgrößen über 44 kein leichter Stand. Da hilft nur, den Kreis oval anzulegen. Also in der Länge ein wenig zu verlängern. Denn auf Zehenspitzen ist nicht gut kugeln. Diese Körperhaltung erinnert mich an Louis de Funes. Wobei mir eine weitere Geschichte meiner Frankophilie in den Sinn kommt. Die Eskalation dieser Krankheit fand in der 11 Klasse statt. Ich entschloss mich auch hier, Frankreich etwas zurück zu geben, was ich ihm nicht schuldig war.
Runde Grüße
Bernd